Schluss mit den Adoptionstabus

Verein setzt sich für eine entgegenkommendere Gesetzgebung ein

Das erste Zentrum für Ressourcen im Bereich der Adoption wurde vor Kurzem in Temeswar eingeweiht. Laura Jacan (links) und Simona Czurdar beraten Familien zum Thema „Adoption“.

Eine vollständige Familie: Vater, Mutter und Kind. Der Weg zu diesem Traum bleibt vielen Paaren in Rumänien manchmal unbegehbar. Ungezählte Versuche, auf natürlichem Weg ein Kind zu bekommen, künstliche Befruchtungen und letztendlich Adoption – das sind die Lösungen. Ein Kind zu adoptieren bedeutet für viele kinderlose Paare die Erfüllung eines großen Traumes. Das Adoptionsverfahren ist jedoch ein langwieriger Prozess in Rumänien und kostet die an einer Adoption interessierten Bewerber viel Zeit und Geduld. All das soll sich demnächst ändern. Ein neuer Gesetzentwurf für ein viel einfacheres Adoptionsverfahren soll Kinder in eine passende Familie bringen und das Thema „Adoption“ aus der Tabu-Ecke holen. Für all das setzt sich der Temeswarer Verein „Ador Copiii“ (= etwa: „Ich vergöttere Kinder!“) ein.

 

Der Verein ist eigentlich eine Gemeinschaft von Adoptivfamilien in Rumänien, die vor knapp zehn Jahren in der westrumänischen Stadt gegründet wurde. Die Rolle des Vereins war es vor allem, diese Familien zu vernetzen. Heute will „Ador Copiii“ auch zur Entwicklung eines Schutzsystems für von ihren Eltern verlassene Kinder beitragen und Dienstleistungen in diesem Bereich entwickeln.

Ein wichtiger Fortschritt in dieser Hinsicht war die Gründung des ersten Ressourcenzentrums für Adoptionen in Rumänien. Das Zentrum wurde vor Kurzem in Temeswar eingeweiht und soll das Thema Adoption landesweit behandeln. „Dies ist als Notwendigkeit unseres Alltags entstanden“, sagt Simona Czurdar, Gründerin des „Ador Copiii“-Vereins. „Dieses Zentrum für Ressourcen soll, genau wie der Name schon sagt, Ressourcen für Adoptivfamilien, aber auch für Familien, die diesen wichtigen Schritt machen wollen, bereit stellen“, sagt Laura Jacan, Psychologin innerhalb des Vereins. „Wir können die Familien aus der Sicht eines adoptiertes Kindes beraten und sie für verschiedene Anliegen in der Erziehung eines Kindes vorbereiten. Wichtig ist, dass diese Leute einsehen, dass solche Kinder sich mit einer Reihe von Gefühlen konfrontieren und dass es für die meisten auch traumatische Erfahrungen sind, die sie machen mussten, bevor sie in den Familien geraten sind“, sagt die Psychologin. Und an einer Adoption interessierten Bewerber können sogar aus der Sicht von Adoptiveltern beraten werden, denn sowohl Laura Jacan, als auch Simona Czurdar haben Kinder adoptiert.

 

Adoptivfamilien sollen vernetzt werden

Der Wunsch, einen Verein zu gründen, der künftige Adoptiveltern und bereits existierenden helfen soll, entstand als sich die Temeswarerin Simona Czurdar, vor einigen Jahren ein kleines Mädchen zu adoptieren entschied. „Ich fühlte damals den Drang andere Leute, die Kinder adoptiert haben, zu treffen und uns darüber auseinandersetzen zu können“, sagt die Adoptivmutter.  „Ich stieß damals auf eine komplizierte Gesetzgebung und alles lief langsam und schwierig im Hinblick auf die Adoption“, sagt Simona Czurdar. „Viele Familien haben sich deswegen auch entmutigen lassen und die Idee unterwegs aufgegeben“, fügt die Frau hinzu.

