Lia Perjovschi und eine Puppe auf den Treppen des sanierungsbedürftigen Kunstmuseums in einer Gruppierung von sieben Fotos fesseln den Blick. Entweder teilnahmslos auf Stühlen sitzend, wie vergessene Opfer einer Gewalttat auf dem Boden liegend oder die Künstlerin sich über die Puppe beugend, sind die zwei Gestalten auf den Fotos dargestellt. Sie wiedergeben in Bildern die Performance „I Fight For My Right of Being Different“ der rumänischen Künstlerin Lia Perjovschi, die sich 1993 am Festival „The Eastern European Zone“ kurz „Zone 1“ beteiligte. Suggestive Bilder, die dem Betrachter einen Einblick in die Kunstaktionen kurz nach der Wende in Rumänien gewähren und die damalige Atmosphäre teilweise noch bedrückend, verwirrend und befremdend darstellen zu scheinen.
Die Fotogruppierung zu Lia Perjovschis Performance ist nur eine visuelle Kostprobe der Ausstellung „Re-Vedere“ („Wieder-Sehen“), die unlängst in der Pygmalion-Galerie im Haus der Künste in Temeswar/Timişoara in Anwesenheit ihrer beiden Berliner Kuratoren Nathalie Hoyos und Rainald Schumacher eröffnet wurde.
„Wir haben in unseren Recherchen festgestellt, dass in den 90er Jahren Temeswar ein irrsinniger Attraktionspunkt für Künstler aus ganz Rumänien war, weil es durch diese westliche Position immer sehr viel offener war und es gab relativ früh nach der Revolution einige Kunstaktionen, die innerhalb ganz Rumänien sehr relevant waren, z.B. diese erste Ausstellung ´Stare fără titlu`, da sind Leute aus gesamt Rumänien angereist, um daran teilzunehmen“, so Nathalie Hoyos.
„Re-Vedere“ ist die erste Ausstellung, eine Art Vorpremiere zu den Timişoara Art Encounters im Herbst 2015 und dokumentiert die ersten Temeswarer Kunstfestivals „Stare Fără Titlu“ (1991) „Pământul“ (1992) und „Zona 1“ (1993) mit landsweiter Teilnahme.
Die erste Bienale der Timişoara Art Encounters - ein Treffpunkt für die ganze künstlerische Szene in Rumänien - wird zwischen dem 3.-31. Oktober 2015 in Temeswar stattfinden. Ziel der Art Encounters ist jedes zweite Jahr einen lebendigen Dialog zwischen Künstlern, Kuratoren und dem allgemeinen Publikum über die Entwicklung der Kunst und über den Ort und die Evolution der rumänischen Gegenwartskunst im internationalen Kontext zu veranstalten.
„Es wird vor allem rumänische Kunst sein, aber auch Künstler, die im Ausland leben und rumänische Wurzeln haben, oder Künstler, die sich in ihrem Werk in irgendeiner Form auf Rumänien beziehen“, sagt Nathalie Hoyos. Thema der Art Encounters in diesem Jahr ist „Appearance & Essenz“, wobei im Mittelpunkt die Geschichte und die Entwicklung rumänischer Gegenwartskunst ab den 1960er Jahren bis heute steht.
Die Art Encounters werden außer mehreren Ausstellungen in der Temeswarer Innenstadt, dem Kunstmuseum, den Kunstgalerien, der Kunsthochschule und anderen zweitweilig für Kunstevents zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten, wie die TIMCO-Halle oder die U Kaserne, auch ein Artist in Residence-Programm umfassen. Im Rahmen dieser Künstlerresidenzen werden junge Künstler und Kuratoren die Möglichkeit haben, in Temeswar zu wohnen zu schaffen und das Kunstphänomen der 1960er und 1990er Jahren zur recherchieren.
Zu den Timișoara Art Encounters gehören noch Konversationen, Vorträge und Workshops, zu denen Kuratoren internationaler Institutionen wie Tate Modern in Londen, MOMA in New York und Centre Pompidou in Paris sowie auch andere Museen in Osteuropa, Deutschland oder Italien eingeladen wurden, von denen auch Zusagen kamen, so der Initiator der Art Encounters und Gründer der gleichnamigen Stiftung, Ovidiu Şandor. Nicht zuletzt wurde auch ein Bildunsgprogramm, um das Interesse für die Gegenwartskunst unter Schulkindern aber auch unter den Erwachsenen zu wecken, in die Encounters aufgenommem.