„Schaut mal, dort oben!“ Simon László zeigt auf die gegenüberliegende Bergwand. Dort sonnen sich etwa zehn Gemsen unter dem blitzblauen-Februar-Himmel. Wir befinden uns in 1407 Meter Höhe auf dem Ucigașul-Gipfel im Hășmaș-Gebirge. Wenn wir durch das Teleskop schauen, das hier angebracht ist, sind die Gemsen nicht mehr kleine, braune Punkte auf dem Felsen, sondern wir können sie bewundern, als ob sie genau vor uns stehen würden. In der Ferne liegt das Ceahl²u-Gebirge, zu unseren Füßen liegt der eingefrorene Rote See, auf dem wir vor ein paar Stunden spazieren gegangen sind und rechts schlängelt sich die Bicaz-Klamm durch die Berge. Der Schnee glitzert. Einen schöneren Tag für unseren Ausflug hätten wir uns kaum aussuchen können.
Zusammen mit László, der von Freunden und Kollegen einfach Laci genannt wird, und seiner Kollegin Márti sind wir aus Niklasmarkt/Gheorgheni gekommen, um uns die einzigartigen Tourismus-Projekte im Hășmaș-Gebirge anzuschauen. Laci ist Speologe, Mitarbeiter des Bergrettungsdienstes Gheorgheni und Vorsitzender des Vereins „Gyilkosto Adventure". Márti ist ehemalige Journalistin, begeisterte Bergsteigerin und arbeitet zurzeit als Rettungssanitäterin. Sie war schon auf den höchsten Bergen der Welt und als wir sie fragen, wo es ihr am meisten gefallen hat meint sie, dass es zu Hause am schönsten ist. Vom Gipfel gehen wir noch ein paar Minuten durch den Tannenwald und stehen bald vor einer kleinen Hütte, die sehr modern aussieht. Laci nimmt den Schlüssel aus einem Safe und öffnet die Tür. Schnell laufen wir zum Fenster und staunen. Die panoramische Aussicht ist wirklich atemberaubend - man fühlt sich wie in einem Instagram-Bild, das in einer Alpen-Luxushütte aufgenommen wurde.
Auf dem kleinen Holztisch legen wir die Lebensmittel, die wir aus unseren Rucksäcken herausnehmen: Käse, Speck, Kartoffelbrot, Pralinen. Während wir essen, blicken wir dauernd durch das Fenster.
Wie ist es wohl, an einem Sommermorgen hier aufzuwachen und die Berge zu Sonnenaufgang sehen? Mit Sicherheit ist es wunderschön. Und kaum zu glauben, aber es kostet nichts.
Kostenlose Übernachtung in panoramischen Berghütten
Der sagenumwobene Rote See in der Nähe der Bicaz-Klamm ist nicht nur dank seiner Färbung durch Eisendioxide sehenswert, sondern hält noch ein anderes Highlight bereit: in den Bergen, die ihn umringen, kann man fantastische Wanderungen unternehmen, unter anderen auch auf einer Via Ferrata.
Seit Sommer 2021 können Touristen, die im Hășmaș-Gebirge unterwegs sind, kostenlos in zwei kleinen Berghütten mit panoramischer Aussicht übernachten. In der einen, neben dem Uciga{ul-Gipfel, befinden wir uns jetzt, die andere liegt ein paar Kilometer weiter bei Piatra Poienii.
