„Für eine Nacht habe ich mit 14 notgedrungen im botanischen Garten geschlafen. Ich habe bereits in frühen Jahren alle Extremsituationen erlebt“. Im Hand bemalten, luftigen Sommerkleid sitzt Diana Farca mir gegenüber, ihre Mimik verrät keinesfalls, was gerade in ihr vorgeht. In Reichweite ihr erster Roman, den sie vor wenigen Tagen veröffentlicht hat. Weit gereist ist bislang die Autorin. Nicht immer waren diese Reisen mit Spaß verbunden, denn bereits in jungen Jahren musste sie erfahren, was es bedeutet, wenn eine vertraute, heile Welt von heute auf morgen zerbricht. Reminiszenzen aus dieser Zeit sind keine geblieben, allein in ihrem Roman „Am Limit“ (Originaltitel: „La limită“) ist die bewegte seelische Welt von Menschen zu erkennen, die unter Umständen auch jene Welt der Temeswarerin sein könnte.
Dann fing sie ganz unten an...
Barfuß, das rechte Bein angewinkelt, sitzt Diana Farca auf der anderen Seite des Tisches. „Das Thema des Romans geht auf einen Traum zurück. Na, ja, nicht alles, sonst wäre es ja eine Begegnung der 3. Art“ (lacht leise). „Geschrieben habe ich bei meinem Vater, der vor Jahren nach Schweden gezogen ist.“ Sich entspannen wollte sie. Und schreiben. Erst zwischendurch reifte der Gedanke, ein Buch herauszubringen. Auch Malen wäre eine Alternative gewesen, lässt sie durchblicken. Wenn sie in ihrer Werbung betont, das sei „mein erster Roman“, dann fällt die Betonung auf „erster“, denn auch in Zukunft will sie weiter schreiben. Doch möglicherweise steht vorerst die Übersetzung des Debütromans an – die deutsche Version könnte bereits im kommenden Jahr erscheinen.
Mit Werbeflyer verteilen musste sie anfänglich über die Runden kommen, in Deutschland weilte sie einige Monate lang für die Firma eines Bekannten. Danach folgten Jobs als Werbeikone für Firmen, Eventmanagerin und Online-Redakteurin. Heute verdient die 26-Jährige ihr Geld als Versicherungsmaklerin. Alles in allem recht erfolgreiche Jobs. Denn – zwar ganz leise noch – fällt bei ihr auch schon mal das Wort „finanzielle Unabhängigkeit“. In ihrer Zeit in Schweden begann sie auch offiziell ihre karitative Tätigkeit in einer Kirche. Kleider für Nepal und Ägypten wurden hier gesammelt. Auch heute macht sie über Freunde an solchen Projekten mit. „Gut, meine spendable Ader hatte ich schon immer“. Der Gesichtsausdruck bleibt über weite Strecken der gleiche: Mit einem Lächeln verbunden. „Als Grundschülerin verlangte ich zu Hause schon mal 15 Sandwiches, um diese mit in die Schule zu nehmen“. Sie legt eine Sprechpause ein. Forschend blickt sie mich an, als wollte sie aus meinem Gesicht die Überraschung herauslesen. „Ich wollte all den Kollegen welche abgeben, von denen ich vermutete, dass sie solche notwendig haben. Vielleicht war es auch der Versuch, mich dem ein oder anderen zu nähern“. „In einer Welt, in der alles vernetzt ist und in der nichts dem Zufall überlassen ist, gibt es ein einziges generell gültiges Gesetz, das Gesetz der Liebe“. (Zitat, „Am Limit“)
Im Norden: „Kalt sind nur die Außentemperaturen“
Eine Zehner-Schülerin sollte das nötig haben? „Vielleicht sollte es eine Bestätigung sein, dass ich dazu gehöre“, sagt Diana, die ihre damalige Zeit als „wohlbehütet, wie in einer Glaskugel“ empfindet. Boshaftigkeit ist dabei keine in der Stimme. Als sie fortsetzt, leuchten ihre Augen auf: „Von meinem Vater bekam ich die Erziehung. Er ist mein Modell im Leben“. Doch bald kamen Sorgen über sie – familiäre und finanzielle. Zeitweilig blieb sie allein zurück. „Das Leben ist von Schwarzem Humor übersät, mit Pointen, die nicht einmal der zynischste Mensch der Welt zu verstehen vermag. Himmel, Hölle, Winter, Sommer, Kälte, Wärme usw. Wen kümmert das? Manche leben in ihrer eigenen, ganz persönlichen Hölle. Hier, auf Erden“, schreibt Diana Farca im Roman.
