Liebe Leserinnen und Leser,
wann waren Sie das letzte Mal einem Geheimnis auf der Spur oder wurden in Staunen versetzt über das, was Sie gesehen oder erlebt haben? Meine Kinder untersuchen immer wieder Geheimnisse. Sie spionieren verdächtigen Gestalten hinterher, betrachten einen Schmetterling ganz genau oder beobachten kleinste Lebewesen unter dem Mikroskop. Und sie sind ganz begeistert, wenn sie abends mit ihrem Vater durch das Teleskop schauen dürfen. Der Mond und auch die Planeten sehen wunderbar aus – und was man nicht alles erkennen kann!
„Warum ist das so, Papa? Weshalb hat der Mond diese Krater und der Schmetterling diese bunten Flügel?“ Ich staune dann über unsere Kinder und freue mich darüber, dass sie noch fragen und so vieles nicht für selbstverständlich nehmen. Und dann nehme ich mir immer wieder vor, mir das von ihnen abzuschauen: zu fragen und zu forschen. Denn die Welt ist schöner, wenn wir erkennen, wie zauberhaft, wunderbar und geheimnisvoll sie ist.
Was ist ein Geheimnis?
Meine Kinder sagten einmal: „Ein Geheimnis ist etwas Tolles, das die anderen nicht wissen dürfen.“ Das ist nicht falsch, aber unvollständig. Es gibt Geheimnisse, die geschützt werden müssen – und solche, die ein Rätsel sind, das uns fasziniert, weil wir es nie ganz verstehen können. Gott ist ein solches Geheimnis. Wir können Spuren seiner Liebe entdecken, aber ganz begreifen werden wir ihn erst, wenn wir ihm einst gegenüberstehen.
Die Weisen aus dem Morgenland waren Menschen, die Geheimnissen nachgingen. Sie forschten,beobachteten den Himmel und kannten die alten Schriften. Und sie machten sich auf den Weg – nicht zufrieden mit bloßen Gedanken, sondern bereit, der Wahrheit entgegenzugehen. Ihr Weg führte sie schließlich nicht in einen Palast, sondern zu einem einfachen Stall. Dort fanden sie den neugeborenen König, und sie spürten: Dieses Kind ist die Antwort auf ihr Suchen. Sie verstanden das Geheimnis nicht vollständig, aber sie erkannten, dass es wahr ist und dass Gott sie liebt. Um nun noch einmal auf die Erklärung meiner Kinder zurückzukommen, was ein „Geheimnis“ ist: „Ein Geheimnis ist etwas Tolles, das die anderen nicht wissen dürfen.“
Ja, das Geheimnis Gottes ist etwas Tolles. Aber nein – dieses Geheimnis ist nicht für einen kleinen auserwählten Kreis bestimmt. Die anderen werden davon nicht ausgeschlossen. Alle Menschen sollen erfahren, dass Gott sie liebt und dass sie nichts dafür tun müssen, um zu Gottes Familie zu gehören. Dieses Geheimnis ist zu wunderbar und zu groß, als dass wir es begreifen könnten. Aber wenn wir spüren, dass wir Gott so wichtig sind, dass er sich auf den Weg zu uns macht, dann wird es in unserem Herzen Weihnachten.
Wie können auch wir heute diesem Geheimnis von Weihnachten auf die Spur kommen? Wie kann es uns wieder neu faszinieren? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn Weihnachten und die Geschichte von der Geburt Jesu im Stall sind uns schon so vertraut.
Können wir es schaffen, einigermaßen ergebnisoffen loszugehen und das Neue und Faszinierende an Weihnachten zu suchen – so ähnlich wie die Weisen?
Vielleicht können unsere Kinder uns dabei helfen. Denn sie kennen sich im Umgang mit Geheimnissen schließlich besser aus als wir Erwachsenen.
Wenn ich meine Kinder beobachte, wie sie sich auf Weihnachten vorbereiten, dann stelle ich fest: sie suchen gar nicht so sehr. Sie sind sich einfach sicher, dass Weihnachten schön wird. Auch sie bereiten sich vor, aber sie fühlen sich nicht unter Druck. Sie rechnen damit, dass Weihnachten zu ihnen kommen wird – und nehmen es dann so, wie es kommt. Und in dieser Erwartung wird es ganz von selbst Weihnachten, und die Freude ist groß.
Der Umgang mit Geheimnissen braucht wohl beides: das Suchen und Losgehen, aber auch die Gelassenheit, dass das Geheimnis sich selbst offenbaren wird. Wir können nicht selbst machen, dass uns etwas fasziniert – es muss uns geschehen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie von Gottes wunderbarem Geheimnis an diesem Weihnachten wieder neu berührt werden. Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. (2. Kor 4,6)




