Es gibt sie wirklich. Die Heimat, von der die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in ihrem Debütprosaband schrieb. Sie liegt nur 25 Kilometer von Temeswar/Timi{oara entfernt. Jedoch ist von jener geschlossenen Dorfgesellschaft, die Müller damals ironisierte, nicht viel übrig geblieben . Was von der deutschen Gemeinde aus Nitzkydorf heute bleibt, sind Häuser. Häuser mit denen die Zeit ungnädig war.
Germanistikstudenten von der Universität Wien durften den Ort mit eigenen Augen sehen. Dort wo sich die Handlungen aus Herta Müllers „Niederungen“ abspielen. Dort wo in eines, in manchen oder in vielen der Häusern die ganze Familie an Samstag Abenden im gleichen Wasser badeten. Man kann heute schwer Einheimische fragen, was sie denn von Müllers Buch halten würden. Denn eins hat die Schriftstellerin mit ihren Landsmännern und –frauen gemein: Sie alle wollten weg aus Rumänien und zwar je eher desto besser. Heute würden nur noch zwei Deutsche in der Gemeinde leben. Doch selbst wenn man sie fragen würde, was sie von „Niederungen“ halten, würden sie vermutlich nur das wiedergeben, was alle damals meinten, obwohl die meisten das Buch nicht wirklich gelesen hatten. Sie zeigten sich beleidigt, grenzten die junge Schriftstellerin aus, indem sie sie eine Nestbeschmutzerin nannten.
Doch was einst ein ganzes Dorf verärgerte, fasziniert heute eine ganze Welt. Darum wandelten auch Studenten auf den Spuren Müllers und versuchten sich selber literarisch zu betätigen und Kurztexte zu schreiben, angelehnt an die Geschichten Müllers aus „Niederrungen“. Angestiftet von ihrem Dozenten Sorin Gâdeanu, der in Wien den Literaturkreis „halb neun“ gegründet hat, versuchten die Studenten entweder Müllers Themen oder ihren Stil aufzugreifen, ohne aber bloß zu kopieren, sondern den von der Nobelpreisträgerin begangenen Schaffensweg fortzusetzen. In Zusammenarbeit mit der Österreich-Bibliothek Temeswar sowie dem Demokratischen Forum der Banater Deutschen veranstaltete Gâdeanu am Wochenende eine Bildungsreise nach Rumänien. Am Samstag Vormittag lasen seine Studenten zusammen mit Mitgliedern des Literaturkreises Stafette. Nachmittags wurde Müllers Geburtsort besucht und am Sonntag fand eine Ausfahrt nach Lippa/Lipova statt.
Es wurden auch zwei Ausstellungen eröffnet: Der Architekturstudent Alex Fabricio de Sá Mendes stellte seine Grafiken aus. Der Brasilianer würde gerne Modedesigner werden, was er durch seine Skizzen zum Ausdruck brachte. Georgiana Voicu und Lauren]iu Ghi]², Studenten an der Spiru-Haret-Universität Bukarest, brachten eine Fotoausstellung mit.
Bei der gemeinsamen Lesung an der West-Universität hieß auch die Leiterin der Österreich-Bibliothek Dr. Roxana Nubert, die Gäste aus Österreich willkommen. Sie war Mitstudentin Herta Müllers. Drei Stunden dauerte die gemeinsame Lesung. Seitens der Stafette nahmen unter anderem Bejamin Burghardt, Petra Curescu, Laura Purtätor, Arthur Funk und Henrike Br²diceanu-Persem teil.