Literaturliebhaber sind in der Begastadt auf ihre Kosten gekommen. Zwölf bedeutende Literaten aus dem In- und Ausland lasen in Temeswar/Timişoara aus älteren, jüngeren und noch entstehenden Werken vor. Ein Thema haben die Bücher allesamt gemeinsam: Sie handeln über Europas Osten, über dessen Menschen, deren Weltanschauungen, den politischen Zerrüttungen sowie dem gesellschaftlichen Ein- und Aufbruch. Besonders die sieben ausländischen Autoren könnten nicht unterschiedlicher sein: Der Schwede mit großbürgerlichen Wurzeln Richard Swartz, seine Gattin, die Kroatin Slavenca Drakulic, der Rumänienungar Attila Bartis, der Serbe Vladimir Arsenijević, der das Literaturfestival für Mittel- und Osteuropa Krokodil jährlich organisiert und der im fernen Russland geborene Besarabier Vasile Ernu. Hinzu kommen noch der deutsche Schriftsteller Jan Koneffke und der irische Autor Philip Ó Ceallaigh, für die Rumänien eine zweite Wahlheimat geworden ist. Zu diesen europäischen Größen gesellten sich lokale wie die Essayistin und Literaturkritikerin Adriana Babeţi, der Schriftsteller Viorel Marineasa, der TV-Moderator und Schriftsteller Tudor Creţu, der bedeutende Literaturkritiker Cornel Ungureanu und die aufstrebende Nachwuchsautorin Daniela Raţiu.
Die Bukarester Agentur für Kommunikation „Headsome Communication“ veranstaltete die erste Auflage des internationalen Festivals, das unter dem Motto“ Vom Westen nach Osten/ Vom Osten nach Westen“ stand. Es soll nicht die letzte sein, so Ioana Gruenwald. Stattdessen hoffen die Veranstalter ein standfestes Fundament für ein Leseereignis gelegt zu haben, das in den nächsten Jahren ausgebaut werden kann. An Publikum hat es nicht gefehlt. Auch viele junge Menschen, vorwiegend Studentinnen, nahmen an den Lesungen und den anschließenden Podiumsdiskussionen teil. Gastgeber war das Kunstmuseum Temeswar. Es stellte als Veranstaltungsraum den Barocksaal zur Verfügung. Vorort erhielten Gruenwald und ihre Firmenpartnerin Oana Boca Unterstützung von weiteren lokalen Kulturvertretern.
Für Deutsche bleibt Rumänien noch ein unbekanntes Land. Jan Koneffke erwähnt es jedes Mal, wenn er seinen jüngsten Roman „Die sieben Leben des Felix Kanmacher“ vorstellt. Auch während seiner Lesung im Rahmen des Festivals sprach er davon, wie Deutsche sein Buch auffassen, wie es denn ist, Rumänien während der Zwischenkriegszeit von Außen zu betrachten und wie autobiografisch eigentlich der Roman doch ist. Für Koneffke war es nicht die erste Begegnung mit dem Temeswarer Publikum. Anfang Oktober besuchte der deutsche Schriftsteller Temeswar zum ersten Mal, damals hielt er auf Einladung des Deutschen Kulturzentrums eine Lesung in der neuen Stadtgalerie. Rumänien selbst ist für Koneffke inzwischen Heimat. 1998 lernte er seine jetzige Frau in Rom kennen, Jahre zuvor während seines Studiums, den rumäniendeutschen Autor Ernest Wichner.
Für seinen Roman über einen Berliner Klavierspieler, der aufgrund der Nationalsozialisten nach Rumänien flüchtet, recherchierte der Schriftsteller zehn Jahre lang. In Deutschland lebt er seit Jahren nicht mehr. Momentan pendelt er zwischen Wien und Bukarest. Grund weshalb der Autor auch frühzeitig abreisen musste.
Die kommunistische Vergangenheit osteuropäischer Länder wie Rumänien gehörte zu den prominenten Themen des Festivals. Slavenca Drakulics griff es in ihren sozialkritischen Fabeln auf, Attila Bartis in seinem Roman über das Karriere-Aus einer gefeierten Budapester Schauspielerin und Daniela Raţiu in ihrem Theatermonolog „Der Metzger las die Russen“. Allerdings war es nicht das ausschließliche Thema, stattdessen bot das internationale Literaturfestival etwas für alle Geschmäcker und brachte literarische Größen in die Stadt an der Bega.