Art.3, Abs. 4 der Verfassung Rumäniens dekretiert, dass „auf das Territorium des rumänischen Staates keinerlei fremde Völker umgesiedelt oder kolonisiert werden können.“ Was im Brummschädel dessen gesteckt haben mag, der diesen Satz in strammem Nationalismus und Fremdenhass da hineinprojiziert hat, kann schwerlich nachgefragt werden. Der „Vater der Verfassung“, Antonie Iorgovan, ist längst tot.
Eine Novellierung der Verfassung, nötig im Lichte der EU-Mitgliedschaft und der daraus folgenden Verpflichtungen, ist ein schönes Gesprächsthema. An eine Verwirklichung ihrer Aktualisierung zu schreiten denkt niemand. Doch zurück auf den im Zuge der Flüchtlings- und Emigrantenströme wiederentdeckten Verfassungsabsatz: der rumänische Staat hat ab dem 20. Jahrhundert selber massiv diese Verfassungsvorgabe mit Füßen getreten, bei der Kolonisierung der nie rumänisch gewesenen Dobrudscha, bei der Ermutigung der Umsiedlungen nach Siebenbürgen, ins Banat oder ins Partium, bei der Nachbesiedlung ehemals von Deutschen bewohnter Gebiete, die nach 1990 „frei“ wurden oder nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, bei der oftmals mit Verstaatlichungen einhergehenden Sesshaftmachung bessarabischer Umsiedler und Flüchtlinge.
Betrachten wir aber die im heutigen Rumänien bereits existierenden sechs Flüchtlingsaufnahmezentren für die ersten 1800 Flüchtlinge genauer: sind die nicht irgendwie auch ein Bruch dieser läppischen Verfassungsverfügung? Und wie steht´s mit den Zeltstädten an der serbischen Grenze, die dieser Tage errichtet werden? Sind die verfassungsmäßig? Kurz und gut: die Verfassung mit diesem Artikel zu zitieren als Argument gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ist reiner Blödsinn. Wie auch die Großmauligkeit eines „Jiji“ Becali, der sich angeboten hat, 1000 Flüchtlinge auf eigene Kosten in Unterkunft und Verpflegung zu nehmen.
Wünschenswert wäre aber, wenn Präsident Iohannis eine klare und stabile Position zur Frage der Aufnahme von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen einnehmen würde und wenn man sich auf allgemein gültige Kriterien einigte – nach vorheriger Grundsatzdiskussion – nach denen klar festgestellt werden kann, wer nun den Status eines Kriegsflüchtlings zuerkannt und implizite Asyl gewährt bekommt, um als solcher nach den Prinzipien der internationalen Abkommen betreffs Kriegsflüchtlinge behandelt zu werden und wer als Wirtschaftsflüchtling, als „Wanderer in den Goldenen Westen“, in Europa unerwünscht ist. Europas Unterwanderung mit Terroristen schließen wir mal aus. Wofür bezahlen wir so viele Geheimdienste?
Mit einer Umsiedlung ganzer Völker nach Europa haben wir es (noch) nicht zu tun. Auch (noch?) mit keiner Kolonisierung. Und (noch) mit keiner Gefahr der „Überfremdung Europas“, so gering die Geburtenrate in Kerneuropa ist.
Fakt bleibt, dass Lösungen zu dieser komplizierten Frage sowohl in Europa als auch in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu suchen sind. Schleunigst.
Aber auf eine Grundsatzrede unseres Staatspräsidenten an die Nation warte ich immer noch.