Auf dem Kronstädter Stadtplan von 1796, den der damalige Schlosskommandant Oberstleutnant Franz von Seethal anfertigen ließ , erscheint am westlichen oberen Ende der Blumenau – der östlichen Vorstadt von Kronstadt – neben dem „Catholischen Begräbnis“ - dem früheren Friedhof, heute neben dem Dramentheater gelegen, der im Jahre 1987 von den kommunistischen Behörden aufgelöst wurde, die „Evang. Ungrische Kirche“ mit dem dazugehörigen Friedhofsgelände.
Von dort führte nach Osten die „Schenkgasse“ bis zu einer inselartigen Anlage mit dem Erklärungstext „Evang. Sächsische Kirche“ mit dem dazugehörigen Friedhof und einem Gartengelände. Weiter ostwärts führte damals die „Brückgasse“ zu der Brücke über den heute unterirdisch verlaufenden Tömöschkanal, davor lag die im Jahre 1706 vom österreichischen Militär gegen die Kurutzen aufgeworfene Schanze, durch die es eine Ausfahrt aus der Stadt gab. Es ist die Gegend wo heute die Gaststätte „Ceasul rău“ steht, und wo am 1. Oktober 1600 die Kronstädter einen Angriff des Fürsten Michaels des Tapferen erfolgreich abwehrten.
Die „Brückgasse“ hieß im Volksmund auch „Seichesgasse“ vom früheren „Siechhof“, der sich auf dem Gelände der heutigen Blumenauer Kirche befand. Im Jahre 1887 wurden die veralteten Namen „Schenkgasse“ und „Seichesgasse“ vereinigt und mit dem neuen modernen Namen „Bahnstraße“ bezeichnet, weil dort der Weg zum 1873 errichteten alten Hauptbahnhof von Kronstadt führte. (Die Bahnstraße war die erste Verkehrsader in Kronstadt, die die Bezeichnung „Straße“ trug, bis dahin gab es in Kronstadt nur „Gassen“).
Unsere Geschichte beginnt chronologisch mit dem „Siechhof“, wo auf einem Gelände außerhalb der Stadt wegen der Ansteckungsgefahr die Leprakranken isoliert leben mussten, wie das auch in Schäßburg der Fall war, wo auch heute noch die „Siechhofkirche“ in der Nähe des Bahnhofs steht.
In Kronstadt ist die Anwesenheit von Leprakranken in den erhalten gebliebenen Urkunden seit dem Jahre 1413 nachweisbar. Ein „Leprosorium“ wird erstmals im Jahre 1463 erwähnt.
Damit die Bewohner des Siechhofs nicht ohne geistliche Betreuung blieben, wurde für sie auch ein kleines Kirchlein errichtet, das der heiligen Barbara geweiht war.
Die heilige Barbara war eine frühchristliche Märtyrerin, die im Jahre 306 u. Zr. starb, nachdem sie in einen Turm eingemauert wurde. Seit dem 14. Jahrhundert gehörte Barbara zu den 14 sogenannten „Nothelfern“, die in der katholischen Volksfrömmigkeit für verschiedene Anliegen von den Gläubigen angerufen wurden. Auf dem bekannten Marienwandbild von 1477 im Tympanon des Südportals der Schwarzen Kirche ist die heilige Barbara mit einem gotischen Turm in der Hand östlich von der Jungfrau Maria mit dem Jesuskinde abgebildet, also in der Richtung, wo die Barbarakapelle lag. Indirekt ist damit die Existenz der Barbarakapelle für die Zeit um 1477 bezeugt und natürlich auch die des Siechhofes.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts war der Siechhof – der aus vielen „Zimmern“ und mehreren Einzelgebäuden, darunter auch ein „Backhaus“ bestand – fast gänzlich verfallen und aus dem übrig gebliebenen Baumaterial wurde im Jahre 1727 der Kern des späteren Blumenauer Pfarrhauses gebaut.
Durch die Reformation wurde im Jahre 1543 die bisherige Dominikanerkirche Peter und Paul in der Klostergasse und das dazu gehörige Kloster den Ungarn als Gotteshaus und Schule zugewiesen und ein eigener ungarischer Prediger angestellt.
