Schimpf und Spott
Der Großschamer schneid wiedr nix!
So schön konnten die Nitzkydorfer Schwaben übertreiben, wenn es sie packte. Dabei gehören die Großschamer gar nicht zu ihren Nachbarn. Die Redensart hatte ihren Ursprung in einem Schwank. Es wird erzählt, dass im große Wertshaus in Scham jeden Tag die älteren Männer im Eckzimmer zusammentrafen. An einemTisch haben sie Karten gespielt, am anderen haben sie erzählt und Witze gemacht. Da waren manche, die ganz gut lügen konnten. Freilich ist man am Ende doch immer auf die Lügnerei draufgekommen: “Die was net gloo han, han beschloss, dass se a große Ulakr, so a Meter lang, an a dinneri Kett ufhänge were, un am End vun der Schneid a klaani Glock feschtmache. Wann aaner no gloo hat, han se am Ulakr gezoo, bis der aarich lang gleit hat.“
Also, wenn einer beim Lügen erwischt wurde, haben die Männer am “Ulakr“ gezogen!
Bei einer Kerwei in Großscham sind von Moritzfeld viele Gäste auf die Kerwei gekommen. Wie die den mächtigen “Ulakr“ im großen Wirtshaus gesehen haben, da wars geschehen: Sie haben nun über die Großschamer „Großschamer Ulakr“ gesagt.
Die Leute aus Großscham werden von den Nitzkydorfern auch „Hulakr“ gefoppt. In den meisten Banater Ortschaften ist die Bezeichnung Ulakr für ein billiges Taschenmesser geläufig, das früher auf Jahrmärkten gehandelt wurde. Die Klinge war aus minderwertigem Stahl, das hölzerne Heft farbig. Dem Taschenmesser fehlte die Feder. Beim Schneiden musste die Klinge mit den Fingern festgehalten werden. In vielen Ortschaften wird ein solches Taschenmesser –meist war es im Besitz der Schulbuben –abwertend „Krotteschlachter“ genannt. Die Bezeichnung kann auf ein österreichisches Vorbild zurückgehen. Ein schlechtes Messer, das höchstens zum “Krötentöten“ geeignet ist, wird in der Wiener Mundart „Krottenfeitl“ genannt.
Möglicherweise wurde das allerorts bekannte Taschenmesser ursprünglich in einem nordungarischen Dorf Ujlak durch Hausindustrie hergestellt. Andererseits bedeuten Zusammensetzungen mit oluk, oluklu türkisch Nutenfräser, Hohlstichel, Hohlmeisel, Spindelbohrer u.a.m. Es ist auch bekannt, dass türkische Händler im 18.Jahrhundert auf Banater Jahrmärkten ihre Waren, darunter auch Messer, feilboten. Die Herkunft der Bezeichnung „ulakr“ bleibt noch ungeklärt.
Im banatschwäbischen Sprichwort wird dem roh gearbeiteten Taschenmesser ein Federmesser mit zuschnappender Klinge gegenübergestellt. In Bakowa heißt es:
Wer zum Hulakr gebor is, kummt sei Lebtach zu kam Schnappmesser.
Dafür gebraucht man in Lowrin:
Wer zu em Ulakr gebor is, kummt im Lewe zu kem Schnappmesser.
Ähnlich in Perjamosch. In diesem Satz steckt Sozialkritik und Fatalismus: Der Mensch kann seinem Schicksal nicht entgehen! Klassenschranken sind nicht zu überwinden!
In den deutschen Sprichwortsammlungen sind genügend Beispiele verzeichnet, die Vorbild für das im Banat umgestaltete sein könnten z.B.
Wer zum Esel geboren ist, wird seiner Tage kein Pferd.
Dieser Name des Taschenmessers kommt übrigens auch in einem ausdrucksfähigen Vergleich vor:
Jemand schnappt zamm wie e Ulakr.
Es gibt viele schnoddrige Antworten, mit denen auf derbe Art unangenehme Fragen abgetan werden. So kann man auf die Frage: Was is do zu mache? in Lunga die Antwort Mr mache wie die Kumloscher, s reene losse! erhalten. Die Antwort enthält eine sarkastische Begründung: Er machts wie die Herren von Metz, die lassens geschen, wenns regnet!
(Aus einer Studie von N. Horn, Schwäbisches Volksgut, Facla Verlag 1984)