Vor 50 Jahren, am 19. August, erhielten die Kronstädter Werktätigen, von der Staats- und Parteiführung „ein Geschenk aus Glas und Marmor“, heißt es in der Kronstädter „Volkszeitung“ von damals. Damit gemeint war der Hauptbahnhof.
Inzwischen ist die Einwohnerzahl Kronstadts stark gewachsen. Der Bahnhof ist aber in dieser Zwischenzeit nicht mitgewachsen. Im Gegenteil, wer heute auf dem Bahnhofgelände einen Rundgang macht, wird merken, dass mehrere Räumlichkeiten leer stehen und wahrscheinlich auf einen Mieter warten, dass einer der beiden seitlichen Ausgangsmöglichkeiten bei der Hauptfront blockiert ist, dass die sieben oder acht Gleise eigentlich nicht alle genutzt werden müssen.
Die Zahl der Zuggäste hat abgenommen. Der benachbarte Busbahnhof macht Konkurrenz. Pendler gibt es viel weniger als zur Glanzzeit der Kronstädter Großbetriebe die Tausende von Mitarbeitern, manchmal auch in drei Schichten, beschäftigen konnten.
So sieht es nun ruhiger, vielleicht auch etwas verlassener auf dem Bahnhof aus. In der großen Halle sind Touristen mit Koffer oder Rucksack nicht zahlreicher als jene die den Zug benutzen, um in ihre nahe an Kronstadt liegenden Heimortschaften zu fahren oder jene, die, wie in Bahnhöfen üblich, hier einen Kaffee oder ein Bier trinken und auf etwas oder jemanden warten. Auf einer Plastik-Sitzbank vergleicht eine junge Asiatin ihre Rumänienkarte mit der Karte auf dem Monitor ihres Laptops und trägt Anmerkungen ein. Gleich neben ihr sitzt gelangweilt eine Roma-Familie und bereitet eine Jause für ihre kleinen Mädchen vor. Die Welt wird am Bahnhof kleiner.
In der Halle haben sich auch Tauben und Spatzen verirrt, die oben herumschwirren und wohl auch gegen die Glasfassade fliegen. Einige Fenster sind offen, ansonsten wäre da der Glashauseffekt direkt zu spüren, doch sind sie mit einem feinen Gitternetz versehen.
Der einst moderne Bau ist heute für die Kronstädter eher banal geworden. Keine Besonderheit, sondern ein Bau, der seine Funktion seit Jahrzehnten jeden Tag, rund um die Uhr, erfüllt. Zudem ist die unterirdische Passage zum ehemaligen Tractorul-Park und dem gleichnamigen Viertel eine Abkürzung, die viele Kronstädter wählen.
Was könnte man dem Hauptbahnhof zum 50. (und damit auch den Kronstädtern und ihren Gästen) wünschen? Vielleicht mehr Sauberkeit, mehr Grün, bessere Orientierungshilfe für Ortsfremde und Ausländer, mehr als nur Spielsäle und Kneipen im Bahnhofsareal (z. B. ein Bücherladen, Blumenladen, Souvenirladen, Bäckerei), Schließfächer, genaue Uhren und elektronische Anzeigetafeln bei den Gleisen, Fahrkartenautomat. Und vor allem gehören zum Bahnhof pünktliche und gut belegte Züge mit Fahrgästen, die sich freuen in Kronstadt angekommen zu sein oder die zufrieden diese Stadt verlassen und gern, auch mit dem Zug, wieder zurückkehren würden.