„Baukunst ist nicht ‘nur’ eine optionale kulturelle Nische, sondern von großer Wichtigkeit, denn letztendlich verbringen wir unseren Alltag in ihren Produkten. Deshalb sollte sich die gesamte Gesellschaft, die der Endkunde der Architektur ist, viel mehr implizieren, mehr konstruktive Kritik ausüben, mehr mitreden.“ Dafür, unter anderem, setzt sich der junge Architekt Johannes Bertleff ein, der seit 2010 Vizevorsitzender der Rumänischen Architektenkammer (Ordinul Arhitecților din România) auf nationaler Ebene und in der Filiale Kronstadt-Covasna-Harghita ist. Er ist fest davon überzeugt, dass die Kenntnisse im Bereich der architektonischen Kultur genauso zur Allgemeinbildung gehören sollten, wie die Musik oder die Literatur. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass Bildung ein sehr langsamer Prozess ist.
Am besten also gleich damit beginnen: Zu den jüngsten Projekten der Architektenkammer gehört die Zusammenarbeit mit Lyzeen in Kronstadt und Sanktgeorgen. Die Filiale hat für die Schüler Stunden organisiert, in denen anerkannte Architekten eine Einführung in verschiedene Fachthemen bieten. Wichtig dabei ist, dass der Unterricht nicht trocken verläuft, sondern neugierig macht und Bewusstsein aufbaut. Landesweit gibt es den Ansatz, schon für Vorschulkinder Workshops zu veranstalten (z. B. „Kinder bauen eine Stadt“) und sich an die Gesellschaft auf allen Altersebenen zu wenden, sei es mit Ausstellungen von preisgekrönten Projekten, mit Architektur-Events, mit Konferenzen und Podiumsdiskussionen.
Die Bewusstseinsbildung ist nicht nur in Hinsicht auf die neue Architektur von dringender Notwendigkeit, sondern ebenso auf dem Gebiet des Patrimoniums. „Schon wie sich die Besitzer verhalten, wie sie das Patrimonium einordnen, ob sie es schätzen oder nicht, ist sehr wichtig für das Überleben oder das Weiterentwickeln dieser Bauten“, sagt Johannes Bertleff. „Ohne die Verantwortung der Architekten vermindern zu wollen, muss man sagen, dass diese nicht allein arbeiten, sondern auf Bauherren, Baufirmen oder Institutionen, die Genehmigungen aushändigen, angewiesen sind. Die Architekten können so gut wie nichts bewirken, wenn der Rest der Welt nicht mitmacht.“ Es gilt also, die Mentalität von passiv auf aktiv umzustellen – keine einfache Aufgabe. Doch wenn nicht dringend in diese Richtung gearbeitet wird, „geschieht das, was in Rumänien in den letzten zwanzig Jahren geschehen ist: Die Architektur hat gewuchert, jetzt sucht man eventuell die Verantwortlichen. Dabei haben wir eine größere Dichte an Baudenkmälern, als beispielsweise Frankreich. Auch mit Regelungen sind wir bestens ausgerüstet – ob sie funktionieren, das ist eine andere Frage. Verantwortlich sind wir letztendlich alle.“
Johannes Bertleff führt seit 2007 gemeinsam mit dem Architekten Dragoș Oprea das Büro „Exhibit Arhitectura SRL“ (www.exhibit.ro). Er ist Absolvent des Honterus-Lyzeums Kronstadt sowie der Fakultät für Architektur und Stadtplanung „Ion Mincu“ Bukarest (2001) und hat den Start in den Beruf im Architekturbüro STARH in Bukarest sowie als Uni-Assistent gemacht. Auslandsaufenthalte hatte er schon als Student in Regensburg, als Unterrichtender in Barcelona, sowie durch zahlreiche Aufträge in europäischen Städten. Trotzdem hat er sich bisher für eine berufliche Laufbahn in Rumänien entschieden: „Dort ist alles geregelt und funktioniert in bester Ordnung; meine Aufgabe wäre, mich einzugliedern und das zu leisten, was auch die anderen leisten, auf genau so gutem oder besserem Niveau. Hier ist Neuland, man kann etwas bewirken, man hat das Gefühl, dass man etwas tut, was wichtig ist. Sicherlich besteht das Risiko, dass man hier nach vielen Jahren merkt, es war eine Illusion. Aber einfach in einem Büro zu arbeiten, das wäre für mich zu wenig.“
Das Architekturbüro „Exhibit“ verfügt bereits über ein bemerkenswertes Portfolio, auch wenn „Architekten erst ab 40 zählen“, wie Johannes Bertleff lächelnd erklärt. „In diesem Beruf gibt es keine Wunderkinder, es gilt, Erfahrung zu sammeln und ‘Erwachsen’ zu werden.“ Er selbst ist 35, sein Partner Dragoș Oprea 36, doch sie haben bereits den Verwaltungssitz der Honterusgemeinde am Marktplatz Nr. 17 („Blaues Haus“) von Grund auf restauriert, das Hotel „Cubix“ gebaut, Inneneinrichtungen für die Buchhandlungskette „Humanitas“ landesweit vorgenommen – und für all diese Projekte Preise erhalten. Hinzu kommen Privatwohnungsbau, Messestände, Firmengebäude. Auch mit Restaurierungsarbeiten geht es weiter, obwohl das nur ein Bruchteil der Tätigkeit darstellt. Zurzeit sind das Haus Nummer 16 am Marktplatz und der Honterus-Hof in Arbeit. Hinzu kommen Projekte, mit denen sich das Büro an Wettbewerben beteiligt. Johannes Bertleff selbst plädiert für diese Art der Vergabe der Architekturverträge, anstelle von öffentlichen Ausschreibungen: „Bei den Ausschreibungen zählt der kleinste Preis, Wettbewerbe hingegen garantieren in erster Linie die Qualität.“