„Als du wir gegen ich eintauschest, floss Nebel über den einsamen Strand. Als du uns gegen mir eintauschest, übersäten Schmetterlinge den fernen Strand. Als du ist gegen war gabst, da wusste ich, der Abschied klopft an. Nicht geh, wollte ich sagen, das Schweigen aber war ein altes Nebelhorn“.
„Abschied“ heißt das Gedicht von Dagmar Dusil, das an einem Pfosten des Pfarrhauses in Katzendorf angebracht ist. Doch nicht nur dieses, sondern auch viele andere Werke von deutschen und rumänischen Dichtern kleben am Nachmittag des 1. Oktober an Hauswänden, Baumstämmen, am Scheunentor. An den dicken Wänden des Turmes, der mitten im Pfarrhof steht, hängen bunte, etwa einen Quadratmeter große Wandteppiche der Schäßburger Künstlerin Lilian Theil.
Gelbe Blumen in hohen Vasen schmücken den runden Holztisch unter der Linde. Am Baum ist ein Plakat in roter und blauer Schrift angebracht, das an Theaterplakate aus den 90er Jahren erinnert. “Ach! Schon ist es September! Kommt! Zu unserem ersten Kulturtreffen in Katzendorf werden Neugierige aus Ost und West herzlich eingeladen. Im Pfarrhaus sind eine Woche lang Theater, Musik, Filme und Dichterworte zu Hause”, steht auf dem Plakat, dass das erste Kulturtreffen auf dem Katzendorfer Pfarrhaus zwischen dem 6. und dem 12. September 1992 ankündigt.
Gäste aus nah und fern
25 Jahre nach dem ersten Treffen feiert man wieder. Die Sonne strahlt durch das Herbstlaub, auf den Liegestühlen sonnen sich internationale Gäste, Hunde laufen durchs Gras, in der Küche wird fleißig von Frauen aus dem Dorf fürs Abendessen gekocht, am langen Tisch im Wohnzimmer unterhält man sich bei Kaffee und gezuckerten Krapfen, draußen schlendern ein paar Leute durch den Garten und lesen die Gedichte an den Bäumen. Etwas nach 15 Uhr trifft eine größere Gruppe ein. Es sind Gäste, die aus dem 11 Kilometer entfernten Streitfort /Mercheaşa zurückgekehren, wo sie die dickste Eiche Südosteuropas bewundert haben. Es ist Sonntag, der 1. Oktober, der schönste Herbsttag in diesem Jahr.
So viele Gäste wie in anderen Jahren sind es diesmal nicht. Ein Grund dafür ist, dass in Kronstadt und Umgebung das Reformationsjubiläum gefeiert wird. Zu diesem Anlass hat man auch beim Kulturfest einen ökumenischen Gottesdienst in der Ruine einer alten Kirche besucht. Es gibt aber Gäste, die inzwischen zu Stammgästen geworden sind und immer wieder kommen- wie die Schriftstellerin Ioana Ieronim oder die Schauspielerin und Dichterin Ioana Crăciunescu. In der entspannten Atmosphäre fühlen sich die Gäste, ob zum ersten oder zum zehnten Mal in Katzendorf, wie zu Hause.
Der Initiator der Veranstaltung ist der in Berlin und Katzendorf lebende rumäniendeutsche Schriftsteller und Drehbuchautor Frieder Schuller, der die „Begegnungen auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch mit Dichtern, Musikern, Malern, Bauern, Roma und Neugierigen“ nun schon seit einem Vierteljahrhundert organisiert. Die Veranstaltung in diesem Jahr wurde von der Deutschen Botschaft Bukarest unterstützt.
Dagmar Dusil wird über Katzendorf schreiben
Gegen halb vier kündigt eine Glocke an, dass sich die Leute versammeln müssen. Die Veranstaltung hat ihren Höhepunkt erreicht: der Preis „Dorfschreiber von Katzendorf“ wird überreicht.
Dieses Mal geht die Auszeichnung an die aus Siebenbürgen stammende Schriftstellerin Dagmar Dusil. Sie kann ein Jahr lang kostenlos in der Dichterklause am Pfarrhof von Katzendorf leben, Erfahrungen sammeln und darüber schreiben. Der Literaturpreis Dorfschreiber von Katzendorf wird vom Freundeskreis FELICIA, dem Rumänischen Schriftstellerverband Kronstadt/Braşov, vom EXIL PEN und vom Bürgermeisteramt Katzendorf verliehen. Die Laudatio hält Dr. Michaela Nowotnick von der Humboldt-Universität zu Berlin. Frieder Schuller übersetzt sie ins Rumänische und fügt einige zusätzliche Bemerkungen dazu. Der neuen Dorfschreiberin wurde feierlich die traditionelle Gips-Skulptur überreicht, die eine Katze mit einer Feder darstellt.
Dagmar Dusil ist in Hermannstadt geboren und aufgewachsen. Sie studierte Anglistik und Germanistik an der Babes-Bolyai-Universität in Klausenburg und war danach als Englischlehrerin tätig bis zu ihrer Ausreise 1985 nach Deutschland. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Übersetzerin in Bamberg. Sie ist Mitglied der GEDOK Franken, der internationalen Autorenvereinigung „Die KOGGE“, der Künstlergilde Esslingen und des Exil-Pen-Clubs. Ihre Werke erzählen oft von Siebenbürgen.
Ihre Dorfschreiber-Vorgänger von Dusil sind die Schriftsteller Elmar Schenkel, Jürgen Israel, Carmen Francesca Banciu und Tanja Dückers. Schenkel und Israel haben schon Bücher über ihre Zeit in Siebenbürgen veröffentlicht: „Mein Jahr hinter den Wäldern“ und „Katzendorfer Tagebuch“. Auch Dagmar Dusil wird über das kleine Dorf in der Nähe von Reps schreiben. Nach der Preisverleihung las sie aus dem Roman vor, an dem sie gerade arbeitet. Ein wichtiger Teil davon wird in Katzendorf spielen. Die malerische Umgebung wird die Schriftstellerin sicher inspirieren.