Rumänien ist längst kein Ausländermagnet

Im Tourismus legte allein die Statistik zu

Die Meinungen sind gespalten: Hat Temeswar zu wenig Sehenswürdigkeiten, oder ist das touristische Potenzial der Stadt nicht komplett genutzt?

Der Temeswarer Flughafen, als eines der Tore nach Rumänien, hat in den vergangenen Jahren an Passagieren eingebüßt. 757.000 Reisende wurden 2013 auf dem westrumänischen Airport abgefertigt.
Fotos: Zoltán Pázmány

Ein Großteil der Ausländer, die nach Rumänien reisen, tun dies zu Geschäftszwecken und nehmen vorwiegend ein Zimmer in den Tourismuseinrichtungen von Bukarest oder in den Kreishauptstädten. Nur ein Viertel der Touristen ist an Besichtigungs- oder Entspannungsreisen interessiert. Sie interessieren sich kaum für die hierzulande gepriesenen Badeorte an der Schwarzmeerküste, für Gebirgsgegenden, das Donaudelta oder für thematische Reisen. 1,23 Millionen Ausländer nahmen sich in den ersten elf Monaten 2013 ein Zimmer in Tourismuseinrichtungen, um Geschäftliches zu erledigen, oder Bekannte und Verwandte zu besuchen. Im Gegenzug kamen in der gleichen Zeitspanne nur etwa 390.000 ausländische Touristen zur Erholung oder zur Kur in die einschlägigen Einrichtungen Rumäniens. Dies geht aus neuesten Daten des Nationalen Statistikamtes INS hervor. „Die meisten Ausländer, die Großstädte Rumäniens bereisen, sind Geschäftsleute und keine Touristen“, zitiert in diesem Kontext Mediafax den Vorsitzenden des Verbandes der Hotelbetreiber in Rumänien, Radu Enache. Er glaubt, dass die Behörden zu wenig tun, um das Land touristisch attraktiv zu machen. „Man muss zunächst etwas geben, Bedingungen schaffen, und danach die Auswirkungen erwarten“. Den Daten aus der Zeitspanne Januar – November 2013 nach haben in den Einrichtungen Rumäniens etwa 7,4 Millionen Touristen übernachtet, 5,8 Millionen waren Bürger aus Rumänien, 1,62 Millionen kamen aus dem Ausland.

Kein einheitliches Konzept

„Es ist ein flexibles und sensibles Gut“, sagt die Reisekauffrau Ramona Lambing. Und damit meint sie den Tourismus und dessen Vermarktung. Währenddessen zeigt sie auf dem Monitor das Konzept und erste Beiträge für die Werbebroschüre über das Banat, die sie koordiniert und im Auftrag des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs in Temeswar herausbringen will.  „Weder Zielgruppen orientiert noch marktgerecht“, ist ihrer Meinung nach die Werbung und die Einstellung der Verantwortlichen im rumänischen Tourismus. Man versuche, Rumänien als Badetourismus zu vermarkten, dabei könne die rumänische Schwarzmeerküste im internationalen Vergleich in Qualität und Service den weltweiten Ansprüchen nicht gerecht werden. Im Gegenzug müsse man das Donaudelta, die Donauklamm, den Wallfahrtsort Maria Radna, die Kirchenburgen und die Klöster der Moldau promoten. Zielgruppe wären vor allem Touristen aus Deutschland, da „durch deutsche Einrichtungen und die Deutschen in Rumänien die Sprachbarrieren fallen.“

Deutsche bestätigen Reiselust

Von den 1,23 Millionen ausländischen Geschäftstouristen waren die Deutschen (164.000) vorherrschend, gefolgt von den Italienern (139.000) und den Franzosen (89.000). „Die Ausländer, die in Hotels in den Städten unterkommen, sind keine Touristen, sondern Geschäftsleute, oder Personen, die zu Lehrgängen und zum Team-Building kommen“, zitiert Mediafax den Hotel-Großunternehmer Josef Goschy, der Hotels in mehreren Städten aber auch an der Schwarzmeerküste führt. In der Zeitspanne Januar – November 2013 zogen die Badestrände am Schwarzen Meer etwa 31.000 Ausländer an. Die meisten Besucher waren Deutsche (6.000), Polen (3.100) und Franzosen (2.400). Sie wurden gefolgt von Bürgern aus Russland, Italien und der Republik Moldau. 123.000 Ausländer zog es im vergangenen Jahr bis einschließlich November in die rumänischen Berge. Die Gebirgskurorte besuchten mehr als 15.000 Bürger aus Israel, fast  15.000 Deutsche und nahezu 8.000 Polen. In der Rubrik „andere Ortschaften und Trassen“ führt die Statistik etwa 180.000 ausländische Besucher. Die meisten davon kamen aus Ungarn, gefolgt von jenen aus Deutschland und Italien. Die Kurunternehmen zogen 31.000 Ausländer an, die meisten davon kamen aus Ungarn und der Republik Moldau. Mehr als ein Viertel der 22.000 Besucher des Donau-Deltas waren Deutsche. Interesse für das Delta gab es auch noch bei den Bürgern aus Norwegen und Polen. Trotz dieser insgesamt geringen Zahl an ausländischen Urlaubern in den verschiedenen Tourismussparten Rumäniens verweisen die rumänischen Behörden auf einen Plus-Punkt: 3,6 Prozent mehr ausländische Urlauber im Vergleich zur gleichen Zeitspanne im Jahr zuvor. Für das Gesamtjahr 2013 liegt eine Statistik vor, die einen Anstieg der Übernachtungen ausländischer Touristen von 5,1 Prozent wiedergibt. Diese Wachtums-Euphorie bremsen Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat. Mit den etwa 18 Prozent von Ausländern gebuchten Übernachtungen liegt Rumänien im Keller europäischer Statistiken. Viermal so viele Besucher hatten Ungarn und Bulgarien. Und wohl noch relevanter: Zwar lagen Lettland und Litauen mit 2,7 bzw. 2,8 Millionen ausländischen Touristen zahlenmäßig unter dem Niveau Rumäniens, doch macht in diesen Ländern der Anteil der Ausländer am Tourismus 70 bzw. 51 Prozent des gesamten Marktes aus.

