Temeswar wird ab Herbst um ein Filmfestival reicher. Das Festival, das in die Bega-Stadt verlegt werden soll, ist das Festival des Zentraleuropäischen Films, das von Regisseur Radu Gabrea in die Wege geleitet wurde und bereits sechs Auflagen hatte. Die siebente Auflage soll zwischen dem 3. und 9. September zum ersten Mal in Temeswar stattfinden.
Victoria Cociaș, die Frau des verstorbenen Erfolgsregisseurs, erklärte für die BZ: „Bisher hat das Main-Event-Festival in Mediasch stattgefunden mit einer Retrospektive in Bukarest. In Temeswar wollen wir das Festival ausbauen, wir wollen in eine größere Stadt kommen, die zugleich eine zentraleuropäische Stadt ist und sich zurzeit in einem großen Aufwind befindet. Wir haben uns stark von der Region und den Menschen hier angezogen gefühlt, wir wollen mit allen Institutionen und Personen zusammenarbeiten, die sich in Temeswar mit der Filmkultur befassen“.
Außer dem Wettbewerb, den es bereits gab, soll das Festival ab dieses Jahr mit einem weiteren Modul ausgeweitet werden, hat Victoria Cociaș hervorgehoben: „Diesen Teil haben wir ‚Go Southeast!‘ betitelt, es handelt sich ebenfalls um einen Wettbewerb. Temeswar ist zu diesem Zweck sehr gut gelegen, in der Mitte zwischen Zentraleuropa und dem Südosten Europas. Es werden 12 Filme im Wettbewerb sein, sieben im zentraleuropäischen Teil (Je einer aus jedem Land, das zu dieser Region gehört – N Red.), sowie fünf im südosteuropäischen Part. Das Konzept, das wir angewandt haben: Wir haben jedes Mal den besten Film aus jedem Land ausgesucht, der beim nationalen Filmwettbewerb den Preis davongetragen hatte. Der Film, der bei ‚Gopo‘ oder ‚UCIN‘ als der beste ausgezeichnet wird, kommt in diesen Wettbewerb.“ Dasselbe Konzept wird auch für den Wettbewerb der Filme aus den südosteuropäischen Ländern angewandt.
Ein weiteres Modul des Festivals wird unter dem Titel „Panorama“ stattfinden: „Dafür bringen wir Filme, die bei den großen europäischen Festivals 2016 Preise erhalten haben. ‚Panorama‘ wird in diesem Jahr das Thema ‚Die Kultur der Minderheiten‘ haben, dabei meinen wir nicht nur ethnische Minderheiten, sondern Minderheiten aller Art, die aus verschiedenen Gründen diskriminiert werden. Wir versuchen im Rahmenprogramm auch Kolloquien zu gestalten, um über das Thema zu diskutieren. Filmemacher, auch Philosophen oder Historiker, aus Temeswar und aus anderen Städten, sollen dabei mitdiskutieren“, erklärte Victoria Cociaș für die BZ.
Um das Festival nun in Temeswar heimisch zu machen, wollen die Veranstalter auch die Trophäe neu gestalten lassen: Zu diesem Zweck sollen die hiesigen Künstler an einem Wettbewerb teilnehmen. Eine Partnerschaft mit der Kunstfakultät an der West-Universität Temeswar wird diesbezüglich angepeilt.
„Neu in diesem Jahr auch, dass es nicht nur die Trophäe als Preis geben wird, sondern wir versuchen, auch Geldprämien zu geben“, erklärte Victoria Cociaș.
Bei dem Filmfestival werden wie bereits auch bisher Filmprojektionen im Inneren und auch draußen organisiert, wie Victoria Cociaș unterstrich: „Wir wollen Filme in einem Park projizieren und auch in einem Stadtviertel, auf einem Platz oder an einem unkonventionellen Ort“. Die Einbindung der Öffentlichkeit, konkret der Bewohner eines Stadtviertels ist sehr wichtig für diese Auflage: „Die Gemeinde in dem betreffenden Viertel soll herangezogen werden. Wir sind gespannt, wie das funktioniert. Es soll ein Film gedreht werden über diese Gemeinschaft und ihrer Beziehung zum Festival. Dafür versuchen wir eine Partnerschaft mit TVR in die Wege zu leiten. Ich hoffe, dass dieses Projekt dann in den folgenden Jahren ausgeweitet wird“.
Auch in diesem Jahr sollen Gäste aus dem Ausland im Rahmen des Festivals willkommen geheißen werden: „Wir wünschen uns, einen der Filmemacher von ‚Toni Erdmann‘ einzuladen, dem deutschen Film, der in diesem Jahr für einen Oscar nominiert wurde. Auch einen der Hauptdarsteller wollen wir nach Temeswar bringen, damit er mit dem Publikum diskutiert“, so Victoria Cociaș.
Außerdem soll ein Workshop für das Schreiben von EU-Projekten für Finanzierung von Kulturprogrammen organisiert werden.
Der Schauspielerin, die sowohl auf Theaterbühnen gestanden sowie in Filmen gespielt hat, geht es beim Filmfestival um die gute Wahrung eines Vermächtnisses, das ihr Ehemann gelassen hat: Der beliebte und oft prämierte Regisseur Radu Gabrea hatte dieses Festival in die Wege geleitet, das nun ausgeweitet werden soll. Im Rahmen des Festivals wird ein Teil seiner Filmografie gewidmet: „In memorian Radu Gabrea“ ist dieser Teil betitelt. Es werden Dokumentarfilme sowie Spielfilme des bekannten Regisseurs gezeigt.
„Darüber hinaus haben wir eine Kollektion alter Filme, die in jiddischer Sprache gemacht wurden und die restauriert worden sind, die wir in einer Synagoge projizieren werden. Es sind wahre Schmuckstücke, Filme, die vor dem Zweiten Weltkrieg oder während des Krieges gemacht wurde. Sie stammen aus Polen, Russland, der Ukraine, den USA. Restauriert wurden sie von der Universität Brandeis in Massachussetts. Es handelt sich dabei um etwas ganz Spezielles“, hob Victoria Cociaș hervor.
Das Festival soll in Temeswar Fuß fassen und möglicherweise auch in das Programm der Kulturhauptstadt eingebettet werden: „Ich hoffe, dass wir zusammenarbeiten werden. Wir sind im Gespräch und tauschen uns gegenseitig aus“, hat Victoria Cociaș erklärt.
Auch wenn sie viele schöne Erinnerungen an Radu Gabrea hat – Victoria Cociaș zählt die Filme auf, aber auch die Theaterinszenierungen, so die erfolgreiche Inszenierung des Lebens der Maria Callas am Nottara-Theater, die Teilnahme an den Theaterfestivals in Avignon – „Radu hat die Atmosphäre dort sehr gemocht“ – nennt sie das Festival als etwas sehr Bedeutendes: „Das Zentraleuropäische Filmfestival hat Radu Gabrea sehr am Herzen gelegen. Es lag ihm sehr daran, dass es so genannt wird, da er den Einfluss des Zentraleuropäischen auf einen großen Teil Rumäniens hervorheben wollte. Mit ‚Go Southeast!‘ gehen wir in diesem Jahr darüber hinaus, weil sich auch in jenem Raum etwas Besonderes entwickelt, es gibt sehr schöne Filme, die gezeigt werden müssen“.