Wir haben einen selbstbewussten Außenminister. Titus Corlăţean hat allerlei Persönliches ungerührt weggesteckt, hat politisch Oberwasser behalten und gibt sich als stolz-eingebildeter Vertreter seines Landes, den nichts aus der Fassung bringen kann: „Wir können weiterhin ganz gut auch ohne Schengen leben!“ Die Rumänen haben dafür das sehr ausdrucksstarke „fudul“, mit Betonung auf dem „u“ der letzten Silbe.
Dass er in seinen Stellungnahmen zur Zurückhaltung/abweisenden Haltung des deutschen Innenministers angesichts einer Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum auch noch eine polemische innen-außenpolitische Note einbaute – das mit der politischen Familie, der CDU/CSU und die rumänische Ex-Regierungspartei PDL angehören – das darf als diplomatische Ungeschicklichkeit und (G)Eiferei gesehen werden. Keine Worte ohne Tritte, und sei`s nach der am Boden sich windenden Feindpartei.
Als Präsident B²sescu, für ihn ungewöhnlich ausgeglichen, eingriff und als Regierungschef Ponta einmal mehr einen Austarierungsversuch startete (was ihm immer wieder Punkte einbringt), kam auch der stolze Titus auf seine Deklaration zurück: Die Schengen-Aufnahme interessiere Rumäniens natürlich, doch, nur dürfe dabei nichts unter Würde ablaufen, wir sollten „dafür mit Würde kämpfen“.
Auch die Erklärungen der westlichen Gegner des Schengen-Beitritts Rumäniens sind durch ihre Kürze unwürzig und für jeden Kenner Rumäniens oberflächlich. Es handelt sich um konfrontationsmarkierte Auffassungen über Korruption, wenn West- oder Osteuropäer das Wort vollmundig nutzen, genauso wie Armutsflüchtlinge anders aus der West- als aus der Ostperspektive aussehen, wie Identitäten anders definiert werden und wie das Bild des Anderen aussieht.
Wie soll man einem dürftig bis mittelmäßig gebildeten Bürger Rumäniens beibringen, dass seine Alltagsgeste vor Verkörperungen der Autorität, denen er „ihr Recht“ zukommen lässt (lies: „eine kleine Aufmerksamkeit“, also ein Schmiergeld oder –objekt), wenn er was will, eigentlich Korruption ist? Wenn er gleichzeitig in den Zeitungen liest, wie vorbildlich der prominenteste Korruptionshäftling Rumäniens ist, Ex-Premier Adrian Năstase, der im Gefängnis über Facebook sozialisiert und ein wissenschaftliches Buch geschrieben hat, wofür ihm Haftverkürzung zustehen soll, während der im Gefängnis gelandete Hühnerdieb in hoffnungslos überfüllten Schlafsälen die Ausdünstungen und Drangsalierungen der Mithäftlinge kommentarlos schluckt?
Dass innenpolitisch wieder der EU-Hass geschürt wird und alte Komplexe Rumäniens gegenüber „Resteuropa“ („antirumänisches Komplott“) hochgehalten werden, darf ebenso wenig wundern wie die Zerrissenheit der politischen Akteursgruppen und die intellektuelle Begrenztheit der Stellungnehmer. Da gleichzeitig die westeuropäischen Ressentimentparteien des Politclowns Grillo oder des Frank Stronach Zulauf haben, bleibt, genauso wie beim EU-Beitritt Rumäniens, nur die Vernunftehe: Dieses Land wird Schengen-Mitglied, wenn es die politische Konjunktur fordert.