Ein alt-österreichisches Denkmal erhitzt dieser Tage die Gemüter in Temeswar: Bürgermeister Nicolae Robu hat eine Idee aufgegriffen, die in den vergangenen Jahren von verschiedenen Vorzeigebanatern (vor allem von den Intelektuellen des Ariergarda-Vereins, aber auch von jenen, die sich auf Facebook unter den Namen „Liga Bănăţeană” und „Banatul de altădată” verstecken) immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, nämlich die 1853 eingeweihte, neugotische Sieges- oder Treuesäule in der Innenstadt wieder aufstellen zu lassen. Seit den dreißiger Jahren verharrt sie besserer Zeiten auf dem Heldenfriedhof an der Lippaer Straße. Robu will das Denkmal nun auf dem ehemaligen Lahovary-, heute Bălcescu-Platz sehen, den er bis Jahresende neugestalten lässt. Darüber berichtete die ADZ.
Sein Vorhaben hat aber den Temescher Ungarnverband auf den Plan gerufen, dessen Funktionäre einen Brief an den Bürgermeister gerichtet haben, in dem sie ihn auffordern, die Säule auf dem Friedhof zu belassen, sonst würde er sowohl das National- und Freiheitsgefühl der in Temeswar lebenden Magyaren als auch den multiethnischen Geist der Stadt Temeswar aufs Tiefste verletzen. Dass die Ungarn bis auf das kleinste Detail auf ihre Geschichte achten, dass diese bloß keiner - außer ihnen selbst - um- oder missdeutet, das gehört inzwischen zum Allgemeinwissen.
Insofern ist das Ringen um das von Kaiser Franz Joseph I von Österreich „den heldenmüthigen Verteidigern der Festung Temesvár” gewidmete Denkmal zwar eine weitere Episode des Versuchs der ungarischen Minderheit, die eigene Rolle und Bedeutung hervorzuheben, aber auch ein Beispiel für die zahllosen Faux-Pas, um es elegant auszudrücken, die sich Bürgermeister Robu seit mehr als einem Jahr im fast tagtäglichen Rhythmus leistet. Und nicht zuletzt zeugt die Geschichte um das alt-österreichische Denkmal von der Unmündigkeit, dem mangelnden Interesse und der äußerst schwach artikulierten Stimme der Temeswarer Intelektuellen, die in diesem Falle, wie auch in zahlreichen anderen, schweigen. Da bleibt wohl das vom Abriss gerettete Wilhelm-Mühle-Haus die Ausnahme.
Zurück zur Säule: Über das Denkmal, dessen Zustand sich von Jahr zu Jahr verschlechtert, hatte diese Zeitung geschrieben, lange bevor der Ariergarda-Verein um Professor Daniel Vighi Alarm schlug. 2006 hegte das Kulturamt des Kreises Temesch, von der ADZ/BZ befragt, den Wunsch, die Säule zu sanieren und auf der Grünanlage hinter dem Bega-Kaufhaus aufzustellen.
Doch damals mangelte es an Geld, aber auch wohl an Courage. Weil die 1918 von ungarischen Freischärlern geschändete Säule in den dreißiger Jahren von der damaligen rumänischen Verwaltung abgetragen und auf dem Friedhof, neben dem Massengrab der österreichischen Stadtverteidiger von 1848-1849, wieder aufgebaut wurde, hieß es 2006, allerdings unter vorgehaltener Hand, man könnte die Geste der Wiederaufstellung in der Innenstadt politisch missdeuten. Es geschah selbstverständlich nichts.
Dass es dem sturen Bürgermeister Robu heuer gelingen wird, die Statue auf den Bălcescu-Platz zu bringen, daran zweifeln nicht einmal seine Gegner, die ihn zurzeit in Internetforen heftig angreifen. Warum habe er sich jetzt auch mit der ungarischen Minderheit gestritten, heißt es. Oder wisse er gar nicht, dass nicht nur die Ungarn unter dem Hause Habsburg zu leiden hatten, sondern vor allem die braven Rumänen, fragen anonym bleibende Temeswarer im Internet. Es bleibe dahingestellt, wie sehr die Ungarn unter den Habsburgern leiden mussten, es geht ja im Grunde gesehen gar nicht darum.
Die Säule sollte sicherlich gerettet werden, sei es auch nur deshalb, weil sie, wenn auch stark beschädigt, aber mit habsburgischem Doppeladler auf der Spitze und gotischer Inschrift auf dem Sockel in unversehrtem Zustand, nun 160 Jahre alt geworden ist. Auch sollte sie an einen anderen Platz aufgestellt werden, eine Grünanlage wie jene hinter dem Bega-Kaufhaus würde aus vielerlei Gründen dem Vorhaben entsprechen.
