Rumänien. Und wir?

Einige Bemerkungen zum politischen Tagesgeschen in Rumänien/ Was kann ein Beobachter der politischen Lage Rumäniens nach dem Verstreichen eines Monats von 2014 verbuchen? (1)

Von Univ.-Prof. Dr. Rudolf Gräf, Prorektor der Universität „Babes-Bólyai“ Klausenburg

 

Dieser Beitrag versteht sich nicht als politische Analyse; es sind bloß einige Bemerkungen eines Bürgers und Historikers, der hierzulande das politische Tagesgeschehen mit Besorgnis verfolgt.

„Für Johannis wird es eine Chance und ein Risiko sein“, schreibt Prorektor Rudolf Gräf in seinem Kommentar.

Dieser Beitrag versteht sich nicht als politische Analyse; es sind bloß einige Bemerkungen eines Bürgers und Historikers, der hierzulande das politische Tagesgeschehen mit Besorgnis verfolgt.

 

Zur Frage im Titel: Sicher kein Zeichen von Normalität, von institutionellem Aufbau und von ordentlicher Reaktionsfähigkeit des Staates in Krisensituationen. Als Höhepunkt rumänischer Politikkunst kann auch ein Blinder bemerken, dass jede Krisensituation politisch ausgewertet wird.

Als allgemeines Phänomen kann man den offensichtlichen, konstanten und andauernden  Konflikt zwischen Regierung und Präsidentschaft beobachten, eine richtige Fäkalienschlacht. Diese, mit permanenten gegenseitigen Beleidigungen, besonders aber die Überspitzungen und das Gangsterhafte des Premierministers, kann doch kein Modell sein für die Jugendlichen, die sich das tagtäglich anschauen! Hinter diesem Hintergrund kann man die Bemühungen der Regierung sehen, sich die Kontrolle über Justiz und Geheimdienste zu sichern, zum Nachteil der Präsidentschaft. Was hier besonders besorgniserregend ist, ist die Tatsache, dass dabei kein Preis als zu teuer betrachtet wird und auch die Kosten für die internationale Positionierung Rumäniens in Kauf genommen werden. 

Ob diese Feststellungen stimmen, kann man fern des Geschehens und durch die Kommunikationsfilter nicht mit Sicherheit sagen, jedoch trügen die Zeichen kaum: der Aufwand, der mit dem Besuch des chinesischen Premierministers gemacht wurde, erinnert an die Politik Nicolae Ceau{escus aus den 70er Jahren. Obwohl die ökonomischen Beziehungen mit China enorm wichtig sind, darf Rumänien seine strategischen Partnerschaften nicht vergessen, und man muss hierzulande schon wissen, dass Janusgesichtigkeit zwar oft einen vorübergehenden Nutzen bringen kann, der Verräter aber dann keinen Platz mehr am Tisch der Herren finden wird.

Dass die amerikanische stellvertretende Staatssekretärin Victoria Nuland in Bukarest den Hausherrn im Viktoria Palais nicht zu Hause findet, ist besorgniserregend.  Auch einen „unangemeldeten“  Gast   empfängt man, um so mehr den Freund, der sein Raketenabwehrsystem in deinem eigenen Hof aufstellt.

„Der schwarze Dienstag“ und die außergewöhnlich suspekten Bemühungen der Regierenden, dem Blick der Justiz zu entgehen, die Änderungen im Strafrecht, in der Verfassung, dienen in den Augen jedes Laien offensichtlich zum Schutz der reellen, potentiellen, aktuellen und zukünftigen Korrupten. Brauchen wir das? Braucht man einen zu drei Jahren auf Bewährung verurteilten ehemaligen Minister, Mitglied der rumänischen gesetzgebenden Versammlung, als Vorsitzenden des Rechtsausschusses?  Nur den Vorsitz dieser Kommission hat er letztendlich abgegeben. Mitglied des Parlaments bleibt er und auch Mitglied des Ausschusses! Ehre? Ehrenhaftes Benehmen? Und ob. Nachdem Tage vergangen sind nach dem Flugzeugabsturz im Westgebirge, gibt der Innenminister sein Amt ab, als „Ehrensache“. Er und andere, die Verantwortung im entstandenen Chaos tragen, hätten das schon längst machen sollen.

„Ehrensache“ war auch die Art und Weise, wie man dem Schneefall/Schneesturm begegnete, um die Straßen frei zu halten und Dörfer freizuschaufeln. Es war „Ehrensache“, dass man die Straßen lieber gesperrt hat, anstatt dass die unter Vertragspflicht stehenden Firmen ihre Arbeit leisten. Oder man hat die Armee auf die Straßen geholt.

In beiden Situationen ist im Grunde genommen eins zu sagen: die staatlichen Institutionen haben versagt – fast, dass es nicht mehr wichtig ist, wer die Hauptschuld trägt – Menschen sind gestorben und am schlimmsten - das Unglück wird politisch ausgeschlachtet, und Institutionen, die eventuell während des Wahlkampfes und –vorgangs die eine oder die andere Partei begünstigen könnten, werden durch die Regierung konfisziert.

Ehrensache? Ehrensache auch die Tatsache dass die Regierung fast eine Million Menschen bestechen will durch die Neuterminierung ihrer Bankenschulden? Wer bezahlt dies? In den Schulen wird nichts darüber gelernt, wie man mit Krediten, Banken usw. umgeht. Nachdem sich doch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung selbst verschuldet hat, könnte man leicht auf die Idee kommen, dass diese Schulden andere bezahlen könnten. Auch eine Ehrensache. Wessen „Ehrensache“?

