In der monumentalen „Geschichte des Eisens“ von Ludwig Beck (dem Vater des Generals Ludwig Beck, der im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom 20. Juli 1944 zum Selbstmord gezwungen wurde) habe ich einen Abschnitt über die Zigeuner gefunden, der, da er sich unter anderem auf Siebenbürgen bezieht, auch für uns Heutige interessant sein dürfte. Es folgt dieser Abschnitt ungekürzt und mit der Orthographie des ausgehenden 19. Jh., also noch bevor die Reform der deutschen Sprache von Duden eingeführt wurde. Da zur Zeit von Beck Zigeuner noch Zigeuner und nicht Roma oder Sinti hießen werden sie im Folgenden auch so genannt.
Beck schreibt:
„Europa kam mit der Eisenindustrie der Inder nicht allein durch den Handel in Berührung sondern die indische Eisengewinnung ist im Mittelalter direkt nach Europa importiert worden durch die Zigeuner. Dass diese aus Indien stammen kann nicht mehr bezweifelt werden, wenn sie sich auch selbst, um sich ein größeres Ansehen zu geben und um als von Jerusalem heimkehrende Pilger sich Schutzbriefe zu erwirken, Ägypter oder eigentlich Pharao Nephek, „Volk Pharaos“, genannt haben. Ihre Sprache ist mit dem Sanskrit nahe verwandt. Sie wandern heute noch zahlreich in Indien und Persien. Einer der Namen, die sie sich selbst beilegen ist Sinte (Sinti) , d. h. Indier. In Aserbidscham (heute Aserbeidschan) im nördlichen Persien nennt man sie Hindu Karusch, d. h. schwarze Indier. In Syrien heißen sie Kabuli, d. i. Leute aus dem Kabulthal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft. Sie stammen aus dem nördlichen Indien.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie einen Stamm bildeten, ähnlich den oben erwähnten Kohata, die das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, dass Timur, der in vielen Dingen an die großen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und nach anderen Städten geschleppt hat.
Es gelang ihm aber nicht, die Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrscheinlich nicht sesshaft gewesen waren und hatte diese gewaltsame Wegführung nur zur Folge, dass sie sich, ähnlich wie durch gleiche Veranlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist, dass sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien, dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200.000 leben, danach sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, beson-ders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie noch das Goldwaschen und nennt man diese Goldwäscher dort „Rudari“ oder „Aurari“. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäftigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heißen in der Türkei Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion, durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Konstantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filzzelten außerhalb Pera bei dem Kavilierplatz.
In Siebenbürgen und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren ist höchst einfach und gleicht außerordentlich dem Verfahren der Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Handbälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner heißen im Volksmunde „Heidenfeuer“. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Mausfallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie z. B. in Schierstein bei Wiesbaden, förmlich Kolonien gebildet haben, beziehen, bzw. bezogen früher in ihrer Heimat ihr Eisen vielfach von den „Heiden“, d. h. von den Zigeunern.“
An einer späteren Stelle erscheinen die Zigeuner noch einmal:
„ … Dies geschah teils von den Waldbesitzern, teils von zünftigen Arbeitern, Eisenschmelzern, Waldschmieden, die in älterer Zeit, öfter von einem Platze zum anderen zogen. Auf den Gütern der Adligen, auch wenn sie nicht das Bergregal in ihrem Dominium erworben hatten, befanden sich in holz- und eisenreichen Gegenden meist solche Rennwerke; die Zigeuner, welche sich seit ihrem ersten Auftreten in Europa, besonders in der unteren Walachei, im Banat und Siebenbürgen mit der Eisengewinnung beschäftigten, betrieben nomadisierend an den Plätzen, wo sie Erz fanden, ähnliche Schmelzöfen. Deshalb wurden auch die Lupenschmieden öfter Zigeuner - und Heidenfeuer genannt. Solche Zigeunerfeuer haben sich in der Walachei bis heute erhalten. Die Anlagen und die Arbeit der nomadisierenden Schmelzer erinnern lebhaft an die Eisengewinnung der Inder. Fast alle Zigeuner der Wallachei beschäftigten sich noch im vorigen Jahrhundert mit der Anfertigung von Eisenwaren. Sie hatten kleine, niedrige Öfen und unterhielten das Feuer mit Handblasebälgen, die sie aus Ziegenfellen zusammennähten. Oben an der Stelle des Halses befestigten sie eine kleine, eiserne Röhre, während sie die beiden an der Bockshaut befindlichen Füße als Handhaben gebrauchten. KarI von Born sah einen solchen Betrieb bei Waida Hunnya (Hunedoara) im Banat.
Das Alter von Eisenschmieden in jener Gegend bezeugt ein bei Ostrow gefundenes Denkmal, auf welchem eines Collegii fabrorum gedacht wird. Vielleicht hängt auch der Name des (siebenbürgischen) „eisernen Thors“, des Hauptpasses zwischen Siebenbürgen und der Türkei, mit den alten Eisenschmieden jener Gegend zusammen.
1421 erschienen zum ersten mal im Rheingau die Zigeuner (zinganorum faex). Sie gaben vor, weil ihre Voreltern Jesus und Maria auf ihrer Flucht nach Ägypten keine Herberge gaben, müssten sie zur Buße 7 Jahre in der Welt umherirren. Doch waren sie nur Landstreicher und Diebe, die das einfältige Volk betrogen.“
So weit Beck.
Hier will ich noch eine selbst erlebte Begebenheit vom Ende der 1950er Jahre erzählen: Im Traktorenwerk brauchte man für die Holzkisten, in denen die Traktoren exportiert wurden, viele Holzbohrer. In der gut eingerichteten Werkzeugmacherei des Werkes gelang es nicht, diese Bohrer in entsprechender Qualität und Menge herzustellen. Da stellte sich ein „Bulibașa“ („Zigeunerhäuptling“) ein und versprach für einen annehmbaren Preis diese Bohrer in der benötigten Anzahl und Güte zu produzieren. Seine Bedingung war, ihm eine bestimmte Quantität eines ganz normalen Baustahles zur Vefügung zu stellen und ihm einen eingezäunten Raum außerhalb der Halle anzuweisen, zu dem niemand Zutritt erhalten dürfe.
Der damalige Chef des Werkzeugbaus (der an der Hochschule einer meiner Lehrer war), akzeptierte die Bedingungen unter dem Spott seiner Kollegen. Aber der Zigeuner hielt Wort, sowohl was Qualität, Quantität und vor allem den Termin betraf. Noch viele Jahre später waren die „sfârlese Țigănești“ (Zigeunerbohrer) von den Tischlern sehr gesucht.