Im Kloster Moldovita lebt Schwester Tatiana, eine Klosterführerin, ehemalige Lehrerin, der vom Erstberuf ein paar Ticks übriggeblieben sind („Haben Sie verstanden!?“, „Wiederholen Sie Bitte!“). Sie spricht nicht nur ein stark, aber angenehm pittoresk angehauchtes Deutsch, sondern gibt auch Antworten auf Fragen, die nachdenklich stimmen. Einem Oberlehrer, der nach dem Leben im Nonnenkloster fragte, schaute sie zuerst ironisch in die Augen, fragte dann zurück, ob er denn den Wehrdienst abgeleistet habe. Er bejahte stolz, worauf Schwester Tatiana entgegnete: „Das war bestimmt nichts gegen das Klosterleben!“
Von außen betrachtet neigt man dazu, Schwester Tatiana aufs Wort zu glauben, da (auch) die rumänisch-orthodoxe Kirche eine streng hierarchisierte, pyramidal aufgebaute Kirche ist, wo alles strengstens geregelt ist und im (Unter-)Ordnungsprinzip funktioniert. Wahrscheinlich stimmt das auch, bezogen aufs Kloster Moldovita. Aber es scheint nicht überall ganz so sein, wie nach Außen vorgemacht. Das zeigt die Realität dieser Tage.
Im August 2014, faktisch vor Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs, hat die Heilige Synode der rumänisch-orthodoxen Kirche ihre Entscheidung aus dem ersten Jahrzehnt nach der Wende von 1989 bekräftigt, dass sich die Kirche, die Priesterschaft und die Hierarchen strengstens aus dem politischen und Wahlkampfgeschehen herauszuhalten haben. Und mit Konsequenzen gedroht gegen Zuwiderhandelnde.
In meinem bescheidenen Verständnis schließt die Synode in ihrem Beschluss auch die Implizierung der Kirche im Wahlkampf aus. Deshalb war meine erste Frage, wie sich dieser Beschluss mit den finanziellen Geschenkeregen vereinbaren lässt, den die Regierung des Präsidentschaftskandidaten Ponta auf die Orthodoxie niederregnen ließ. Man hätte ihn doch zurückweisen müssen... Zum anderen vermisse ich bis heute eine offizielle Reaktion der Kirche – aber auch unserer sonst so gern offene Briefe schreibenden rumänischen Spitzenintellektualität – auf die aggressiv-primitive Vereinnahmung der Orthodoxie und ihrer Symbole durch den Kandidaten Ponta, der damit gegen den etwas anders gläubigen Christen Iohannis punkten wollte.
Die rumänisch-orthodoxe Kirche ist zerknautscht aus diesem Präsidentschaftswahlkampf hervorgegangen. Er ging ganz anders aus, als die Kirche es sich bei aller gespielten Neutralität gewünscht hatte. Sie hat offen und offensichtlich Ponta unterstützt. Gegen das Offensichtliche ist offiziell nichts zu machen. Aber weder die Synode, noch der Patriarch, noch die Metropoliten tun etwas gegen die Kleriker, die in Sonntagsmessen und religiösen Veranstaltungen offen für „unseren Christen Ponta“ geworben haben – und dabei ebenso offen das Verbot der Synode mit Füßen traten.
Das ist ein nationales Problem. Auch der Gesellschaft. Denn wenn nicht einmal die Kleriker sich an die Verbote der „streng“ hierarchisierten Kirche halten – mit welchem Recht verlangen sie es von den Gläubigen? Und warum sollten die Gläubigen, bei solchem klerikalen Usus, die Gesetze achten?