Im Winter reicht es, wenn man ein paar Tage im Voraus anruft und eine der Hütten bucht. Für den Sommer 2023 gibt es nur noch wenige freie Wochenenden, unter der Woche hat man aber viele Chancen. Es funktioniert einfach: man macht eine telefonische Reservierung und am Tag des Ausfluges bekommt man einen Code per sms, mit dem man das Safe aufschließt, in dem die Schlüssel liegen. Die Uciga{ul-Hütte hat ein Etagenbett für vier Personen (aber es können noch weitere vier Personen auf dem Boden in Schlafsäcken übernachten), Piatra-Poienii Hütte bietet Platz für zwei Personen. In der Hütte, wo wir uns befinden, haben Touristen ein paar Konserven, ein Feuerzeug, Streichhölzer, Batterien und andere nützliche Sachen hinterlassen und an den Regalen neben dem Fenster gibt es Bücher auf Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Englisch. „Wer in einer der Hütten übernachten will, sollte unbedingt einen Schlafsack mitbringen. Auch eine Iso-Matte wäre gut“, sagt Laci. Und natürlich muss man sich selbst verpflegen. Hier kann man im engen Kreis Geburtstag feiern oder einen romantischen Abend erleben. Auch in Winter-Wochenenden gibt es Gäste. Man braucht aber gute Schlafsäcke, es kann sehr kalt werden.
Mit Hilfe von Hubschraubern gebaut
Die beiden Hütten gibt es seit dem Sommer 2021. Es ist ein in Rumänien einmaliges Projekt, vom Verein „Gyilkosto Adventure“ zusammen mit dem Bergrettungsdienst des Kreisrates Harghita und in Partnerschaft mit dem Nationalpark Cheile Bicazului-Hășmaș durchgeführt. Es entstand aus dem Wunsch von Simon László und seinen Kollegen, die touristische Infrastruktur in der Gegend aufzubauen. Sie hatten in der Slowakei ein ähnliches Projekt gesehen und haben durch ihren Verein Gelder von der ungarischen Regierung beantragt. „Die Hälfte der Arbeit war Büroarbeit, nur der Rest war praktisch“, erinnert sich Laci. Die Hütten wurden aus Holz und Aluminium in mehreren Modulen gebaut, um sie leichter zu transportieren und anzubringen. Auf den Felsen, auf denen sie sich befinden, wurden Pfosten angebracht, auf denen eine Holzplattform montiert wurde. Die Module wurden mit Hilfe von Hubschraubern auf den Berg gebracht und von 30 Leuten, die meisten davon Freiwillige des Bergrettungsdienstes, zusammengebaut. Es war eine sehr gefährliche und schwere Arbeit, weil man sich 200 Meter über der Erde befand. Beim ersten Versuch wurde der Hubschrauberflug wegen heftigen Windes abgesagt. Doch es war alle Mühe wert. Als nächstes gibt es den Plan, in der Nähe der beiden Hütten ökologische Toiletten anzubringen.
Es gibt zwei Varianten, vom Roten See zum Belvedere-Aussichtspunkt auf dem Ucigașul-Gipfel zu gelangen: ein mit blauem Punkt markierter Weg und ein anderer, mit rotem Dreieck. Während des Winters ist es besser, das rote Dreieck zu wählen ( Lacul Roșu/Mördersee – Șaua Vereșcheu – Belvedere Piatra Ghilcoș). Falls man mit dem Auto kommt, kann man bis zum Kloster „Ioan Botezătorul“ im Vereșcheu-Sattel fahren. Von dort steigt man durch den Wald bis zur Ghilcoșului- Wiese, die man überqueren muss, um zu der Hütte zu gelangen.
Heiratsanträge und Papiertaschentücher
Nur wenige Wochen waren die Hütten gebaut, da wurde schon der erste Heiratsantrag in der Hütte gemacht. „Ein Tourist aus Sankt Georgen hat mich an einem Nachmittag angerufen. Es war in dieser bitterkalten Woche Anfang Februar, wir hatten minus 18 Grad in den Bergen. Er wollte am nächsten Tag mit seiner Freundin zur Hütte wandern und ihr dort einen Heiratsantrag machen. Der Mann hat mich gebeten, eine Sektflasche und zwei Gläser in die Hütte hinaufzutragen. Ich habe ihm gesagt, dass der Sekt über Nacht gefrieren wird, wenn ich ihn jetzt hintrage. Also bin ich am nächsten Morgen um sieben Uhr Vormittags mit einem Freiwilligen vom Bergrettungsdienst zur Hütte hinaufgestiegen und habe die Sektflasche und die Gläser neben das Fenster gestellt. Später hat mich der Tourist angerufen und meinte, seine Freundin wäre ganz begeistert gewesen und hat den Heiratsantrag natürlich angenommen“, erzählt Laci.
