Es ist nun etwa zehn Jahre her, seitdem Politiker aus dem Verwaltungskreis Temesch mit Aussagen über eine gesunkene Arbeitslosenrate für Verblüffung sorgten. Damals hatten viele noch das Heer der Beschäftigungslosen im Hinterkopf, nachdem die staatlichen Großbetriebe reihenweise ihren Geist aufgegeben hatten. Inzwischen ist das Staunen über offizielle Arbeitslosenraten von weniger als 1,5 Prozent geblieben (Im September 2016 waren es im Kreis Temesch 1,2 Prozent), doch parallel dazu sind Sorgen bei den Unternehmern aufgekommen, weil sie kaum Arbeitskräfte finden. Selbst auf dem Lande ist es schwer, Mitarbeiter zu finden – auch dann, wenn die Beschäftigung keine vorausgegangene Qualifikation voraussieht. In der Großgemeinde Billed musste vor wenigen Monaten ein westeuropäisches Unternehmen seinen Standort anderweitig verlegen, weil es vor Ort nicht ausreichend Personal gibt.
Gut für die Statistik
Landesweit werden die Arbeitslosenzahlen in den kommenden Jahren rückläufig sein. Von derzeitigem 4,8 Prozent könnten diese auf 4,6 Prozent Ende des Jahres zurückgehen. 2018 sollen diese auf 4,4 Prozent sinken und dann im Jahr darauf auf 4,3 Prozent. Es ist natürlich eine Sache der Perspektive, ob dieser Rückgang Segen oder Fluch ist. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist dieser Trend positiv zu bewerten, denn die immer weniger verfügbaren Arbeitskräfte zwingen die Arbeitnehmer, die Löhne anzuheben. „Auch sonst ist eine gesunkene Arbeitslosenrate vorteilhaft“, sagt Dr. Dan Cărămidariu, Hochschullehrer an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Temeswarer West-Universität. Er zählt auf: Durch eine niedrige Arbeitslosenrate kommen auf den Staat weniger Sozialleistungen zu. Im Gegenzug hat der Staat mehr Einnahmen, die Sozialversicherungen nehmen mehr ein und es steht gleichzeitig mehr Geld für den Konsum zur Verfügung. Nicht zuletzt: Durch mehr Beschäftigte steigen auch Produktivität und Exportvolumen.
Der Schein trügt
„Trotz dieser augenscheinlich positiven Auswirkungen bin ich nicht überzeugt, ob dieses Plus nicht von einem Minus überboten wird“, sagt Dan Cărămidariu. „Der Arbeitskräftemangel wird immer akuter. Dies wird ebenfalls zu Lohnerhöhungen führen, was in manchen Branchen nicht schlecht ist“. Damit sind jedoch die Vorteile ausgeschöpft. Cărămidariu glaubt nämlich, dass solchen Tendenzen viele Investoren abschrecken werden, sich in Rumänien niederzulassen oder ihren Standort auszubauen. „In der gegebenen Situation wird so mancher Investor einen solchen Schritt gleich zweimal überlegen“.
Auch die geplante Anhebung des Mindestlohnes um 200 Lei brutto, wie dies die neue Regierung ab Februar vor hat, sei nicht der richtige Weg. Effizient wegkommen vom Billiglohnland könne man eher durch hochwertige Produkte, was hieße, dass verstärkt in Berufsausbildung und bessere Technologien investiert werden muss. „Diesen Weg werden immer mehr Unternehmer gehen“, glaubt Cărămidariu.
Nicht überall Billiglohn
„Es ist eine Wirtschaft mit vielen Gegensätzen“. Und damit meint der Hochschullehrer nicht nur die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch die regionale Ausrichtung. Trotz aller Lohnanhebungen ist Rumänien nach wie vor ein Billiglohnland, in dem sich die Unternehmen ihre Strategie genau überlegen. So ziehen es in Temeswar ansässige ausländische Investoren vor, aus entfernten Landesteilen Personal anzuwerben, diesem außer dem Lohn auch noch die Unterkunft zu bezahlen, statt seinen Standort zu verlagern. Wer diese Zusatzkosten in Kauf nimmt, befindet sich unweigerlich in einem Billiglohnland, auch wenn, wie Dan Cărămidariu sagt, in den großen Wirtschaftszentren Rumäniens der Begriff „Billiglohn-Standort“ immer weniger Bestand hat. Innerhalb der Landesgrenzen in Regionen der Moldau, in den Süden oder Süd-Westen Rumäniens abwandern wollen viele Unternehmer trotz dieser Zusatzkosten nicht: Mangelnde Infrastruktur, eine noch höhere Nachfrage an Facharbeitern und auch noch schlechtere schulische Bildung dürfen hier als Gründe aufgezählt werden. „Trotz aller Vorteile werden sich Unternehmen, die Tausende Mitarbeiter brauchen, mittel- und langfristig in Regionen mit einer ganz gesunkenen Arbeitslosenrate nicht halten können“, glaubt seinerseits Samuel Cireş, Niederlassungsleiter des deutschen Konzerns Heraeus. Andere müssen verstärkt in Fachkräfte investieren. Heraeus tut dies in Zusammenarbeit mit dem Lyzeum für Industriechemie „Azur“.
Noch nimmt manch einer einen erhöhten Kostenaufwand in Kauf, und kommt mit von weither angeworbenem Personal über die Runden. Glücklich ist nicht jeder mit dieser Situation. So wurde hinter vorgehaltener Hand der BZ zugetragen, dass ein in Temeswar niedergelassener Konzern sich Arbeitnehmer aus Ostrumänien holte, doch die Mitarbeiter nicht zimperlich mit der Hoteleinrichtung umgegangen sein sollen und den Betreiber vor hohe Reparaturkosten gestellt haben.