Und zum Schluss einige Bemerkungen zu der Neugestaltung der Beziehungen zwischen den Partnern in der USL. Die Nationalliberalen versuchen - nachdem sie ab dem Sommer 2012 alle Entscheidungen in der USL voll mitgetragen haben, die gegen den Rechtsstaat gerichtet waren und nachdem der Chef der Liberalen im Sommer 2012 der Bundeskanzlerin Angela Merkel empfohlen hat „sie soll doch Traian Băsescu“ – damals suspendiert -   „nach Deutschland nehmen und ihm dort ein Grundstück geben!!!“ -, nun  sich entweder im Rahmen der USL umprofilieren, indem sie Klaus Johannis in die Regierung als Innenminister und Vizepremier stellen oder sich vom Schirm der übermächtigen Sozialdemokraten loslösen. Mit Johannis können die Liberalen einen Mann mit gutem Ruf in die Regierung bringen, der sogar den Ruf des Parteipräsidenten reinwaschen soll. Wird das wohl funktionieren? Wird Antonescu, unterstützt von Johannis, jener Mann sein, der als Präsident in Rumänien die Richtung Westen, mit all dem, was dies voraussetzt, halten wird? Oder ist das bloß die Methode, mit der die PNL sich nun von der PSD trennen will, weil Crin Antonescu nun sicher ist, dass die PSD ihn bei der Präsidentschaftswahl nicht unterstützen wird. Für Johannis wird es eine Chance und ein Risiko sein: die Chance, seine Auffassung vom Regieren in die rumänische Politik einzubringen und das Regieren mitzugestalten. Eine Lebensaufgabe.

Aber das riesige Risiko ist, dass Johannis seinen Namen und nicht nur seinen Namen im Regierungssumpf sauber halten muss. Außerdem ist er eine andere Erscheinung, hat ein anderes Auftreten und hat eine andere Wirkung auf den Bürger, zum Unterschied von den politischen Spitzenerscheinungen grobianischer Art, die man bei den Politikern aus Bukarest jeden Abend in den verschiedenen Fernsehsendungen sieht. Wird er dies in einem politischen Milieu beibehalten können, in dem in den letzten Jahren der Rechtsstaat permanent unter Belagerung steht? In einem politischen Milieu, in dem in den letzten Jahren, in fast allen Bereichen, Entscheidungen und Maßnahmen getroffen wurden, die die Interessen der Bevölkerung nicht berücksichtigten  (im Bildungswesen, in der Forschung, in der Wirtschaft, beim Bau der Autobahnen – nach Alexandria, anstatt Pite{ti mit Hermannstadt zu verbinden - im Sozialen, im Justizwesen)? In dem die schmierigen Neureichengruppen das Gesetz machen und die Justiz, die endlich sich vom Einfluss der Politik losgelöst hat – obwohl sie, nicht ganz zu unrecht, als präsidentengefügig gilt - unter permanenten Druck setzen und, was noch schlimmer ist, die außenpolitische Orientierung Rumäniens in Frage stellen und einem russisch-ukrainisch-weißrussischen Modell entgegensteuern, in dem den Oligarchen alles erlaubt wird, so lange sie die politische Richtung nach Osten halten? Hier wird der große Haken für jeden sein, der sich dieser Aufgabe annimmt. Man kann Klaus Werner Johannis nur viel Erfolg wünschen, denn, wie gesagt, er muss nicht nur seinen Namen reinhalten.

Gute Hoffnung kann seine Antwort wecken auf die Frage der Journalisten, was Dan Voiculescu bei der USL-Sitzung vom 10. 02. 14 gesucht hat: „keine Ahnung“ („habar n-am“). Eine ausgezeichnete Antwort, die vielleicht auch ein Zeichen dafür ist, daß Johannis die Liberalen und somit auch die Regierung in eine vernünftige Richtung führen will und Worte wie „Ehre“, „ehrlich“, „Ehrhaftigkeit“ wieder ins Aktuelle bringt, denn sie fehlen vollinhaltlich aus dem politischen Wortschatz der Zeit. Die Bürger, und besonders die jungen Menschen aus Rumänien – viele von ihnen haben im Ausland studiert, haben eine hervorragende Ausbildung und wünschen, ihren Job hier ausüben zu können, zum Mindesten ohne von der Politik gestört zu werden, wenn schon nicht gefördert – schätzen die Nähe der alten Securitate-Kreise – die sich auch noch als moralische Instanzen der rumänischen Gesellschaft in den Medien gebärden – oder deren Nachfolger nicht. Außerdem ist es auch an der Zeit, dass diese Kreise endlich abtreten, was sehr schwierig sein wird, denn ihre Kinder und Kindeskinder wurden unterdessen geschult und regieren, so dass Familien- und Interessenclans die Politik im Bukarest bestimmen. Dazu kommt auch die Frage der Distanzierung von Korruption und Korrupten, womit der Chef der Liberalen große Schwierigkeiten haben wird, denn die Namen Fenechiu, Becali und Chiuariu wiegen schwer.

Man kann nur hoffen, dass Johannis, ohne eigentliche Hausmacht in seiner Partei, dies schafft. Wird Johannis das können? Oder soll er bloß die Gelegenheit sein für die Liberalen, sich von der USL definitiv loszulösen?