Jeder Schein, zweimal umgedreht 

Für Felicia Ciuruş, Managerin des Temeswarer Fünf-Sterne-Hotels „Timişoara“, haben all die Statistiken kaum Relevanz. Die einheitlichen Statistiken über die Bettenauslastung können ihrer Meinung nach keinen konkreten Aufschluss geben, und dazu komme, dass es ein gewaltiger Unterschied sei, ob ein Hotel mit 200 oder mit 20 Zimmern zur Hälfte belegt ist. Das Hotel, das sie leitet, ist im vergangenen Jahr zu 52,4 Prozent belegt gewesen, wobei vorwiegend Geschäftsreisende in dem Hotel im Stadtzentrum einkehren und die kommen zu 70 Prozent aus dem Ausland. Touristen im klassischen Sinn des Wortes, mit Großraumbussen, sind selten geworden. Bei Gruppenreisen z.B. aus Serbien müssen die Manager der Fünf-Sterne-Einrichtung ans untere Preis-Limit gehen. „Die Wirtschaftskrise hat uns allen schwer zu schaffen gemacht. Wir können auch heute noch nicht wieder die Preise fordern, die vor der Krise für unsere Zimmer bezahlt wurden“, sagt die Hoteldirektorin. Dass sich die meisten Hotelgäste in Temeswar beruflich in der Stadt aufhalten, sei auch daran zu sehen, dass an Wochenenden die Bettenauslastung sehr gering sei und nach Kenntnissen von Felicia Ciuru{ bei etwa 20 Prozent liege. Der Business-Tourismus sei spezifisch für Temeswar, da es hier zum einen mehrere große Firmen gibt. Zum anderen fehle es an Sehenswürdigkeiten für den Entspannungstourismus.

 

Diese Aussagen der Aktiven aus der Tourismusbranche decken sich mit dem, was die Statistik speziell für den Kreis Temesch ergibt: Die Hotels weisen nicht nur prozentmäßig die größte Bettenauslastung auf, sondern sind auch die einzigen Unterkunftseinrichtungen, die – zumindest im Kreis Temesch – sowohl bei den Ankünften, als auch bei den Übernachtungen zugelegt haben. Im Vergleich zwischen den beiden Novembermonaten 2012 – 2013 verzeichnete die Temescher Hotelbranche im letzten Jahr ein Plus von 550 Personen bei den neuen Gästen und etwa 5000 zusätzliche Übernachtungen. In der gleichen Zeitspanne gab es gewaltige Einbrüche bei den ohnehin nicht sonderlich gut besuchen Motels, deren Besucherzahlen innerhalb eines Jahres auf ein Viertel schrumpften, beim Agrartourismus gab es ebenfalls Rückgänge, und Villen mussten Einbußen von mehr als 50 Prozent hinnehmen. Allein in der Kategorie „Pensionen“ waren die Zahlen im Jahresvergleich in etwa gleichbleibend. Schutzhütten werden in der Statistik des Kreises Temesch gar keine geführt. Berauschend ist das alles nicht und steht im Widerspruch mit dem Credo einer Ramona Lambing, dass Tourismus Mehrwert generieren muss. Und ihr geht es nicht nur um Freizeitreisen und –aufenthalte. Umsatz könne man ihrer Meinung nach nicht nur über Nischentourismus, sondern auch über Geschäftsreisetourismus machen, der "über weite Strecken sich selbst überlassen ist". Bisher hat kaum jemand aktiv Tagungen und Konferenzen akquiriert - da macht es sie noch längst nicht glücklich, dass drei von vier Ausländern zu unternehmerischen Zwecken in Rumänien weilen.