Von der Feldbegehung zum Museum

Dr. Volker Wollmann sprach zur Eröffnung der Dauerausstellung des Museums des Banater Montangebiets

Dr. Volker Wollmann bei seiner Inauguralrede im Museum des Banater Montangebiets

Die am Aufbau der Dauerausstellung beteiligten Museografen und ihr Direktor Dr. Dumitru Ţeicu (5.v.l., Mitte) sowie Ehrengäste der Eröffnungsveranstaltung: Dr. Rudolf Gräf (6.v.l.), Claudiu Ilaş, der Direktor des Banater Museums (7.v.l.), Dr. Wollmann und Dr. Romulus Ioan, der Direktor des Stahlwerks TMK Reschitza.

Vor dem seine Inauguralrede haltenden Dr. Wollmann, ein Unikat der Ausstellung: ein im Christina-Schacht in Dognatschka entdeckter hölzerner Schubkarren für den Erztransport von der Abbaustelle bis zu den Hunten, 18. Jahrhundert.

Am 4. Juli 2016 wurde im Museum des Banater Montangebiets in Reschitza die Dauerausstellung zum Thema „Bergbau und Metallurgie in Südwestrumänien“ eröffnet. Zur Vernissage lud Museumsleiter Dr. Dumitru Ţeicu den ersten Direktor eines Reschitzaer Museums, den bekannten Industriearchäologen und –forscher Dr. Volker Wollmann ein, der seine Berufskarriere in Reschitza als Geschichtelehrer an einer Allgemeinbildenden Schule begonnen hat.

 

Dr. Volker Wollmann begann seine Rede, indem er als Zeitzeuge und seinerzeitiger Mit-Initiator die Umstände der Gründung des ersten Museums in Reschitza in Erinnerung rief. Wir geben im folgenden den vollen Wortlaut seiner Rede wider, zwecks besserer Lesbarkeit haben wir redaktionell Zwischentitel gesetzt.

 

„Mit Sicherheit leben in dieser ehemaligen Industriemetropole am Ufer des Bersau-Flusses noch Menschen – oder vielleicht weilen sie am heutigen Tag auch in unserer Mitte – die 1962 Zeugen der Verwirklichung eines schon früher gehegten Wunsches wurden, den mit Verbissenheit und Enthusiasmus sowohl die Leitung des damaligen Metallurgischen Kombinats Reschitza, als auch viele begeisterungsfähige Bürger der Stadt verfolgt hatten, die in vielen Hinsichten jenem Reschitza verbunden waren, das jetzt sein 245. Gründungsjubiläum feiert.

 

Am Anfang war eine Ausstellung

Die Initiative zur Gründung eines lokalen Museums mit betont industriegeschichtlichem Profil ging von einer Kerngruppe aus, die 1957 zusammenfand und 29 Personen umfasste. Sie waren vor allem Sammler. Sie wurden maßgeblich vom Direktor des Regionalmuseums Banat in Temeswar unterstützt, Marius Moga. Ihnen gelang es, eine erste Ausstellung zu eröffnen, im Gewerkschaftskulturhaus, die sich großen Interesses erfreute: 21.778 Besucher schauten vorbei.

Die Exponate jener Ausstellung kamen nahezu ausschließlich von hochprofessionell vorgehenden Reschitzaer Privatsammlern, u.a. vom Numismatiker A. Seidl, dem Dokumentensammler A. Orthmayer, dem Mineraliensammler A. Ringeisen. Die 29-köpfige Initiativgruppe entschied, dass die Exponate der Ausstellung zusammen bleiben sollen. Sie wurden im Gebäude des Volksrats, 6-Martie-Str. 27, deponiert. Die Idee war, dass dort einmal das Ortsmuseum eingerichtet wird.

Sie musste aufgegeben werden. Der Volksrat unternahm aber Bemühungen, das Krakovszky´sche Haus auf der 7-Noiembrie-Str. Nr. 50 für das Museum freizukriegen, ausgenommen das straßenseitige Parterre, mit seinem Handelsraum, wo früher das Fotoatelier „Schweg“ untergebracht war. Heute funktioniert dort die Kreisbibliothek „Paul Iorgovici“.

 

„Museum der II. Kategorie“

Zwei Jahre später, 1959, kam die Genehmigung zur Gründung eines Stadtmuseums von Reschitza, das 1962 offiziell vom Ministerium für Unterricht und Kultur anerkannt und als „Museum der Kategorie II“ sein Attest erhält. Ehrenhalter leitete der Geschichtelehrer Octavian Răuţ 1962-64 das Stadtmuseum Reschitza, wobei ihm vor allem die Schüler der Abendschule eifrig zur Hand gingen. Er bewerkstelligte den Umzug der Exponate aus der 6-Martie-Straße, er schaffte es, das neue Museum notdürftig infrastrukturell auszustatten. Die Funde archäologischer Grabungen des ersten „inoffiziellen Direktors“ in Greoni, Şoşdea, Ramna und Berzovia konnten mangels Ausstattung nicht gezeigt werden. Damals wurde der bekannte Archäologe Dr. Gh. Lazarovici eine wertvolle Stütze.

Als aber ein bezahlter Direktorposten ausgeschrieben wurde, zog es der Geschichtelehrer Răuţ vor, Lehrer zu bleiben und intervenierte beim Komitee für Kultur und Kunst, dass ich, Volker Wollmann, aus dem Schulwesen auf diesen Posten transferiert werde. Das war im Juni 1965.

