Exquisite Autorenfilme, die im Mai dieses Jahres bei den Filmfestspielen in Cannes preisgekrönt oder nominiert und in den rumänischen Kinos noch nicht vertrieben wurden, haben viele Kronstädter Filmliebhaber eine Woche lang beglückt. In teils vollen Sälen konnten die Leinwandgeschichten im Rahmen der ersten Auflage des Filmfestivals „Les Films de Cannes à Braşov“, zwischen dem 13. und dem 19. Oktober, gesehen werden. Diskussionen des Publikums mit in- und ausländischen Ehrengästen aus der Filmindustrie haben die Welt des Kinos für jedermann näher gebracht und der Zinnenstadt den Hauch einer Filmstadt verliehen.
Manchmal ungemütlich, schwer „verdaulich“, zum Denken auffordernd oder provozierend, eine persönliche Meinung darstellend- das sind Autorenfilme. Meist sind sie auf Filmfestivals zu sehen, oder in Kinematheken, nicht etwa in der Mall, wo die meisten Kinos existieren. Arthouse-Kinos, die Autorenfilme ausstrahlen, gibt es kaum im Land, sodass es für Filmliebhaber schwierig ist, an diese Filme zu kommen. Seit acht Jahren bietet das Festival „Les Films de Cannes a Bucharest“ dem Bukarester Publikum eine hervorragende Selektion der neusten Produktionen, die in Cannes von der Jury ausgezeichnet wurden. Im Laufe der Jahre erreichte das Festival auch Städte wie Jassy, Klausenburg, Temeswar, Hermannstadt, Arad oder Suceava. Zum ersten Mal fand das Festival heuer in Kronstadt statt, wo 13 „äußerst unterschiedliche Filme einen Gesamtblick der Filme aus Cannes bieten“, wie Filmkritikerin Irina Margareta Nistor erklärt.
Zahlreiche Zuschauer drängten sich am ersten Festivaltag, um den Gewinner der Goldenen Palme zu sehen, die schwedische Gesellschaftssatire „The Square“ in der Regie von Ruben Östlund. Gut besucht war auch der Thriller „You Were Never Really Here“, der für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde und über den die schottische Regisseurin Lynne Ramsay mit dem Publikum eine lange Diskussion führte. Der italienische Regisseur Antonio Piazza antwortete den Zuschauern auf ihre Fragen bezüglich seines Fantasyfilms „Sicilian Ghost Story“, der diesjährige Eröffnungsfilm der International Critics‘ Week beim Filmfestival in Cannes.
Es sei sehr wichtig, dem Publikum den Zugang zu Autorenfilmen zu ermöglichen, es sei eine elegante Erziehungsform, sagt die Filmkritikerin Nistor, welche die Frage-Antworten-Runden der Ehrengäste in Kronstadt moderiert hat. „Jedes Jahr steigt die Anzahl der Zuschauer, die zu Filmfestivals kommen und wir verdanken es den Festivals, dass die Menschen ins Kino gehen. Die Leidenschaft für das Kino ist eine Krankheit. Und sie ist ansteckend.“
„Der Film verschönert das Leben”
„Wenn man einen Film schaut, kann man in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen, für kurze Zeit mehrere Leben führen, was anderswie schwer möglich ist“ sagt Filmkritikerin Nistor. Sie unterstützt die Initiative, Filmfestivals und Film-Karawanen zu organisieren, weil der Film das Leben verschönere. Überall seien Filmvorführungen willkommen, in der Stadt, wie am Land. Dabei sei die Anwesenheit der Filmschaffenden, seien es Regisseure, Schauspieler, Filmeditoren, Tontechniker, Produzenten eine Form von Respekt gegenüber den Zuschauern. Bei Publikumsgesprächen können sich Filmliebhaber zum Film äußern, Fragen stellen und einen Blick in die Kulissen des Filmemachens werfen. Gleichzeitig erfahren die Gäste, wie ihr Werk aufgenommen wurde in den verschiedenen Ortschaften.
