Von den in diesem 20-jährigen Jubiläumsband veröffentlichten inzwischen schon gestandenen jüngeren Autoren, wie zum Beispiel dem 1975 geborenen Lucian Manuel Vârşăndan – inzwischen Intendant des Deutschen Theaters Temeswar – eignen sich einige hier veröffentlichte Gedichte durchaus für Deutschlehrbücher wie zum Beispiel sein Gedicht „an der schwelle“: „die alten zweifel / tragen neue namen / - das wieso und warum / umschreiben wir / mit einem weiteren kalenderblatt / – und die nächste Jahreszeit / ist nur das Ziel / zu unserem nächsten Rennen./“
Probleme sind geblieben, indem nun die alten Zweifel neue Namen in den neuen Gegebenheiten erhalten.
Aber auch die Kontinuität der Identität blieb erhalten, durch alltägliches Weitermachen metamorphosiert in dem Umschreiben „des Wieso und Warum“ in der Sinnfindung mit jedem neuen Tag, einem weiteren Kalenderblatt. Allerdings kommt jetzt in der Marktwirtschaft der Konkurrenzdruck hinzu, der das einzige Ziel der nächsten Jahreszeit ist – als „unser nächstes Rennen“ satirisiert. Eine gelungene Besinnung aufs übermaterialistische Ziel Hinausschießen in Wesentliches ist letztlich die Botschaft dieses Gedichtes.
Auch die Texte der anderen Stafette-Autoren mit Eigenbänden wie Petra Curescu, Gedichte, Henrike Brădiceanu-Persem, Gedichte, und einer lyrischen Prosa „Komm lieber Mai“, Robert Tari mit einem dramatischen Romanfragment, Bianca Barbu mit zwei besinnlichen Kurzprosatexten und Lorette Brădiceanu-Persem mit einer lyrisch getönten Kurzprosa zeigen, wie inspirierend dieser Literaturkreis Jahr für Jahr auf seine Mitglieder wirkt.
Vor allem aber legt diese Jubiläumsanthologie Wert darauf, sich als eine über zwei Jahrzehnte erfolgreiche Talentschmiede zu präsentieren. Ihr besonderes Anliegen ist es, so früh wie möglich schon die Talente im Deutschunterricht und im Literaturkreis ausfindig zu machen und dann gezielt sowohl individuell wie auch teammäßig in Workshops zu fördern.
Von dem erstmal 2011 verliehenen Libeth-Rieping-Gedächtnispreis – an zwei schon mit Eigenbänden hervorgetretenen Stafette-Autoren: Henrike Bradiceanu-Persem und Robert Tari – ging zu gleichem Teil der dritte Preis an eine Debütantin, an Karina Körösi, eine Neunklässlerin.
Zwei Kurzprosatexte von ihr – „Das Buch“ und „Die Erkenntnis“ – zeigen, dass dies durchaus berechtigt ist. In der Kurzprosa „Das Buch“ wird sehr einfühlsam das Generationenproblem mit Hilfe eines geheimnisvollen, vom Großvater vererbten Buch behandelt. Ebenfalls äußerst sensibel ist auch die Erkenntnis über den Generationenwandel in ihrer zweiten Kurzprosa „Erkenntnis“. Eine zusätzliche Bestätigung ihres Talents ist auch ihre Bestleistung bei der diesjährigen Deutscholympiade Rumäniens. Am 5. April 2012 erhielt sie bei den Zehnklässlern die Höchstnote (9,90 von 10 möglichen Punkten) für ihren Aufsatz und den ersten Preis.
Die jüngsten Mitglieder des Stafette-Literaturkreises, Schüler des Lenau-Gymnasiums, werden in einer erstaunlichen Vielzahl – 15 insgesamt – und Vielseitigkeit vorgestellt. Cristian Paul Popa schildert in der Kurzprosa „Ein interessantes Abenteuer“ einen Traum. In Sebastian Dans Kurzprosa „Der Brief“ bleibt überraschend ein Geheimnis ein Geheimnis. Ariana Barmayoun schildert in ihrer Kurzprosa „Das Geschehen meines Lebens“ wie ein kleines Kind ihr das Leben rettete. Nicht ganz so dramatisch, aber auch spannend, ist Roxana Paraschivs Kurzprosa „Die bunte Überraschung“. Laura Alexas Märchen „Das Wellenland“ – immerhinzehn Seiten lang – überbordet von Phantasie.