 

Paläometallografie und Fotoplatten

Zwei Jahre hatte ich diese Funktion inne. Organisatorisch-administrative Erfahrung hatte ich keine. Ursprünglich konzentrierte ich mich auf die Zusammenstellung der Inventur des archäologischen Fundguts. Es ist mir eine besondere Freude, direkte und selbstlose Unterstützer zu nennen, die ich damals kennenlernte. Vom Rat der Museen war es Prof. Radu Florescu und Prof. Iuliu Paul. Bekannte Archäologen kamen zu Hilfe, was nicht ganz ein Zufall war. Es war mir gelungen, in den Werken metallografische Analysen durchzuführen von Eisengegenständen und Schlacken aus dem römischen Castrum Berzobis, wo Prof. D. Protase aus Klausenburg 1965-66 gegraben hatte. Der Museumsrat schlug vor, dass das Stadtmuseum Reschitza weiterhin diese Grabungen koordinieren und laufend metallografische Untersuchungen organisieren soll, auch an Gegenständen, die von anderen Museen Rumäniens kamen. Die Leitung des Hüttenwerks CSR war einverstanden und ihr Chemielabor unter Dipl.-Ing. G.Bolboşescu wurde unser Partner.

Für die Übersichten der ersten paläometallografischen Analysen bekamen wir auch besondere Möbel – die allerdings letztendlich für die Lagerung eines anderen Schatzes genutzt wurde: die Fotos auf Glasplatten, die dank der Wachsamkeit eines Angestellten des Maschinenbauwerks, Iuliu Arcan, gerettet werden konnten, weil ihre willkürliche Zerstörung durch Wegschmeißen bevorstand. Diese Fotos auf Glasplatten, großteils zu Zeiten der Werke und Domänen Reschitza (UDR) entstanden, stellen heute das wertvollste Dokumentationsmaterial zur Industriegeschichte Rumäniens dar: Banater Bergbau, Metallurgie, Maschinenbau, hydroenergetische Anlagen und Systeme, Forstwirtschaft usw. aus der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ohne die Reproduktionen nach diesen Fotoplatten hätte die heute eröffnete Dauerausstellung des Museums des Banater Montangebiets nur einen Bruchteil ihres Reizes.

 

Erfolgreiche montane Feldbegehungen

Bei der Übernahme dieses Schatzes hatten wir einen günstigen Augenblick erwischt: die Stadtleitung drängte auf die Eröffnung einer Dauerausstellung zur ihrer Industrietradition, wofür wir bereits einige relevante Exponate, sogar Unikate hatten – ich denke da an die aus Gusseisen gegossenen Erinnerungsplaquetten an den 3. Juli 1871, als das 100. Gründungsjahr gefeiert wurde, oder an die Erinnerungsplaquette von 1721, als der erste Hochofen in Bokschan angeblasen wurde. Zudem hatten wir die Suche nach geeigneten dreidimensionalen Objekten in Eisenstein, Dognatschka, Anina, Doman und weiteren Zentren intensiviert. Eine Menge Grubenlampen und Teile von Belüftungs- und Entwässerungsanlagen konnten angekauft werden.

Reizvolle Arbeit leistete die Modeltischlerei Reschitza-Mociur, die uns die Modelle aller möglichen Typen von Hochöfen, bis zu jenen, die Koks verwendeten, anfertigte. Bei unseren „montanen Feldbegehungen“ entdeckten wir im Christina-Schacht von Dognatschka eine der ältesten und komplexesten Grubenentwässerungsanlagen und im Ferdinand-Schacht die Spuren eines der ältesten und größten unterirdischen Pferdegöpel, der mit zwei Pferdepaaren betrieben wurde. Einer unserer begeisterten und kompetenten Begleiter und Führer war in jener Zeit der Bokschaner Carol Brindza, ein verkannter Hobbyhistoriker.

 

Verpasste Chance oder verfrühter Plan?

Wir fassten den Plan, alle die Bergbauunikate, die wir noch halbwegs intakt, aber restaurierungswürdig (und –bedürftig) vorfanden, zur Grube Doman zu transferieren, die gerade in jenen Jahren wieder einmal aufgegeben wurde. Die Gründung eines „lebendigen“ Bergbaumuseums in einer aufgelassenen Grube hatte die enthusiastische Unterstützung der Stadtführung von Reschitza erfahren und bereits damals kam die Idee einer touristischen Trasse Bergbau-Metallurgie-Metallverarveitung  - sprich: des Industrietourismus – auf. Der 2256 Meter lange „Erbstollen“ (auch: „Franz Joseph“-Stollen) zwischen Reschitza und Doman sollte zu einer Basis dazu ausgebaut werden. Versandet ist alles, weil gewisse Leute, die damals in Führungsposition gelangt waren, einfach nicht kapierten, welche Chance sich dem Gebiet da eröffnete. Investitionen zur Umgestaltung alten Bergbauerbes in eine Schaugrube, in ein integriertes Industriemuseum, das war zu viel für deren proletarischen Intellekt.

Das Stadtmuseum war inzwischen Rayonsmuseum geworden. Danach kam, mit der administrativen Neuorganisierung Rumäniens unter Ceau{escu, die nächste günstige Konstellation, mit der Umwandlung des Rayonsmuseums in ein Kreismuseum für Geschichte. Aber so etwas wie Industriegeschichte und Industrieerbe retten lag leider nicht im Prioritätenplan der damaligen Museumsleitung.

Umso mehr freut es mich, der ich mich zu den Pionieren der Industriearchäologie und des Kampfes um den Erhalt des Industrieerbes zähle, die Möglichkeit, heute an der Eröffnung eines Industriemuseums in diesem imposanten Bau des Museums des Banater Montangebiets (der nach einem Entwurf des Architekten [erban Antonescu entstand) teilzunehmen. Die rund 900 ausgestellten Objekte und Dokumente decken fast dreihundert Jahre Industriegeschichte Südosteuropas und Südwestrumäniens ab. Mein aus ganzem Herzen kommender Glückwunsch an alle, die diese Leistung vollbracht haben!“