Der siebenbürgisch-sächsische Lehrerverein, der „Lehrertag“, wurde nach einigen Vorläufern 1870 von Franz Obert mit dem Ziel gegründet, die Schule und ihre Lehrer zu fördern. Er verband Lehrerfortbildung, Schulpolitik und Vertretung von Standesinteressen. „Lehrertag“ hieß zugleich die Hauptversammlung der Lehrer sämtlicher Bezirke.
Der erste Lehrertag fand 1871 in Hermannstadt statt, die folgenden je nach Möglichkeit in jedem zweiten Jahr, ab 1922 war dies der Regelfall. Durch Vorträge, Diskussionen und die Erörterung von Standesproblemen wurde der Lehrertag „zum Brennpunkt des gesamten Schul- und Standeslebens“, „zum Brennpunkt ..., von dem alle Neuerungen auf dem Gebiet des Erziehungs- und Unterrichtswesens ausgingen“.
Die Gründung und Entwicklung des Lehrertags ist vor allem Franz Obert (1828-1908) zu danken, der sich dem Erbe Stephan Ludwig Roths verpflichtet fühlte: dem „großen Gedanken wahrer Volksbildung“, der Idee der „allgemeinen erzieherisch-bildnerischen Emporhebung des gesamten Volkslebens“.
Die Intentionen und Initiativen Franz Oberts
1866 gelang es Franz Obert, den „Lieblingsgedanken“ Stephan Ludwig Roths zu verwirklichen, indem er mit dem „Schul- und Kirchenboten“ eine lebendige Zeitschrift gründete, die er selber 23 Jahre lang leitete und die bis 1919 als Monatsschrift erschien. 1920 wurde sie von „Schule und Leben“ abgelöst. Sie war „Sprachorgan“ und Diskussionsforum für die pädagogischen Fragen der Zeit, für Schulprobleme und für Standesfragen der Lehrerschaft.
Von Stephan Ludwig Roth übernahm Obert die Überzeugung, dass mit der Aus- und Fortbildung der Lehrer beginnen müsse, wer die Qualität der Schule (besonders der Dorfschule) verbessern wolle. Schon in seiner ersten Stelle als Gymnasiallehrer in Mediasch machte Obert die „traurige Erfahrung“, dass viele Volksschullehrer, die vor der Zentralisierung der Ausbildung am Landeskirchenseminar in Hermannstadt an den Seminarklassen der einzelnen Gymnasien, die nur „Anhängsel“ dieser Schulen waren, ungenügend vorbereitet worden waren.
Er schrieb: „Der krankhafte Zustand unserer Dorfschulen findet darin seinen vorzüglichsten Krankheitsstoff, dass die Schullehrer, als die Seele der Schulen, nicht das sind, was sie sein sollten“.
Bei Stephan Ludwig Roth war zu lesen: „Die Bildung der Lehrer ist also die Hauptsache, sie ist die Bedingung aller Bedingungen! Ohne gute Lehrer gibt es keine guten Schulen. Wer daher gute Schulen haben will, der schaffe gute Lehrer herbei“. Wahrscheinlich hätten die Volksschullehrer damals ergänzt und würden die Lehrer heute in Rumänien hinzufügen: „Und sorge für gute Arbeitsbedingungen und vor allem für eine ausreichende Besoldung“.
Als Pfarrer in Wurmloch lud Obert 1869 Lehrer zu einem einwöchigen Fortbildungskurs nach Wurmloch ein. Es kamen 57 Lehrer aus acht Kirchenbezirken „und dazu etliche Professoren aus Mediasch“ – und alle waren begeistert. Im darauffolgenden Jahr wiederholte er das Angebot mit Vorträgen über grundsätzliche Fragen, über einzelne Fächer, mit „Unterrichtsproben“ und ausführlichen Besprechungen und einer würdigen Schlussfeier in der Kirche – mit großem Erfolg: Es kamen 70 Teilnehmer.
Zu gleicher Zeit entwarf Obert den Plan der „Begründung eines allgemeinen siebenbürgisch-sächsischen Schullehrervereins“ – kurzlebige Vorgänger hatte es schon mehrere gegeben. In einem Statutenentwurf von 1868 bezeichnete er als Zweck des Vereins, „durch Anregung und Fortbildung seiner Mitglieder die Hebung des Volksschulwesens zu fördern und die Interessen des Lehrerstandes nach allen Richtungen wahrzunehmen“.
Die zentrale Versammlung sollte alle zwei Jahre am Ort der Vereinstage stattfinden. Während der Sächsisch-Regener Vereinstage 1870 wurde ein diesbezüglicher Antrag zum Beschluss erhoben, zur Vorbereitung des ersten Lehrertags ein Ausschuss eingesetzt, an dessen Spitze Obert stand.
