Der Bär hat sich die Krone aufgesetzt und auf dem Baumstumpf Platz genommen. Selbst auf den Stadtnamen erhebt er Anspruch: Kronstadt heißt nicht mehr Braşov sondern „urşov“. Das Spiel mit dem Stadtwappen (die Krone auf dem Baumstumpf mit Wurzeln) ist auf der Titelseite eines 28 Seiten-Magazins zu sehen das unter Leitung der deutschen Kommunikationsdesigner Marc Andrews und Christian Degen von 17 Teilnehmern an einem einwöchigen Workshop zustande kam.
Die, man könnte sagen, zeitweise fast weltberühmten Kronstädter „Müllbären“ haben es dann doch nicht geschafft, sich einen Platz zu erobern in den Seiten des bunten reich illustrierten Magazins.
Dort findet der Leser andere Themen die die Zeitschriftengestalter beschäftigen: das Radfahren das in der Stadt unter der Zinne Sonderausstattungen wie Ritterausrüstung, Tarnkappe oder Raketenantrieb voraussetzt; herabfallende Dachziegel, die dich zwingen, nicht wohin du trittst zu blicken, sondern hinauf, denn von oben droht die tödliche Gefahr; es ist die Zinne, wo der Müll zum festen Teil der Natur wird. Aber es sind auch die multiethnische Bevölkerung und die Zeugen ihrer Geschichte; oder die Geschichte einer Straße – in diesem Fall die Mühlengasse in der Altstadt mit ihren Bewohnern und ihrem Leben, das sich nun nicht mehr in einem so engen und vertrauten Rahmen wie einst abspielt.
Es sind auf den ersten Blick paradoxerweise auch diejenigen die heute anderswo leben – eine „vergessene Heimat“ wie eine Fotoausstellung heißt die in diesem Jahr in Wien und München gezeigt wird und die dank der Initiative „Einprägsame Stadt“ der Kronstadt-Filiale des Rumänischen Architektenordens zustande kam.
Die Teilnehmer am Workshop waren vor allem Design-Studenten aber auch andere Personen (unter ihnen die Soziologin Dr. Angela Dobrescu von der lokalen Initiativgruppe Corona, und Ruxandra Nazare von der Kreisbibliothek). Auf Grund einer Bewerbung an das Deutsche Kulturzentrum Kronstadt (zusammen mit dem Goethe-Institut, dem Amsterdamer Design-Studio „andrews:degen“, der Transilvania-Uni und dem Kunstlyzeum „Hans Mattis Teutsch“ Veranstalter des Kronstädter Workshops) wurde die offene Teilnehmerrunde gebildet.
Die beiden Workshopleiter sammelten Ideen und Anregungen, visualisierten diese Eindrücke in einem Magazin das sich vornahm, verschieden Facetten der Stadt mit ihren Problemen und Lösungsvorschlägen vorzustellen. Alles sollte nicht mit den Augen eines Touristen wahrgenommen werden, weil nicht eine Werbebroschüre für die Stadt ausgearbeitet werden sollte. Gefragt war der kritische Blick der Kronstädter in Bezug auf die „Gene“ ihrer Stadt.
Christian Degen und Marc Andrews selber sehen als Stärken Kronstadts die herrliche Lage, die bemerkenswerte multikulturelle Geschichte, das rege Straßenleben, verschweigen aber nicht auch eine gewisse „Spaltung“: so z.B. sei der Erhalt der historischen Architektur im Stadtzentrum der Stadtverwaltung wohl wichtiger als die Wohnbedingungen in den aus den Zeiten der sozialistischen Industrialisierungspolitik stammenden Arbeitervierteln – Randvierteln, die vernachlässigt werden. Aber die Stadt sei „im Wandel“ – ein Zeichen für ihre Vitalität. Vielleicht, wie es in der abschließenden Diskussionsrunde hieß, werden nicht nur Fassaden erneuert, sondern hoffentlich auch Mentalitäten aus vergangenen Jahrzehnten.