Im Pfarrhof von Katzendorf/Caţa hängen Gedichte an den Bäumen, auf den Liegestühlen sonnen sich internationale Gäste, in der Küche gibt es Kaffee und Kürtöskalács, an einem runden Tisch unter einer Linde essen Künstler, Studenten und Touristen eine von den Frauen aus dem Dorf gekochte Suppe. Andere Gäste sind gerade aus dem 11 Kilometer entfernten Streitfort /Mercheaşa zurückgekehrt, wo sie unter der dicksten Eiche Südosteuropas Picknick gemacht haben. Es ist Samstag, der 4. Oktober 2014, ein wunderschöner Herbsttag.
Gegen halb fünf kündigt eine Glocke an, dass sich die Leute versammeln müssen. Der Literaturpreis „ Dofschreiber von Katzendorf“ wird gerade verliehen. Multikulturell, unkonventionell und sehr entspannt – so war auch in diesem Jahr das Kulturtreffen aus Katzendorf, das am 3. und 4. Oktober im Pfarrhof stattfand. Der Initiator der Veranstaltung ist der in Berlin und Katzendorf lebende rumäniendeutsche Schriftsteller und Drehbuchautor Frieder Schuller, der die „Begegnungen auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch mit Dichtern, Musikern, Malern, Bauern, Roma und Neugierigen“ schon seit 1992 organisiert. Die Veranstaltung in diesem Jahr wurde von der Deutschen Botschaft Bukarest gefördert.
„Katzendorf wird Ihr Paris werden“
Der Höhepunkt des diesjährigen Kulturtreffens war die Verleihung des Preises „Dorfschreiber von Katzendorf“. Dieses Mal ging die Auszeichnung an die in Berlin lebende Schriftstellerin Carmen Francesca Banciu. 1955 in Lippa/Lipova geboren, studierte sie Kirchenmalerei und Außenhandel in Bukarest. Die Verleihung des Internationalen Kurzgeschichtenpreises der Stadt Arnsberg hatte für sie 1985 ein Publikationsverbot in Rumänien zur Folge. Seit November 1990 lebt sie als freie Autorin in Berlin, schreibt Beiträge für den Rundfunk, leitet Seminare für Kreatives Schreiben und eine Weiterbildungswerkstatt für junge deutsche Autoren. Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Reihe von autobiografischen Reportagen „Berlin ist mein Paris. Geschichten aus der Hauptstadt“ und die Romane „Ein Land voller Helden“ und „Das Lied der traurigen Mutter“.
Von ihrem Vorgänger, dem Schriftsteller Jürgen Israel, erhielt Banciu eine Katzenstatuette mit einer Feder. Von Frieder Schuller erhielt sie das Angebot, ein Jahr kostenlos in Katzendorf untergebracht zu werden um ein Buch über das siebenbürgische Dorf in aller Ruhe zu schreiben. „Wer weiß, vielleicht wird Katzendorf Ihr Paris werden“, scherzte dieser. Der Literaturpreis wurde vergeben von dem rumänisch-deutschen Verein Felicia Now aus Katzendorf, der Kronstädter Kreisfiliale des Rumänischen Schriftstellerverbands, dem Kreisforum Kronstadt/Braşov, dem Exil PEN – deutschsprachige Länder und der in Kronstadt herausgegebenen Zeitschrift „Satul“.
Eine Schauspielerin tanzt mit der Stille
Am Abend folgte die Uraufführung des Theaterstückes „Tanz mit der Stille. Eine siebenbürgische Bühnenerinnerung“ von Frieder Schuller in der Scheune des Pfarrhofs. Die Regie führte Marie Schuller, die Tochter des Autors, während das Bühnenbild von seinem Sohn, Hannes Schuller geschaffen wurde. Es spielten Ria Schindler, eine aus Mediasch stammende Berliner Schauspielerin, die vor allem dem deutschen Publikum aus der Fernsehserie „Lindenhof“ bekannt ist, und die Schauspieler der deutschen Abteilung des „Radu Stanca“ Nationaltheaters aus Hermannstadt Andrei Hansel und Johanna Adam. Das Stück, das Schuller schon Anfang der 90er Jahre geschrieben hat, handelt von der Geschichte einer aus Rumänien stammenden Künstlerin.
Agnes von Waldhütten, ein Star der Hermannstädter Bühne, verlässt nach der Revolution 1989 zusammen mit ihrem Lebensgefährten Jean ihre Heimat und kommt in einer Berliner Pension vorübergehend unter. Die Deutschen wollen ihre Geschichte nutzen, um sie an die Boulevardpresse zu verkaufen, und Jean ermutigt sie dazu. Trotzdem weigert sich Agnes, ihr Leben skandalträchtig auszuschmücken. Mit dem Auftreten von Nicole, die Tochter eines Wurstlieferanten und Gründer eines siebenbürgischen Heimatblattes, eskaliert die gesamte Situation ins Absurde. Die düstere Atmosphäre und sogar die Kälte in der Scheune trugen dazu bei, dass die Zuschauer hineinversetzt wurden in die Geschichte – und mit Agnes mitfühlten.
Ergreifend war vor allem die Szene, wo Agnes den Tod ihres kleinen Sohnes schildert. Dabei öffneten sich die Tore der Scheune und ein Pferdewagen zog wie in einem Trauerzug an den Zuschauern vorbei. Eine Attraktion waren auch die Tiere auf der Bühne. Neben einer Katze, die sich zufällig in die Scheune schlich, spielten bei der Uraufführung auch der Hengst Cäsar und die Ziege Tulcea mit. Das Stück wird demnächst auch auf der Bühne des Nationaltheaters Radu Stanca in Hermannstadt Premiere feiern.