Zur Wirtschaft
Über 80 Prozent der Siedler waren in der Landwirtschaft tätig. Nur 14 Prozent übten ein Handwerk aus. Trotz der günstigen Bodenverhältnisse führte der, wie eingangs erwähnt, große Geburtenüberschuss dazu, dass die in der Region übliche Realteilung eine zunehmende Verarmung generierte. So war die Anzahl der Geburten um das Dreieinhalbfache höher als die der Todesfälle. Über solche Entwicklungen würde man sich heute in Europa sicherlich sehr freuen.Die immer kleiner werdenden Flächen konnten ihre Besitzer nicht mehr ernähren, was ein wachsendes soziales Problem darstellte und soweit führte dass bereits 40 Prozent der Bauern im Umsiedlungsjahr 1940 landlos waren. Sie lebten als Tagelöhner und blieben im Winter meist ohne Arbeit und Einkommen.
Nach 1878 , als die Dobrudscha an das Königreich Rumänien angeschlossen wurde, etablierten sich gesetzliche Regelungen, und eine staatliche Verwaltungsstruktur entstand. Das geschah aber nicht zum primären Vorteil der deutschen Siedler, da diese nicht rumänische Staatsbürger waren, und somit nicht rechtmäßig Land erwerben konnten. Die meisten waren in Besitz von ca. 5 ha Land, Großgrundbesitzer von über 50 ha äußerst selten. Handwerksbetriebe waren noch rar. Einige Ziegeleien, Schmiede, Sattler und 23 Mühlenbesitzer sind bekannt. Viehzucht diente fast nur zum Eigenbedarf. Nur in Stadtnähe (Konstanza und Tulcea) konnten Milchprodukte in größeren Mengen abgesetzt werden. Erwähnung verdient die Gründung der ersten Bierbrauerei der Gebrüder Gruber 1887, oder der auch heutzutage international bekannte Weinbaubetrieb von Murfatlar. Eine typische Struktur für ein Wirtschaftsleben (Banken, Genossenschaften, Rechtsformen u.a.) fehlten gänzlich.
Das Schulwesen
In den meisten Ortschaften des Herkunftsgebietes (Zarenreiches) gab es auf eigene Kosten funktionierende Schulen. Dieses Modell versuchten die Siedler auch in der Dobrudscha weiterzuführen. Das scheiterte, leider auch wie heute, unter anderem an ausgebildeten, bezahlbaren Lehrkräften. So musste auch in diesem Bereich zu Eigenhilfe gegriffen werden, der Lehrer kam aus den eigenen Reihen der Landwirte. Oft vergingen Jahre bis ein Pfarrer und Lehrer eingestellt werden konnte, die dann auch als Beamte fungierten und Gemeindelisten, sowie standesamtliche Aufzeichnungen tätigten. Oft konnte die Entlohnung nur in Naturalien vergütet werden, was die Attraktivität noch weiter minderte. Aber doch fanden manche Lehrer aus Siebenbürgen, Deutschland, der Schweiz ihren Weg in diese entlegenen Region, um zumindest punktuell die fehlende intellektuelle Schicht zu ersetzen.
Eine funktionierende Privatschule gab es von 1892 - 1944 nur in Konstanza. Ab Beginn der 1880er Jahre, wurden rumänische Staatslehrer eingesetzt, die aber der deutschen Sprache nicht mächtig waren, und so wurde rumänisch unterrichtet. Aus Opposition zu diesen widrigen Bedingungen versuchten manche Gemeinden selbst einen privaten deutschen Lehrer zu finanzieren. Es kann festgestellt werden, wie es auch in der rumänischen Geschichtsschreibung dokumentiert ist, dass “die Regierung Rumäniens die Frage des muttersprachlichen Unterrichtes für die Dobrudschadeutschen nicht gelöst hat“.
Man muss die Schulen als Jahrzehnte langen Notlösung ansehen, die keinerlei Unterstützung, auch aus Deutschland nicht, erfahren hat. Erwachsenenbildung war völlig unbekannt.
