Die auf dieser Seite abgedruckten „Krankengeschichten“ sind dem Band „Borszék, Siebenbürgens berühmtester Kurort, nebst einem kurzen Anhang über Belbor“ von Anton Kurz entnommen. In dem in Kronstadt im Jahre 1844 im Verlag von Johann Gött erschienenen Band greift Kurz in einem Anhang auf Berichte des Hermannstädter Arztes Michael Neustädter (sowie auf andere Berichte) zurück, um die medizinische Bedeutung der Mineralwasserquellen aus Borsec zu argumentieren. Michael Neustädter (1738 – 1806) ist „Sanitätsrath und Protomedikus des Grosfürstenthums Siebenbürgen“ und auch Verfasser des Berichtes „Ueber den Gebrauch des Bor-széker Sauerbrunnens und dessen heilsame Wirkungen im Bluthusten“, erschienen in der „Siebenbürgischen Quartal-Schrift“, III, 1793. Aus diesen Beschreibungen eines Arztes kann der Leser von heute sich ein Bild über den Stand der damaligen Medizin machen, wie auch über die zu jener Zeit gebräuchliche Schreibweise. Trotz langer Sätze, wo das Komma oft die Funktion des Punktes bekommt, trotz mancher ärztlicher Heilmittel, die heute nur noch wenige kennen, sind diese Zeitdokumente aufschlussreich auch für den siebenbürgischen Alltag Ende des 18. Jahrhunderts. (R. Sudrigian)
Krankengeschichten
II. „Eine Frau in den besten Jahren und von vollsäftiger Leibesconstitution, wurde in dem Monat August 1785 mit Blutspeien befallen, es wurde sogleich ein Wundarzt herbeigerufen, welcher ihr eine Ader am Arm öffnete, dazu verordnete er ihr einige Pulver, welche aus rothen Korallen, Blutstein und Alaun bestunden, da dieses aber alles vergebens angewandt worden, verlangte man meinen Beistand, ich befahl am Fuß Blut zu lassen, äußerlich auf die Brust ließ ich eine Serviette in Wasser und Essig eingetaucht legen, innerlich aber verordnete ich der Patientin eine kühlende Mixtur, und ließ sie dabei häufig kaltes Wasser trinken. Als ich sie den zweiten Tag in der Frühe besuchte, sagte sie mir, daß sie die verflossene Nacht nicht nur kein Blut ausgeworfen, sondern auch ruhig geschlafen hätte, so blieb der Zustand der Kranken bis Nachmittags um 5 Uhr, wo ich eiligst hingeholt wurde, sie warf wiederum aufs neue in ziemlicher Menge Blut aus, nun ließ man ihr auf mein Anrathen auf dem 2ten Fuß auch zur Ader, innerlich verordnete ich den Borszéker Sauerbrunnen mit gekochter Milch, und so wurde die Patientin, da sie dieses Wasser 5 Wochen in einem fort getrunken, vollkommen gesund.“
III. „Ein Mann von 45 Jahren, cholerisch-sanguinischen Temperaments, welcher vorher die fließende güldene Ader gehabt, solche aber seit 2 Jahren her verloren hatte, strengte bei dem Aufheben einer schweren Last große Gewalt an, sogleich fing er an zu hüsteln, er empfand einen Kitzel in der Kehle, spürte etwas Süßlichwarmes in dem Mund, und spie darauf hellrothes flüssiges Blut aus, der Patient ließ einen Wundarzt kommen, welcher ihm eine Ader auf dem Arm öffnete, weiter verordnete er ihm nichts. Nach 4 Tagen vertraute er sich mir an, ich fand ihn äußerst schwach und abgemattet, ich ließ ihm, weil er noch beständig Blut auswarf, eine Ader auf dem Fuß öffnen, verordnete ihm innerlich eine kühlende und etwas zusammenziehende Milch, auf die Brust legte man eine Serviette in Wasser und Essig eingetaucht – weil der Leib verstopft war, ließ ich dem Patienten ein erweichendes Klistir geben, den folgenden Tag darauf verordnete ich nach Moses Griffits Heilungsart der innerlichen Blutflüsse, Leinöl, welches kalt ausgepreßt werden mußte, mit Rhabarbertinctur, reinem Wasser, Eibischsaft und etwas Bolus gallicus vermischt alle Tage 3mal zu nehmen – auf den Gebrauch dieser Arznei ließen nicht nur die Schmerzen auf der Brust, (über welche er den vorigen Tag klagte) sondern auch das Blutspeien in etwas nach, weil die Krankheit sich aber in die Länge zog, und ich dahero ein Lungengeschwür befürchtete, rieth ich dem Patienten das Bor-széker Sauerwasser mit Milch zu trinken, er befolgte meinen Rath und wurde ganz hergestellt, nachdem er das Wasser auf oben beschriebene Art 4 Wochen gebraucht hatte.“
IV. „Eine junge Frau von ohngefähr 26 Jahren, welche ihre Reinigung schon seit 2 Jahren her verloren hatte, wurde mit einem rheumatischen Fieber befallen, auf welches den 3ten Tag Blutspeien folgte. - Die Patientin ließ mich zu sich bitten, wo ich ihr dann eine Armaderlaß rieth, zum innerlichen Gebrauch verordnete ich ihr frisch ausgepreßtes Leinöl, welchem ich Eibischsaft mit arabischem Gummischleim und Krausmünzewasser zusetzte, auf dieses Mittel hörte das Blutauswerfen etwas auf, den 6ten Tag in der Frühe, als ich meine Kranke besuchte, fand ich sie wieder Blut weghusten, da der Puls ziemlich gespannt war, ließ ich am Fuß eine Ader öffnen, verordnete e ihr dabei das Borszéker Wasser mit Milch, welches sie auch durch ganze 3 Wochen fort brauchte, und vollkommen gesund wurde.“
