Noch hat die große Flüchtlingswelle Rumänien nicht erreicht, heißt es oft in den hiesigen Medien. Das klingt im Unterton bedrohlich, denn von Fremden „überrannt“ zu werden ruft Ängste hervor, provoziert Abwehr und Unsicherheit.
Die meisten der Flüchtlinge( z. Z. wird ihre Zahl auf rund 4600 geschätzt, Tendenz steigend) die hauptsächlich aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan kommen, wollen gar nicht in unserem Land bleiben, sondern nach Westeuropa gelangen. Aber das Thema „Flüchtlinge“ ist da und sollte nicht verschwiegen werden.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), Erika Klemm, sprach über „Flüchtlinge in Rumänien – unser Beitrag“ in einem Vortrag, der im Rahmen der deutschen Vortragsreihe des Kronstädter Deutschen Forums am Mittwoch, dem 21. März stattfand, wobei die EKR und die Honterusgemeinde Kronstadt als Partner mitwirkten.
Erika Klemm stellte die rumänische Gesetzgebung betreffend Flüchtlinge vor sowie die Tätigkeit der zuständigen rumänischen Behörden von der Aufnahme, Registrierung bis zu den Bemühungen, die als Flüchtlinge Anerkannten in die rumänische Gesellschaft zu integrieren. Die Flüchtlinge werden bekanntlich zur Zeit in sechs staatlichen Zentren (Bukarest, Temeswar, Giurgiu, Rădăuți, Șomcuta Mare, Galați) untergebracht, wobei ihnen eine monatliche Unterstützung in Höhe von 540 Lei pro Person zusteht. Allerdings wird davon eine Miete abgezogen, die im Sommer 150 Lei und in Wintermonaten 240 Lei beträgt. Hinzu kommen noch einige kleinere Heime für Flüchtlinge, die von zwei nichtstaatlichen Organisationen Aidrom (zu deren Mitgliedern auch die EKR gehört) und Jesuit Refugee Service Rumänien (JRS) eingerichtet werden. Über Flüchtlinge wird in den rumänischen Medien nicht immer objektiv berichtet. Mal heißt es, dass sie hohe Summen in Euro erhalten, mal werden sie undifferenziert Kriminellen gleichgestellt. Noch ist die Bevölkerung nicht genügend über dieses Thema von den Behörden informiert; es wird auch kaum hervorgehoben, dass diese Personen bei gelungener Integration durchaus als eine Bereicherung für die rumänische Gesellschaft gelten können.
Von großem Interesse war, was die EKR in der Flüchtlingshilfe konkret unternimmt. In diesem Sinne erwähnte Frau Klemm Hilfsaktionen in Form von Kleidertransporten, Zubereitung von Päckchen mit Wegzehrung, Hygieneartikel als Soforthilfe bei der Flüchtlingsaufnahme, Spendenkampagnen wie z. B. „Weihnachten im Schuhkarton“. Der Vorschlag, für Flüchtlinge einen Teil der leerstehenden Häuser in den ehemals sächsischen Dörfern zur Verfügung zu stellen, sprach die Flüchtlingsbeauftragte auch an. Er sei gut gemeint, aber nicht sehr effizient, wenn man bedenke, dass Gebäude als Unterkunftsmöglichkeit kaum die Hälfte der erforderlichen Hilfeleistungen darstellen. Wenn diese Häuser auch in abgelegenen Ortschaften stehen, ist die Integrierung schwieriger, wie auch die Suche nach einem Arbeitsplatz, die nicht zu umgehenden Behördengänge, das Erlernen der Landessprache, die gesundheitliche Betreuung usw.
Als Christen sei es wichtig, sich nicht nur um das Schicksal dieser Leute ohne Heimat zu interessieren, sondern für sie auch zu beten. Besonders gelungen bezeichnete Erika Klemm die Initiative, die Ausstellung „Ich bin ein Fremder – Fremde in der Bibel“ in der Schwarzen Kirche zu zeigen. Die Nachbarschaft zur Honterusschule hatte das rege Interesse der nicht wenigen Schulklassen für die Ausstellung zur Folge. So setzten sich Schüler, wie auch Touristen, mit Fragen wie Fremd sein, Heimatverlust, Mitgefühl und Solidarität auseinander. Augen und Herzen könnten sich so für notleidende Mitmenschen öffnen. Die Ausstellung, die erklärende Texte in Rumänisch, Englisch und Deutsch hat, sowie auch in Ungarisch für die Gebiete in denen diese Sprache mehrheitlich gesprochen wird, soll auch an anderen Orten gezeigt werden, demnächst in Hermannstadt.
Eine weitere begrüßenswerte Initiative der EKR ist, gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen, einen Gebetssonntag für Flüchtlinge auszurufen, wo zu dieser Bevölkerungsgruppe auch Rumänen hinzukommen, die als Fremde im Ausland leben und arbeiten.
Dem Vortrag folgte eine lebhafte Gesprächsrunde. Abschließend überreichte Stadtpfarrer Christian Plajer Frau Klemm einen schönen Blumenstrauß, dankte ihr und beglückwünschte sie für ihre Arbeit, Ausstellung und Vortrag die, entgegen einigen ersten Befürchtungen, auf den verdienten Anklang in der Honterusschule und -gemeinde gestoßen sind.