Die wenigen Städte der Moldau und der Walachei waren meist voller Ungarn und Deutscher, Armenier und Juden, Griechen und Bulgaren, Serben usw. Der dünn gestreute Adel bekam nach den großen Ausrottungswellen der Osmanen im Spätmittelalter und nach der teileinheimisch gewordenen Masse der über anderthalb Jahrhunderte an der Macht und an den Geldquellen sitzenden Phanarioten einen zunehmend balkanisch-griechischen Anstrich (es wäre Blasphemie schon gewesen, zur Ceauşescu-Zeit laut zu sagen, dass die Mutter des Mihai Viteazul Griechin war...). Auch das mühsam aufkommende Bürgertum ist stark „fremd“, vor allem griechisch, durchsetzt. Die Zuwanderung von Juden aus den Stetln nördlich der Waldkarpaten in die Moldau unterstreicht die Vielfalt.
Eine der Reaktionen auf diese Konfigurationen, die dominant werden sollte, war der Nationalismus. „Ziel der Rumänen“ sollte es werden, einen „rein rumänischen“ Staat zu schaffen, der möglichst alles „Fremde“ abschütteln sollte. Diese Ideen kamen schon bei den „Jungrumänen“ in der Moldau auf, aber die diesbezüglichen Spannungen und Drücke wurden dauernd gesteigert, trotz betonter Besänftigungstendenzen aus Richtung des „fremden“ Königs der Rumänen, Karl/Carol I. Zumindest eins war jedem klar: ohne die „anderen“ konnte Rumänien, egal in welcher Größe und Konfiguration, (noch) nicht überleben. Auf alle Fälle stieg die Frustration gegenüber den „Fremden“ stetig – und ist bis heute ein dominanter Faktor in der rumänischen Gesellschaft, von zuunterst bis zuoberst. Daraus nährt sich seit anderthalb Jahrhunderten der betont „ethnizistische“ und von der Kirche gestützte Nationalismus der Rumänen, meint Boia, der, jenseits der political correctness, sich bemüht, das Phänomen als Historiker zu erklären.
Dass es schwierig ist, in einem Staat, der sich in seiner Verfassung als „einheitlicher Nationalstaat“ definiert, die wohltuende Wirkung der Vielfalt und der Regionalität begreifbar zu machen und vor allem diesen Ideen zu politischem Durchbruch zu verhelfen, das ist begreiflich. Diese Verfassungsformel erlaubt es, Regionalisierungs- und Individualisierungstendenzen (Szeklerland) als separatistische Machenschaften zu kriminalisieren, andrerseits, den Wasserkopf Bukarest als einzig mögliches Macht- und Dominanzzentrum hinzustellen, mit einer unaufhaltsam steigenden und außer Frage stehenden Fokusierung auf sich selber. „Die Philosophie von der `Einheit´ blieb dominent in der rumänischen politischen Mentalität“, schreíbt Boia.
Dass in einem solchen politisch-gesellschaftlich abgegrenzten Umfeld sich trotzdem „Minderheiten“ erhalten konnten, das geht einerseits auf ein immer noch nicht völlig von sich selbst überzeugtes Rumänentum zurück, mehr aber noch auf einen freundlichen Mentalitätszug der Mehrheitsbevölkerung: die Toleranz, die Neigung zum „Auch-mal´s-Auge-zudrücken“ – beides immer aber auch sich selbst gegenüber! Reziprozität ist oberstes Gebot. Toleranz und Nachsicht werden geboten und gefordert. Die Folgen erleben wir tagtäglich.