Manchmal passiert es auch, dass sich die Touristen verirren und den Weg zur Hütte nicht mehr finden. Das geschah letzten Sommer mit einer Mutter, die alleine mit ihren zwei kleinen Kindern in der Hütte übernachten wollte. „Sie müssen nach der Markierung suchen“, erklärte ihr der Bergretter am Telefon. „Sehen sie die vielen Papiertaschentücher am Boden? Gehen sie ihnen einfach nach“. Das ist leider so. Es gibt nicht nur Markierungen an den Bäumen, sondern man kann den Weg leicht erkennen, weil die Bergsteiger Spuren hinterlassen. Laci wünscht sich, dass die Touristen in Zukunft vorsichtiger mit der Natur sind. Wer in den Hütten übernachtet, sollte sie so hinterlassen, wie er sie vorgefunden hat: sauber. Und den Müll sollte man auf jeden Fall mitnehmen, und nicht in den Wald werfen. Wir verlassen die Hütte und gehen auf demselben Weg zum Auto zurück. Dann fahren wir durch die Bicaz-Klamm und parken das Auto in der Nähe des Flusses. Von hier führt ein anderer Weg durch den Wald zu zwei Hängebrücken, die den Fluss Bicăjel überqueren. Die zweite ist am spektakulärsten, weil sich hier auch ein Wasserfall befindet, der im Winter eingefroren ist. Wer sich Adrenalin wünscht, sollte sie auf keinen Fall verpassen.
Es ist schon dunkel, als wir wieder in Gheorgheni zurück sind. Die Straßen, Autos, Lichter und vielen Menschen scheinen merkwürdig, nachdem man einen ganzen Tag oben im Gebirge verbracht hat. Im Zentrum weisen kleine Messingschilder an den Rückenlehnen der Sitzbänke, dass die Bänke gespendet sind. Jeder Spender kann drauf schreiben, was er will. Laci erzählt uns von einer ganz besonderen Bank, die eine Dame ihrem Hund gewidmet hat. „Die Dame und der Hund waren in der ganzen Stadt bekannt. Es war in den 90er Jahren der einzige Hund aus Gheorgheni, der gestrickte Kleider trug. Sogar rote Socken hatte er an“, erinnert er sich. Laci kennt nicht nur viele Geschichten aus den Bergen, sondern auch aus dem Städtchen. Wer einen Ausflug in diese wunderschöne Gegend plant, kann ihn anrufen. Um die kostenlosen Hütten zu reservieren. Um Geschichten zu erfahren. Oder einfach nur, um zu plaudern.
Simon László: 0744701815.
KASTEN
Auch eine Sehenswürdigkeit: Die armenisch-katholische Kirche
Schnee liegt im Hof der armenisch-katholischen Kirche in Niklasmarkt, einer der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Umso klarer sind die 14 Bilder zu sehen, die in den Nischen rings um die Mauer ausgestellt sind und den Kreuzweg darstellen. Es sind Kopien echter Reliefbilder von 1710. Das Weiß des Schnees und der Kirche stehen in Kontrast zu den verstreuten, dunkelgrau gewordenen Holzkreuzen und den roten Granit-Grabsteinen, die mit großen versteinerten Ammoniten verziert sind. Vor gut 150 Jahren fand hier die letzte Beerdigung statt. Danach wurde ein eigener armenischer Friedhof, außerhalb der Kirchenmauern, errichtet.
Die Armenier ließen sich Mitte des 17. Jahrhunderts, auf ihrem Weg aus der Moldau nach Siebenbürgen, in der Kleinstadt nieder. Unter ihnen waren zahlreiche wohlhabende Handelsleute, die zur Entwicklung und dem Wohlstand der Stadt beigesteuert haben. Anfangs wurden die Gottesdienst für die stetig wachsende Gemeinschaft in einer Holzkapelle im Fremdenfriedhof gehalten. Danach kaufte sie diese und das Grundstück, auf dem es sich befand und ließ auf Initiative des Pfarrers Simon Theodorovits und mit Spenden der Gemeinde, zwischen 1730 und 1734, die armenische Steinkirche „Maria Geburt” erbauen.