In Kronstadt ging die Frage-Antworten-Runde mit Regisseurin Lynne Ramsay über anderthalb Stunden. Die in Cannes für das beste Drehbuch für den Film „You Were Never Really Here“ ausgezeichnete Künstlerin wurde über ihren Thriller und die Zusammenarbeit mit dem berühmten Schauspieler Joaquin Phoenix ausgefragt, der für seine Rolle als Killer als bester Darsteller ausgezeichnet wurde.
Die anderen beiden Ehrengäste, Regisseur Antonio Piazza und Schauspieler Valeriu Andriuţă („A Gentle Creature“, Regie Sergei Loznitsa und „Chers Amis“, Regie Valeriu Andriuţă) konnten ebenfalls einen tiefen Blick in die Welt ihrer Filme bieten, mit Details, die anderswie nicht ans Publikum gekommen wären. Ein komplexes Gespräch über die Chance der Autorenfilme im Vergleich zu Hollywood-Produktionen, sowie Hintergrundinformationen zu den beiden Filmen, die er vertrat, gab Valeriu Andriuţă gerne.
Wichtige Errungenschaften
Eine Premiere im Rahmen des „Les Films de Cannes” war, dass in Jassy/Iaşi am 20. Oktober das Kino „Ateneu“ eröffnet wurde und ein Film aus Cannes das erste wieder funktionsfähige staatliche Kino nach 1990 eingeweiht hat. Hochmoderne Ausrüstung soll unter besten technischen Bedingungen hauptsächlich rumänische und europäische Filme ausstrahlen, wobei auch die Möglichkeit besteht 3D-Filme zu zeigen. Die Sanierung und Modernisierung des Kinos wurde vom Bürgermeisteramt finanziert. Es sei ein Verdienst der Filmfestivals, glaubt Irina Nistor, dass staatliche Institutionen angespornt werden Kinos wieder funktionsfähig zu machen. Dabei sei ein Ausgleich zwischen Arthouse-Kino, das meist europäische Autorenfilme zeigt und Mall-Kino, das amerikanische, kommerzielle Filme ausstrahlt, notwendig.
„Les Films de Cannes à Bucarest“ wurde im Jahr 2010 vom Regisseur Cristian Mungiu mit Unterstützung des Generalabgeordneten der Filmfestspiele aus Cannes, Thierry Fremaux, ins Leben gerufen. Für den wertvollen Beitrag zur Förderung des französischen Films in der ganzen Welt durch die rumänisch-französischen Koproduktionen wurde Cristian Mungiu vergangene Woche mit dem Ritterorden der Ehrenlegion ausgezeichnet. Michele Ramis, Frankreichs Botschafterin in Bukarest, überreichte dem Filmemacher den Ehrenorden anlässlich des Festivals.
„Les Films de Cannes à Bucarest“, wurde mit der Zeit eines der bedeutendsten kulturellen Veranstaltungen des Landes und brachte im Vorjahr mehr als 25.000 Zuschauer in Bukarester Kinosäle, um rund 100 Filme zu sehen und an Diskussionen mit den Filmteams teilzunehmen. Heuer stieg die Zahl der Zuschauer, sowie der Ehrengäste, die von der „Promenade de la Croisette“ aus Cannes, ihre Filme nun nach Rumänien begleiten. Gestiegen ist auch die Anzahl der Städte, wo das Festival stattfindet, von 4 auf 8 Städte: Bukarest, Klausenburg, Hermannstadt, Temeswar, Jassy, Arad, Suceava und Kronstadt. Die erste Auflage des „Les Films de Cannes à Braşov“ wird vom Verein Cinemascop organisiert, vom Kulturminsterium und dem Nationalen Filmzentrum (CNC) finanziert und vom Kronstädter Kreisrat mitfinanziert.