Ärgerlich ist allerdings, wie die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Robu das Thema angeht. Rein historisch gesehen, ging und geht die Säule die Rumänen gar nichts an, sie war und bleibt ein österreichisch-ungarisches Anliegen. Weil es Alt-Österreich nicht mehr gibt, bleiben eben nur die Ungarn, die heute - aus einer durchaus falsch verstandenen geschichtlichen Perspektive - protestieren. Und dabei nicht verstehen wollen, dass die alt-österreichische Siegessäule nun mal zum baulichen Erbe dieser Stadt gehört und eben deshalb erhalten werden muss. Nichts spricht dagegen, dass sie - sollte sie zurück in die Innenstadt - mit einer vielsprachigen Hinweistafel zu ihrer wechselvollen Geschichte bereichert wird.
Dass inmitten der Diskussion um die Säule der Bürgermeister die Ungarn zu Talibanen macht, dass er wieder einmal überzeugt ist, allein er habe Recht, dass er der Temeswarer Öffentlichkeit erneut erzählt, er habe sich mit Fachleuten beraten (mit welchen?), die ihm gesagt hätten, die von ihm erdachte Lösung (also: Aufstellung der Säule inmitten des Kreisverkehrs, der am B²lcescu-Platz entstehen soll) sei selbstverständlich die beste, das alles lässt einige Fragen aufkommen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bürgermeister über alle Meinungen hinwegsetzt, um das zu machen, wozu er sich eben berufen fühlt: die Stadt willkürlich umzukrempeln.
Fraglich ist, ob die neugotische Säule neben der ebenfalls neugotischen Elisabethstädter Pfarrkirche zur Geltung kommen wird. Auch fragt man sich, wie die Touristen, die, so Nicolae Robu, das Denkmal bewundern sollen, den Kreisverkehr überqueren werden, um die Säule zu besichtigen. Darüber hinaus: Wo bleibt in dieser Diskussion die Zivilgesellschaft? Wo bleiben die Kunsthistoriker, die Architekten, die Stadtplaner, die Umweltexperten?
In der Tat, der Vorsitzende des Temeswarer Künstlerverbands, der Ungar János Szekernyés, hat als einer der wenigen eine Erklärung zum Thema abgegeben, aus der man aber nicht genau versteht, ob die Säule auf dem Friedhof bleiben solle oder nicht.
Eine Diskussion, von Fachleuten geführt, gab es nicht. Wie üblich, würde man meinen. Raumordnung und Stadtverschönerung sind Themen, die seit der Amtsübernahme Nicolae Robus Verbände wie jene der Architekten und der Stadtplaner, aber auch andere Bürgervereine nicht mehr interessieren. Auch die Opposition im Stadtrat scheint an dem Thema kein Interesse zu haben, die PDL-Stadträte sind mit dem durchaus wichtigen Problem der Innenstadtparkplätze sowieso überfordert.
Vom Bürgermeister und dem Ungarnverband dominiert, kreist die Debatte um das Denkmal nur noch um Nebensächliches. Bereits jetzt hat sie mit intelligenter Stadtplanung und -verschönerung sowie mit geschichtsgerechter Denkmalpflege nichts mehr zu tun. Da sei nur noch folgendes bemerkt: Weil die Ungarn 1867 Frieden mit dem Hause Habsburg schlossen und bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges den greisen Kaiser hochverehrten, beließ die damalige Temeswarer Stadtverwaltung die Siegessäule dort, wo sie war. Weil die Rumänen mit der ungarischen Belagerung der österreichischen Festung Temeswar nichts am Hut hatten und weil eben Magyaren das Denkmal 1918 so stark beschädigten, dass ein Wiederaufbau nicht mehr in Frage kommen konnte, ließ der rumänische Bürgermeister 1935 die Säule abtragen und in der Nähe des Massengrabs der österreichischen Soldaten wiederaufbauen. Mehr Fingerspitzengefühl als heute hatte man anscheinend sowohl 1867 als auch 1935. Übrigens: Die Grabstätte der österreichischen Soldaten gibt es nicht mehr. Unlängst hat die Friedhofsverwaltung die Grabsteine entfernt, die Fläche planiert und zwecks Bestattungen freigegeben. Es ruhen dort frisch verstorbene Temeswarer Bürger. Von der Säule herab blickt auf sie der Doppeladler.