Außen ist sie schlicht, innen prunkvoll. Eines der ersten Details, die auffallen, ist eine Holz-Skulptur über der Kanzel, die einen Soldat darstellt, der den Teufel besiegt und die Gründungstafel der Kirche am Eingang, die in armenischen Schriftzeichen geschrieben ist. Der Hauptaltar stellt die Krönung der Jungfrau Maria und Maria Himmelfahrt dar, der südliche Altar die Steinigung des Stephanus. Auf dem Nordaltar ist das wertvollste Gemälde des Gotteshauses zu sehen. 1752 wurde es in einem Kloster bei Venedig erstellt und bildet den Heiligen Gregor der Erleuchter ab, Apostel der Armenier, der den ersten armenischen König, Tridat III tauft. Armenien ist das als ältestes christliches Land der Erde, das das Christentum (Anfang der Jahre 300) zur Staatsreligion, erhob.
Beim Altar zeigt uns Priester Gál Hunor ein Antependium von 1888 und erzählt über die 300 Jahre alten Priestergewänder, die in der Sakristei aufbewahrt werden. Das älteste Objekt ist, allerdings das Taufbecken. Es stammt noch von der alten Holzkapelle und stellt vier Frauenbüste dar, die verschiedene Alter des Menschen sowie die Jahreszeiten wiedergeben sollen.
Stolz präsentiert der Priester, einst Kantor, auch die pneumatischen Rieger-Orgel, die 1901 in Budapest erworben wurde. Er erklärt danach, dass sie seit ihrer Reinigung und neuen Stimmung 2004, tadellos funktioniert.
Jeden Sonntag predigt er in Ungarisch für rund 70 Seelen, an Feiertagen sind es fast doppelt so viele. Bei Gottesdiensten ertönen Lieder in armenischer Sprache, die der Chor singt, gleichwohl niemand in der Stadt mehr die Sprache oder Schrift kennt. „Es sind römisch-katholische Gläubige aus Gheorgheni, die an der Messe teilnehmen. In Siebenbürgen gibt es nur noch in Gherla so eine besondere Liturgie mit einzigartigem armenischen Ritus wie unseren”.
Vom Kirchturm aus kann man zwei Kapellen auf dem Ciobot-Hügel erblicken, die beide denselben Namen tragen: Heilige Anna. Die katholische Kapelle wurde um 1700 von den 700 Überlebenden der drei Pestseuchen (1633, 1646, 1677) errichtet, die armenische Kapelle entstand 1758 durch die Mittel einer wohlhabenden Familie. Die heiligen Bauten zeugen von der Bruderschaft der Szekler und Armenier. Beide Kapellen sind gepflegt und sind Ziel von Wallfahrten zur Feier der Heiligen Anna, am 26. Juli.
Eine Wanderung aus der Stadt bis zu den Sehenswürdigkeiten dauert rund eine Stunde. Laci fährt uns mit dem Jeep durch den beschneiten Weg bis fast ans Ziel. Von dort aus wandern wir bis auf 1087 Metern Höhe. Der Bergretter bedient sich mit zugefrorenen Hagebutten aus einem Strauch vom Randweg. Wir machen es ihm nach und sind vom cremige-frischen Geschmack der Frucht entzückt. Die Aussicht von den Kapellen aus ist wunderschön. Ein Teil der Stadt ist zwar unter einer dicken Smogdecke versteckt, die Wälder ringsum verzaubern aber den Blick. Und die Ruhe, die dort herrscht, ist ansteckend.
Für Besichtigungen und Kirchenführungen ist eine Voranmeldung unter der Telefonnummer 0268.361,517 oder 0742.181.537 erforderlich.