In Laura Purtätors Kurzprosa „Das schwarze Loch“ wird ein tragisches Ereignis – der Tod der Mutter, der die Erzählerin in ein schwarzes Loch wirft – allmählich durch die erste Liebe überbrückt. Auch im Falle Laura Purtätors hat der Stafette-Literaturkreis ein glückliches Händchen bewiesen. Bei der jüngsten Deutscholympiade Rumäniens hat sie nach Karina Körösi den zweiten Preis für die Jahrgangsstufe 10 (9,70 Punkte von 10 möglichen) erhalten.
Vanessa Cutui schildert in ihrer Kurzprosa „Die Geschichte vom Ruhm oder Wie leicht man Freunde verlieren kann“ wie in einer Konkurrenzgesellschaft Erfolg auch Neid und Missgunst hervorrufen kann, Freundschaften kostet und sogar Einsamkeit bedeuten kann. Doch sie verzagt nicht, sondern setzt sich wieder an ihre Malstaffelei, die ihr den Erfolg, aber auch die Einsamkeit beschert hat.
Alexandra Niţăs Überlegungen „Wie die Menschen heutzutage leben“ thematisiert die Korruption im rumänischen Gesundheitswesen und weitet sie aus zur allgemeinen gesellschaftlichen Parabel. Beatrice Jurescu überlebt in der Kurzprosa „Abenteuer in der Nacht“ glimpflich einen Raubüberfall, während Diana Dehelean in ihrer Kurzprosa „Eine Reise ins Paradies“ ihrer Vorstellungskraft über eine Reise ins Fantastische freien Lauf lässt. Domi Heidenfelder ironisiert im Märchen „Glück im Unglück“ eine allzu leichte Glückserwartung. Miruna Popa ist da viel nüchterner in ihrer Parabel „Ich werde die Welt retten“, indem sie zeigt, wie wenig sie zur Umweltbewahrung auf den ersten Blick nur beitragen kann, aber dies unbedingt tun will, und somit doch etwas bewirkt.
Ioana Ecaterina Berariu lässt ihrer Fantasie über Monster, Zombies, Werwölfe und Vampire in ihrer Märchengroteske „Unser Geheimnis“ auch freien Lauf und schafft es – auf neun Seiten immerhin – bis zum Schluss überraschend zu amüsieren. Karina-Ingrid Zaporojan macht es sich allerdings etwas leicht mit ihrer Parabel „Der Wunsch“. Ein fliegendes Schiff in ein Wolkenkuckucksschloss – keine schlechte Idee – hätte allerdings etwas distanziert-ironischer wie bei Berariu bearbeitet werden können. Da beide Mitglieder im Stafette-Literaturkreis sind, haben sie noch genügend Gelegenheit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch.
Die letzte Kurzprosa der Allerjüngsten, Lara Birsetes „Ein verrücktes Abenteuer“, macht auch einen Abstecher aus dem zu behüteten Familienalltag in ein Fantasieabenteuer mit Hilfe eines bei den jüngsten Stafette-Autoren so beliebten Drachen. Wenn auch einige Gedanken und Vorstellungen sich wiederholen, bleibt eine oft erstaunliche eigene Sicht dabei erhalten und lässt auf eine weitere Entwicklung hoffen.
Wie wichtig dabei eine kontinuierliche Arbeit in einem regelmäßig tagenden literarischen Arbeitskreis ist, zeigt das Beispiel Hermannstadt. Hier hatte man die Stafette sich zum Vorbild genommen und von 2009-2011 auch einen eigenen Literaturkreis organisiert mit einigen interessanten Sitzungen. Dann schlief aber leider alles ein, weil keine kontinuierliche Leitung sich fand, wie die von Annemarie Podlipny-Hehn und Lorette Brădiceanu-Persem beim Stafette-Literaturkreis.
Ein Grund mehr, beiden Leiterinnen des Stafette-Literaturkreises ein übriges Mal herzlich zu danken wie auch allen anderen Mitgliedern, Freunden und Förderern, denen es – sage und schreibe – über 20 Jahre hinweg geglückt ist, dies einmalige Literaturphänomen Stafette am Leben zu erhalten mit hoffentlich auch weiterhin viel Zukunft.