Der Erste Weltkrieg
Die Dobrudschadeutschen verhielten sich loyal dem rumänischen Staat gegenüber, viele dienten in der rumänischen Armee. Davon zeugen die auch heute in erstaunlich gutem Zustand befindlichen Soldatendenkmäler. Übergriffe gab es freilich. Rund 200 Menschen wurden von den rumänischen Behörden interniert, da sie als „verdächtig“ galten. So wurde auch der deutsche Pfarrer aus Malkotsch „als Geisel verschleppt“. Auch gab es Repressionsmaßnahmen, die deutsche Sprache wurde verboten, die deutsche Schule in Konstanza unter rumänische Aufsicht gestellt. Der deutsche Gemeindebesitz wurde konfisziert, da er als reichsdeutsches Eigentum angesehen wurde. Die Internierung der vor Ort lebenden deutschen und österreichischen Staatsbürger - nun Kriegsgegner -, führte zum jähen Ende des deutschen Gemeindelebens. Interessant ist auch die Tatsache, dass nach Besetzung der Dobrudscha durch deutsche, bulgarische und türkische Truppen reichsdeutsche Feldgeistliche und Soldaten begannen, Gottesdienst und Unterricht abzuhalten. Von 1916 - 1918 gab die deutsche Etappenverwaltung den „Dobrudschaboten“ heraus, die einzige deutsche Publikation der Region. Dürftig waren aber dennoch deutsche Zeitungen aus Bukarest, Arad und Siebenbürgen verbreitet.
Politisches Bewusstsein
Ein geprägtes politisches Bewusstsein und Leben entwickelte sich im Gegensatz zu Siebenbürgen relativ spät. Erst 1913 entstand der „Deutsch- rumänische Kolonistenverband“, welcher sich für die Interessen (wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Art) der Siedler bei den Behörden einsetzen wollte. 1918 wurde der „Verein der Deutschen aus der Dobrudscha“ gegründet, der auch völkische Interessen wahrnahm und sich mit Auswanderungsfragen aus-einandersetzte.
Schließlich gab es 1924 eine politische Vertretung der Dobrudschadeutschen, den „ Verband rumänischer Bürger deutscher Abstammung in der Dobrudscha“. Wenn es dem Verband auch nicht gelang, Vertreter in das rumänische Parlament zu senden, auch nicht auf Listen anderer Parteien, so setzte er sich nicht ganz erfolglos beispielsweise für die Zuteilung von 10 ha Land je Kirchengemeinde, die Anstellung deutscher Lehrer, oder die Errichtung von Schulgebäuden ein. Dem Verband der Deutschen schloss er sich 1931 an. Im Jahr 1938 wurde die Einheit der Deutschen in Rumänien auf braunen Druck Berlins hergestellt, was die Gleichschaltung der Deutschen Volksgruppe einleitete.
Die Umsiedlung
Seit Ende des Ersten Weltkrieges wurde versucht, mit Deutschland engere Kontakte über ethnische und ökonomische Interessen zu knüpfen. Die Vorstellung einer planmäßigen Rückführung verstärkte sich gegen Ende der 1930er Jahre, und kreiste um die Überlebensfähigkeit dieser ethnischen Gruppe. Da auch viele Familien von einem Existenzende bedroht waren, wurde vorgeschlagen 300 - 400 ärmere Familien ins Deutsche Reich umzusiedeln. Landesobmann Fritz Fabritius war mit dem Vorschlag einverstanden, und so kamen im Rahmen der“Vorumsiedlung“ ca. 1700 Dobrudschadeutsche in das Deutsche Reich. Die äußerst positive Berichterstattung der rumänischen Medien und Propaganda über das Deutsche Reich verstärkte diese Auswanderungstendenzen, die sich, wie von einem deutschen Konsularbeamten geschildert zu einer Auswanderungspsychose steigerten. Die Dobrudschadeutschen wurden als „nicht haltbarer Splitter“ eingestuft, der Überlebensfähigkeit dieser Ethnie in dieser Region wurden keine Chancen bescheinigt. Die, wenn man es so sagen darf, rechtskräftige Entscheidung wurde aber in Berlin getroffen. Die rumänische Regierung verhielt sich recht vorsichtig, kam aber der deutschen Seite in hohem Maße entgegen. Und jetzt kann man das Problem der Aktion „Heim ins Reich“ auch in einem größeren Zusammenhang der damaligen nationalsozialistischen Politik interpretieren.
Ortwin Hellmann