Die Gründung des Lehrertags
1871 fand dann der erste Lehrertag in Hermannstadt im Anschluss an die Vereinstage statt, „unter reger Beteiligung der Volksschullehrer, zu denen sich auch Mittelschulprofessoren und Pfarrer gesellten“. Obert wurde zum Vorsitzenden gewählt und sagte in seiner Eröffnungsansprache zu den Aufgaben des Lehrertags: „1. in den Lehrern das Bewusststein der Zusammengehörigkeit zu stärken und beizutragen, dass sie sich auf der Höhe der Mission halten, die ihnen unser Volk übertragen hat; 2. mitzuhelfen, dass das Volk die Schule schätzen lerne, und erkennen, dass tiefgehende Volksbildung nur ein anderer Ausdruck sei für Wohlstand, Freiheit, Macht und Ehre eines Volkes; 3. unseren Schulen beizustehen in der Aneignung der pädagogischen Ideen Deutschlands und der Schweiz“.
Damit war ein vielversprechender Anfang gemacht. Der Zweijahresrhythmus konnte erst ab 1923 eingehalten werden. Insgesamt fanden 23 Lehrertage statt, der letzte 1939 in Agnetheln.
Die Lehrertage waren immer sehr gut besucht. Die Grußadresse, die 1908 die in Schäßburg zum 11. Lehrertag versammelten Lehrer und Lehrerinnen ihrem verehrten Altvorsitzenden sandten, trägt 250 Unterschriften.
Die 1906 von Adele Zay gegründete „Freie Vereinigung der evangelisch-sächsischen Lehrerinnen“, der Lehrerinnen aller Schulstufen und Kindergärtnerinnen angehörten, hielt ihre Hauptversammlungen ebenfalls im Rahmen der Lehrertage ab. 1925 wurde sie in den Verband des Lehrertags als Lehrerinnengruppe aufgenommen.
Zu einigen Lehrertagen erschienen Festschriften, so 1927 zum 17. Lehrertag in Kronstadt der Band von Eduard Morres „Dr. Franz Obert. Sein Leben und Wirken“ und 1931 zum 19. Lehrertag in Heltau der Band von Hermann Rehner „Heltau. Eine Monographie“.
Struktur und mögliche Wirkung der Lehrertage
An zwei Beispielen soll im Folgenden die mögliche Wirkung des Lehrertags und dann die charakteristische Struktur der Lehrertage aufgezeigt werden.
Auf dem 4. Lehrertag 1886 in Kronstadt stand das Referat des späteren Direktors des Landeskirchenseminars und bedeutenden Gelehrten Josef Capesius über „Die hauptsächlichen Forderungen des erziehenden Unterrichts“ (der damals aktuellen Pädagogik der „Herbartianer“) im Mittelpunkt. Im Anschluss an das Referat und die Diskussion rief Obert emphatisch aus: „Heute hat die sächsische Lehrerschaft mit der didactica vulgaris, d.h. mit der alten Schulpädagogik gebrochen; heute hat die sächsische Lehrerschaft erklärt, sie wolle auf dem Boden wissenschaftlicher Pädagogik stehen“.
Das war natürlich übertrieben, aber die Bedeutung des Herbartianismus kann kaum überschätzt werden: zum einen in seiner Wirkung auf die Planung und Gliederung von Unterricht, unterstützt durch die Veröffentlichung von vorbildlichen Unterrichtsbeispielen aus allen Fächern im „Schul- und Kirchenboten“ und durch das Referat von Josef Capesius über „Methode, Methoden und Methodik“ auf dem folgenden Lehrertag 1889 in Birthälm – zum Zweiten in seiner Bedeutung für das Selbstbewusstsein der Lehrerschaft.
1887 wurde in Kronstadt eine „Herbart-Gesellschaft“ zum Studium der Originalwerke gegründet, die sich allerdings 1892 den bescheideneren Namen „Pädagogisches Kränzchen“ gab.
Für das Programm der Lehrertage hatte sich eine bestimmte Struktur herausgebildet, die hier am Beispiel des 17. Lehrertags in Kronstadt im Jahr 1927 kurz skizziert werden soll. Es war das Gedenkjahr zum 100. Todestag Pestalozzis und wurde vorab auch des 100. Geburtstags des Gründers des Lehrertags Franz Obert gedacht.
Die Veranstaltung begann mit Begrüßungsansprachen von Vertretern aus dem In- und Ausland und dem Verlesen von Grußadressen. Es folgte der Festvortrag von Prof. Dr. Eduard Spranger, einem der führenden deutschen Pädagogen, über Pestalozzi. (Spranger hatte kurz vorher auf der zentralen Pestalozzi-Feier in Zürich die Festrede zum Gedächtnis Pestalozzis gehalten).
Der Bericht über die Tätigkeit des Geschäftsführenden Ausschusses war ein Hauptteil des Programms und wurde ausführlich diskutiert – auch sehr kritisch. Aber die Diskussion der („düsteren“) Standesprobleme wurde von der Erörterung pädagogischer Fragen streng getrennt, die erfolgte sozusagen auf einer anderen Ebene.