Ausgerechnetzum Zeitpunkt als die Nachrichten von der möglichen Schließung der Winterresorts in ganz Europa, zumindest bis nach den Feiertagen, das Publikum erreicht haben, sitzt ein junger Mann auch noch im eisigen Frost auf einem Skilift fest. Das bedeutet Einsamkeit, Kälte, aber auch Zeit, viel Zeit, zum Nachdenken. Und weil Georg Karner Zeit hat, sinnt er nach.
Das DSTT bot Ende November seine jüngste Premiere an:„Skilift – Ruhe da oben! von Klaus Eckel– mutig mit Kartenverkauf auf der Plattform von Eventim, während andere Häuser im Archiv stöbern und dann die Produktionen gratis online zur Verfügung stellen oder auch live, aber mit leerem Saal spielen, um dann online zu übertragen. Das Konzept stammt von Niko Becker, dem jungen Schauspieler, der das Einpersonenstück interpretiert, eine Rolle die viel von ihm abverlangt, aber die er sehr gut gemeistert hat.
Als Georg Karner merkt, dass sich der Skilift nicht weiterbewegt, findet er es zunächst komisch und meint, ein Anruf bei der „Bild“-Zeitung würde zum Zusperren des Skigebietes führen. Es ist eine noch halbwegs heile Situation, aus der er sich, unten gleitet Dr. Meißner, sein Chef, den Berghang hinunter, kann ihn aber nicht hören, aber Georg hat noch gut reden und gut lachen:Den Anzug seines Chefs findet er absolut lächerlich.
Wenn sich der Skilift auch nicht bewegt, sein Insasse ist alles andere als ruhig: Georg Karners Gedanken und Gefühle fahren Montagne Russe: von mehreren gescheiterten Selbstrettungsaktionen mit Schreien und Telefonanrufen andere zu verständigen (Kollegen, Freunde, auch die Ehefrau Lisa), über den Versuch, in den Schnee zu springen, um dann festzustellen, dass es doch zu waghalsig wäre (das Handy liegt schon 15-20 Meter weiter unten im Schnee und Siri –ja, „Verdammt noch mal, Siri!“ – hilf auch nicht weiter), über Verzweiflung und Durchdrehen, ein komisches Gespräch mit einem Nachtvogel und schließlich das Nachsinnen über die Kleinlichkeit des Daseins, das Anzünden von Geldscheinen, um Signale zu senden, aber auch um gegen das Geldsystem zu rebellieren, womit einen die Gesellschaft in einem Teufelskreis festbindet, schließlich die Freude, den Sonnenaufgang zu sehen – er macht alles, auch wirklich alles innerhalb einer Nacht mit, beziehungsweise einer Stunde für das Publikum.
Diese Stundevergeht mit viel Humor und auch ein bisschen mit Nachdenken, denn was Georg Karner plötzlich sagt, ist gar nicht mehr so schräg und wohl vielen nicht unbekannt: Er hatte eigentlich von einem Job als Karikaturist geträumt, aber wie viele andere Menschen hat er seinen Traum aufgegeben, um etwas Bodenständigeres zu machen. Also arbeitet er bei einem Pharmaunternehmen, wo er „Logos für Abführmittel und Erektionsmittel“ entwirft. Und seine Ehe ist auch eher durchschnittlich und kaum mit großen Freuden verbunden. Den Urlaub auf dem Bauernhof nimmt er auch nur seiner Frau zuliebe in Kauf, denn Georg ist eigentlich gegen all diese Tiere allergisch. Er kommt ziemlich schnell zu dem Schluss, er rackeresich nur ab, um Leiter der Grafikabteilung zu werden; das könnte ihm nämlich zu „einem bisschen größeren Haus mit einem bisschen größeren Garten und einem bisschen größeren Auto“ verhelfen. Denn: „Ich mache es nicht für mich, ich mache es für die Familie. Pfui, ist der Satz peinlich! Das hat auch der Papa immer gesagt. Werde ich wie mein Vater?“
Und schließlich der Balsam Natur und die Erlösung für Georg Karner: „Die Sonne geht auf! Die ist ja wunderschön! Dass ich das erleben darf: ein neuer Tag! Nicht losfahren! Stopp. Hilfe!“