In Elise Wilks Theaterstücken geht es um einfache Leute – aber ob sie auch „normal“ sind?! Die Studentin, der Alte, der Arbeitslose, die Sekretärin, die Verkäuferin, der Taxifahrer – jede dieser Personen spricht ihren Monolog und scheint dabei in einer verlorenen Welt vollkommen einsam zu sein. Das Stück „Es geschah an einem Donnerstag“ gewann 2008 den Wettbewerb „dramAcum” in Bukarest. Es folgten eine szenische Lesung in der Hauptstadt und, im Sommer 2010, die Uraufführung im „Ariel“-Theater Neumarkt.
In einer kleinen Provinzstadt mit vielen Arbeitslosen spielt die Handlung des Stückes „Die mittlere Lebenserwartung der Waschmaschinen“. Vater, Mutter und Tochter treffen sich im spannungsgeladenen Wohnzimmer, an der Grenze zwischen entfremdet und geistesgestört, zwischen Alltag und Hirnwäsche. Die Premiere, inszeniert von Eugen Făt, fand im Herbst 2010 in Petroşani statt.
Die Autorin ist eine junge Kronstädterin, die bereits als Schülerin des Honterus-Lyzeums in der Zeitschrift „Astra“ debütierte. „Die erste unmittelbare Begegnung mit dem Theater hatte ich etwa in der zehnten Klasse“, erinnert sich Elise Wilk. „Damals war ich Mitglied der Schülertheatergruppe von Frau Ada Teutsch. Wir wollten mein erstes Stück aufführen, aber letztendlich konnten wir uns nicht koordinieren. Später sah ich es von einer anderen Theatergruppe gespielt – und es gefiel mir gar nicht mehr.“
Während des Journalismus-Studiums in Klausenburg schrieb Elise Wilk nur noch sehr selten Theaterstücke. Erst mit der Rückkehr nach Kronstadt und der Master-Spezialisierung „Literatur und Kommunikation/Kreatives Schreiben“ fand sie den Weg zu einem persönlicheren Schreibstil und zu neuen Themen.
Die Bühne gehört jedoch „nur“ zur Freizeit der jungen Autorin. Hauptberuflich hat Elise fünfeinhalb Jahre lang als Redakteurin für die Tageszeitung „Transilvania Expres“ und als Kronstadt-Korrespondentin für „România liberă“ gearbeitet. Das Ressort „Reportagen und Investigativer Journalismus“ fand sie besonders spannend, doch durch die Wirtschaftskrise wurden ihre Arbeitsbedingungen nach und nach schwieriger, bis letztendlich das Departement aufgelöst wurde.
Seit Februar 2010 ist Elise Wilk Kulturreferentin im Kronstädter Deutschen Kulturzentrum, wo sie Erfahrung im Projektmanagement sammelt: „Es ist eine ganz andere Arbeit, aber ich kann nicht sagen, welche von beiden mir besser gefällt. Merkwürdig ist nur eins: Als investigative Journalistin war ich sehr daran gewöhnt, dass manche Leute um keinen Preis mit mir sprechen wollen und dass sehr viele Türen zugehen, wenn man unbequeme Fragen stellen will. Ich habe immer gedacht, in der Kultur sind die Leute anders. Leider entdecke ich oft das Gegenteil und stoße auch hier auf verschlossene Türen. Vielleicht liegt es an den finanziellen Problemen, vielleicht am mangelnden Interesse.“
2010 begann Elise ein neues Masterstudium für Szenisches Schreiben. Es geht dabei um ein EU-Projekt an der Theaterhochschule in Neumarkt, unter Beteiligung der Unis aus Hermannstadt und Klausenburg. Zwölf Studenten-Teams, sowohl Schauspieler und Regisseure, als auch Dramatiker, Bühnenbildner und Manager, lernen im Rahmen von Workshops, vor allem aber durch viel Praxis, wie eine „echte“ Theatergesellschaft funktioniert.
Elise Wilk hat unlängst für ihr Team ein neues Bühnenwerk geschrieben – den Titel will sie allerdings noch nicht verraten. Die Premiere soll Mitte März im Rahmen eines Festivals in Neumarkt stattfinden. Kritiker und Profis sind als Jury eingeladen und bewerten alle zwölf Aufführungen und somit die Arbeit der Studenten-Teams.
Die besten drei werden ins Programm des Theaterfestivals Hermannstadt aufgenommen, doch abgesehen vom Ergebnis, haben alle eine gute Chance. „Das Schöne am Projekt ist, dass wir weiterhin als Team zusammenarbeiten können. Wir können unser Stück verschiedenen Theatern oder Festivals anbieten. Ich hoffe, dass alles gut laufen wird. Ich bin zuversichtlich, denn das Team hat Spaß an der Arbeit und Regie führt Rareş Budileanu, mit dem ich auch für ‘Es geschah an einem Donnerstag’ kollaboriert habe“, sagt Elise.
Inspirationsquellen für ihre Theaterstücke findet die Kronstädterin immer wieder in ihrer direkten Umgebung und in den Schlagzeilen: „Die Tätigkeit bei der Zeitung hat mir enorm geholfen, denn ich habe viele bizarre Leute kennengelernt. Als Schriftsteller muss man gerade diese Wirklichkeit gut kennen und auch wissen, wie die Menschen ticken. Der Kern für ‘Die mittlere Lebenserwartung der Waschmaschinen’ ist eigentlich ein realer Fall. Ich hatte in einer Zeitung eine unglaubliche Nachricht gelesen: Ein Mann aus Jassy, der ein sehr großer Madonna-Fan war, hat seine Familie verlassen, um Madonna in der weiten Welt zu suchen – so hatte er jedenfalls auf einen Zettel geschrieben.“
Die junge Autorin hat noch vieles vor: Von der Uni hat sie ein Erasmus-Stipendium bekommen, sodass sie nächste Woche im Berliner „Theater 89“ eine dreimonatige Hospitation beginnt. Regieassistenz, Dramaturgie, das Verfolgen der Proben aus nächster Nähe bis zur Premiere – das alles wird zu ihren Aufgaben gehören. Im Frühjahr kommt sie für fünf Wochen nach Neumarkt, um die Uraufführung ihres neuen Theaterstücks vorzubereiten, danach soll die Masterarbeit fertig geschrieben werden.
Von Elise Wilk werden wir bald hören: Im Juni soll „Die mittlere Lebenserwartung der Waschmaschinen“ von Radio Neumarkt als Hörstück ausgestrahlt werden.