Nun soll sich alles ändern, denn das neue Zentrum soll Familien vor der Adoption genau informieren und auch nach der Annahme eines Kindes ständig beraten und unterstützen. Das Zentrum wendet sich an Familien aus ganz Rumänien. Telefonische und Online-Beratungen werden Interessenten landesweit angeboten. Der Verein ist auch vom rumänischen Adoptionsdienst autorisiert, Beratungsdienstleistungen anzubieten und hat bereits in den zehn Jahren seines Bestehens Änderungen in der Gesetzgebung vorgeschlagen. Vor etwa zehn Jahren war der Adoptionsprozess von vielen Faktoren künstlich erschwert. Nun können Familien viel schneller beweisen, dass sie für eine Adoption geeignet sind, so dass das Kind in bis zu einem Jahr in die Familie kommen kann. „Das ist fast die selbe Zeit, wie bei einer Schwangerschaft“, sagt Simona Czurdar.

 

Gesetzentwurf zur Erleichterung des Adoptionsverfahrens

Der Verein arbeitet schon seit einem Jahr an einem Gesetzentwurf, der die Adoption in Rumänien erleichtern soll. Zusammen mit Vertretern und Fachleuten aus den Kinderschutzämtern landesweit wurden wichtige Vorschläge aufgestellt. Zurzeit verläuft sehr viel Zeit, bis ein Kind tatsächlich adoptiert werden darf. Die Zeit, in der die leibliche Familie des Kindes gesucht wird, soll von einem Jahr auf sechs Monate verringert werden, dann soll das Adoptionsverfahren beginnen. Auch die Gültigkeit der Genehmigung für künftige Adoptiveltern soll von einem Jahr auf zwei erhöht werden. Es wird für ein Kind eine passende Familie gesucht und nicht umgekehrt. Das neue Gesetz soll den Adoptiveltern das Recht zu Elternurlaub und –geld geben. „Eine Adoptivfamilie soll die selben Rechte wie eine ganz normale Familie mit Kindern haben. Es ist wichtig, dass die Eltern und das Kind diese Anpassungszeit miteinander haben“, sagt die Frau. „Denn meistens bedeutet die Annahme eines Kindes ein weiteres Verlassen für das adoptierte Kind. Die Eltern müssen schnell wieder zu ihrer Arbeitsstelle zurückkehren, so dass die Kinder in die Pflege von weiteren fremden Leuten geraten“, sagt Simona Czurdar. Die vorläufige Gesetzgebung in Rumänien sieht die Genehmigung eines längeren Elternurlaubs bloß im Falle eines Adoptivkindes vor, das bis zwei Jahre alt ist. Die Anzahl dieser Kinder ist aber klein, lässt die Adoptivmutter wissen. Durch ein neues Gesetzt sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmern, die adoptieren wollen, zusätzliche Freizeit zu geben, um sich für die Adoption vorzubereiten und an jeweiligen Treffen mit dem Kind teilzunehmen. Dafür sollen bis zu 40 Stunden/Jahr, ohne das Gehaltsrecht zu beeinflussen, bereit gestellt werden.

Heutzutage gibt es in ganz Rumänien rund 40.000 Kinder, die vom Staat betreut werden. Mehr als die Hälfte davon befindet sich in Kinderheimen, die knapp andere Hälfte wird in Sozialfamilien untergebracht und erzogen. Allein 7 Prozent all dieser Kinder sind für eine Adoption zugelassen. Potentielle Adoptiveltern sind bloß für die Hälfte dieser Kinder zertifiziert. Auch ein Projekt zur Prävention der  Kinderaussetzung in Familien mit einer prekären finanziellen Lage wird vom „Ador Copiii“-Verein ausgearbeitet. Ein weiteres Ziel des Vereins ist es, die Anzahl der Adoptiveltern zu steigern, „das heißt, dass auch die Anzahl von angenommenen Kindern demnächst steigen wird“, schließt Simona Czurdar.