Dann ist sie gedanklich erneut weit entfernt, in den Jahren als Spitzenschülerin („bis zur 8. Klasse hatte ich ausschließlich Höchstnoten und auch danach fielen meine Zensuren kaum schlechter aus“) „Mit Poesie und Kurzprosa habe ich in der Schule begonnen“. In Schreibpose sitzt Diana locker auf der Couch. Fotoshooting ist angesagt. So und so ähnlich dürfte sie im schwedischen Göteborg ihr Werk kreiert haben. Heute weiß sie: „Schreiben ist eine gute Gelegenheit, sich bekannt zu machen“. Oftmals angeprangerte Gefühlskälte der West- und/ oder Nordeuropäer, die kennt sie nicht: „Kalt sind in Schweden nur die Temperaturen. Die Schweden selbst sind nicht gefühlskalt. Sie sind respektvoll. Fast schon eine einstudierte Höflichkeit legen sie an den Tag“. Irgendwie spielte sie auch mit dem Gedanken, ihre Memoiren zu schreiben: „Aber was sollte eine 25-26-Jährige schon in ihre Memoiren schreiben können“, das klingt nicht einmal rhetorisch, sondern eher abwertend, mit Pfeil an all jene, die frühzeitig sogenannte Memoiren verfassen. „Ich hatte die Absicht, mich zu sammeln und meine Ideen zu ordnen“, sagt sie zum Grundgedanken des Schreibens. „In Augenblicken wie diesem, wenn all seine rationalen Argumente erschöpft sind, gedeiht im Inneren des Menschen der Wunsch, ein Zeichen zu erhalten, irgend ein Zeichen, das ihn leiten soll, auf dem Weg zur bestmöglichen Wahl“. (Romanzitat)
Erstlingsroman soll kein Sonderling bleiben
Eine leichte Bewegung durch das offene Haar und dann gibt sie unserem Gespräch eine kurze Pause, denn BZ-Fotoreporter Zoltán Pázmány hat das Objektiv an der Kamera getauscht und eine neue Idee. Mit dem Rücken zum Innenraum setzt sie ihre Gedankengänge fort. „Auch malen kam für mich als Kreation in Frage“, und dann wurde es ein Roman, der bereits gute Online-Nachfrage hat – bei einem Debüt-Werk und in einer Gesellschaft mit äußerst schlecht gehendem Büchermarkt eher selten. „Den Buchdeckel habe ich mit einer Freundin entworfen, also nicht etwa von irgendwo abgekupfert“.
„Für eine Debütantin hatte ich eine gute Presse“, resümiert die Autorin. Die Schriftsteller Viorel Marineasa und Tudor Cre]u sowie der Pianist Teo Milea waren die Hauptakteure der Buchpräsentation. „In meiner Aufregung habe ich mich beim anwesenden Publikum unüblich oft bedankt“, erinnert sich Diana Farca – wie eine Autodidaktin in Sachen Sprecherziehung. „Das waren meine Emotionen“, erzählt sie, im Nachhinein, über einen ihrer Erfolgsabende. „Auch wenn meine Stimme mich nicht verraten haben sollte, die Beine haben vor Aufregung ganz schön gezittert“. Diesen Meilenstein sieht sie als „eine Krönung, aber auch als einen Neuanfang“.
Fast acht Jahre waren vergangen, bis sich Diana Farca erneut zum Schreiben hinsetzte. Die turbulenten und unsicheren Jahre waren vorbei. „Menschen müssen sich immer wieder neu finden und erfinden. Das Buch hat zwar meine Persönlichkeit gestärkt, aber nicht auf mein Ego gewirkt“, Rechtswissenschaften und Finanzrecht hat sie inzwischen studiert, ihre Doktorarbeit würde sie – sollte es soweit kommen – in Literatur schreiben. Eine Übersiedlung nach Bukarest, um sich besser vermarkten zu können, kommt für die 26 Jahre alte Buchautorin nicht in Frage. „Wenn schon weg aus Temeswar, dann eher westwärts“. Den Idealfall sieht sie „in Westeuropa zu veröffentlichen und in Temeswar zu leben und Rumänien zu bereisen“. Doch erst einmal ist Management gefragt, denn nach dem ersten Verkaufsrummel könnte „La limit²“ übersetzt werden. Ins Deutsche.
„Am Limit“: Möglicherweise bald auf Deutsch
„Deutsch ist eine Sprache, die der Aussage Gewicht gibt; es ist eine Sprache, die Entschlossenheit verrät“, zeigt sie ihre Begeisterung für das Deutsche, eine Sprache, die sie ab der 2. Klasse erlernte. Begriffe wie „Entschlossenheit“ oder „Am Limit“ haben für Diana Farca im Laufe der Jahre diverse Formen und Nuancen erfahren. Denkwürdige Momente, wie jener mit 14 im botanischen Garten waren ebenfalls mit einem Limit verbunden. Und wie sie im Roman festhält, ist der Mensch weit davon entfernt zu verstehen, „was sich in unserem Gehirn abspielt. Wir stempeln ab und prangern mit Vorliebe alles an, was kennzeichnend ist oder versuchen es zu vereinheitlichen, auch wenn Normalität und Glück von Mensch zu Mensch verschieden sind.“
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