Im Jahre 1716 wurde die Peter-und-Paul-Kirche von den Jesuiten besetzt und den evangelischen Ungarn ein Gewölbe im Kaufhaus für ihre Gottesdienste zugeteilt und später die Spitalskirche am unteren Ende der Spitalsgasse. Als diese im Jahre 1718 abbrannte, wurde den Ungarn die steinerne Barbara-Kapelle zugeteilt, wo sie im Sommer ihre Gottesdienste halten sollten, während die Blumenauer Sachsen ihre Gottesdienste in dem hölzernen Bethaus daneben abhielten. Im Winter, wenn die Sachsen die steinerne Kirche benützten, sollten die Ungarn ihre Gottesdienste in dem hölzernen Bethaus abhalten.
Auf Anregung des ungarischen Pfarrers Joseph Szeli kauften die Ungarn im Jahre 1739 eine Orgel für die Kirche und der erste Organist war Petrus Daengel aus Neustadt, der auch Rektor der Blumenauer sächsischen Schule in der Schulmeistergasse war.
Im Jahre 1741 wurde neben die hölzerne Kirche ein hölzerner Turm errichtet, auf dem zuerst eine im Jahre 1739 gegossene 106 Pfund schwere Glocke aufgehängt wurde. Auf dem Turm befanden sich im Jahre 1773 drei Glocken, von denen die größte im Jahre 1746, die mittlere 1751 und die kleinste 1742 gegossen waren.
Auf das Gesuch der Kronstädter evangelischen Ungarn um Erweiterung ihrer Kirche gab die Kaiserin Maria Theresia durch ein Hofreskript vom 14. Februar 1755 die Antwort, dass ihre Kirche in der Länge um zwei Klaftern und in der Breite nur auf einer Seite um drei Klaftern erweitert werden könne. Dieser Bescheid wurde in der Magistratssitzung am 5. Mai 1755 bekannt gegeben . Allerdings erfolgte danach keine konkrete Baumaßnahme.
Im Jahre 1772 wandte sich die ungarische evangelische Gemeinde an das Kronstädter Lokal-Konsistorium mit der Bitte, die Erweiterung ihrer Kirche zu gestatten. Dies wurde zwar bewilligt, doch sollten sie vorher ihre „Reversales“ (=Verpflichtungsschreiben) gemäß dem Hofreskript von 1755 vorlegen.
Erst mehr als zwei Jahrzehnte später lesen wir in der „Besonderen Nachricht von Burzenland“ von Joseph Teutsch:
„1776. Die Blumenauer Sachsen brachen die gemauerte Kirche (= die frühere Barbara-Kapelle), welche für sie zu klein ward, ab, bauten eine neue in die Stelle der vorigen und vollendeten auch 1777 den Bau mit Hilfe ihrer getreuen evangelischen Ungarn. Bis diese neue Kirche aufgebauet wurde, mußten die Ungarn in der Laube (= hölzernes Bethaus) früher vor den Sachsen Gottesdienst halten. Hierauf hielten sich wieder beide Nationen mit ihrem Gottesdienst zu dieser erweiterten Kirche bis Anno 1783“.
Zur Vorgeschichte gehört ein Gesuch der Blumenauer sächsischen Kirchengemeinde vom 16. Mai 1777, aus dem wir uns erlauben, einiges – mit leicht modernisierter Rechtschreibung – zu zitieren:
„Hoch- und Wohlgeborne, Wohlgeborne, Namhafte, Fürsichtige, Hoch- und Wohlweise Herren, Wohllöblicher Magistrat (= Stadtrat)
Da Wohltun die schönste Tat derer, denen der Höchste einen Teil seiner Macht und Gewalt in die Hände gegeben hat, ist, indem sie sie nicht nur Gott ähnlich macht, sondern auch die größten Segnungen im Himmel und auch auf Erden nach sich zieht“, bitten die Blumenauer für die notwendige und unumgängliche „Kirchen-Reparatur“, „welche nun auch mit der Hilfe des Höchsten wirklich ihren Anfang genommen hat“ um einen milden Beitrag aus der Stadtkasse, „da diese arme Ecclesie nicht mit einem hinlänglichen Fond, dieses wichtige Werk zu bestreiten, versehen ist.“
„Der Allmächtige Gott, der alle schöne und wohltätige Handlungen mit besonderem Wohlgefallen ansieht, wird ein reicher Vergelter dafür sein.“
Das Bittgesuch schließt: „In demütiger Erwartung einer hochgeneigten und großgünstigen Resolution, verharren wir mit der tiefsten Ehrfurcht Eines Wohllöblichen Magistrats untertänig gehorsame Diener, die sämtliche Evangelische Gemeinde in der Blumenau“.
(Schluss folgt)