V. „Meiner Besorgung vertraute sich ein Mann von 48 Jahren an, der schon seit einem Vierteljahre viel Blut durch den Stuhlgang verloren hatte. Da ich bei meinem ersten Besuche den Puls gespannt fand, und der Patient ohnedem vollblütig war, verordnete ich eine Aderlaß auf dem Arm, innerlich aber verschrieb ich ihm den Eibischabsud mit frischem kalt ausgepreßten Leinöl zu nehmen, der Blutabgang stillte sich, doch klagte er über Reißen im Unterleibe, diese Schmerzen zu lindern ließ ich ihm ein Klistir von dem Absud des gestoßenen Leinsamens geben, hierauf hörten die Schmerzen auf, der Blutfluß fand sich aber wieder ein, nun rieth ich den Borszéker Sauerbrunnen mit Milch Frühe und Abends allemal eine Schalke voll zu trinken, außerdem ließ ich ihn noch den oben verordneten Eibischabsud mit Leinöl, dem noch Krausmünzenwasser zugemischt wurde, nehmen, und so wurde er innerhalb 14 Tagen ganz hergestellt.“
VI. „Eine angesehene Frau ohngefähr von 44 Jahren, vollblütiger Constitution, hatte das Unglück auf der Gasse auszugleiten und rückwärts zu Boden zu fallen, eine Dienstmagd, welche ohnweit von ihr war, half ihr auf und führte sie nach Hause, kaum war sie zu Hause geführt, als sie mich holen ließ, sie klagte über Bangigkeit, kurzer Athem und Schmerzen zwischen den Schultern, ich verordnete ihr eine Aderlaß auf dem Arm, innerlich ließ ich sie die Arnica-Blumen als Thee trinken, den andern Tag klagte sie die ganze Nacht wegen Reißen im Unterleibe schlaflos zugebracht zu haben, dazu hätte sie durch den Stuhlgang vieles Blut verloren. Ich verschrieb ihr kaltzubereitetes Leinöl mit der mit Wein gemischten Rhabarbertinctur, Wasser und Eibischsyrup, und ließ ihr noch eine Klistir aus dem Absud von Leinsamen geben, mit dieser Arznei fuhr sie 4 Tage fort, die Schmerzen legten sich gänzlich, doch ging dann und wann noch etwas Blut weg, daher rieth ich ihr den Borszéker Sauerbrunnen mit Milch, welchen die Patientin noch 14 Tage fort brauchte, wo sie dann auch vollkommen gesund wurde.“
VII. „Ein Mann von 53 Jahren, vollblütiger Constitution, welcher schon von vielen Jahren gewöhnt gewesen Ader zu lassen, versäumte im Jahre 1783 diese Ausleerung. Im Monat Dezember des nämlichen Jahres ging er Geschäfte wegen bei einem kalten und rauhen Wind, ziemlich leicht gekleidet, auf ein ohngefähr 2 Stunden weit von Hermannstadt entferntes Dorf, da er hier ein kaltes Zimmer traf, empfand er einen Schauer im ganzen Körper, weßhalb er sich Wein mit Honig und Pfeffer kochen ließ um sich mit diesem Trank seiner Meinung nach zu erwärmen, er trank auch wirklich eine ziemliche Portion davon, und begab sich darauf zur Ruhe, kaum hatte er zwei Stunden geschlafen, als er mit einem heftigen stechendem Schmerzen in der linken Seite erwachte. Um dieser unangenehmen Empfindung los zu werden, trank er noch mehr von dem gekochten Wein, und schlief wieder darauf ein, den folgenden Tag in der Frühe hustete er Blut aus, er ließ sich noch diesen Tag nach Hermannstadt bringen, wo sogleich ein Wundarzt gerufen wurde, welcher ihm auf dem Arm eine Ader öffnete, da er den darauf kommenden Tag noch immer und zwar stärker wie vorher Blut auswarf, wurde ich zum Patienten gebeten, ich ließ, weil ich den Puls ziemlich gespannt fand, auf dem andern Arm auch Blut, innerlich verordnete ich rothe Korallen mit Alaun und Drachenblut, die Füße ließ ich in lauwarmes Wasser setzen, auf die Brust aber befahl ich eine in kaltes Wasser eingeweichte Serviette zu legen, als ich den Kranken Abends besuchte, fand ich ihn in etwas erleichterter, er hustete zwar auch jetzt noch Blut aus, aber in einer geringeren Quantität, ich verordnete ihm kalt ausgepreßtes Leinöl, mit der geistigen Rhabarbertinctur, arabischem Gummischleim und Eibischsyrup. Den folgenden Tag verlor sich das Blutauswerfen ganz, und der Patient befand sich viel munterer, gegen Abend aber klagte er über Schauer und fror am ganzen Körper, auf welchen Frost eine trockne Hitze folgte, in der Hitze ließ ich ihn eine Milch aus den 4 kühlenden Samen trinken, und als ihn die Hitze ganz verlassen hatte, verschrieb ich ihm den wässrigen Chinaabsud, als er diesen 2 Tage gebraucht hatte, klagte er über kurzen Athem und über ein heftig Drücken auf der Brust. Bei diesen Umständen rieth ich ihm den Borszéker Sauerbrunnen mit Milch zu trinken, welchen Rath er auch durch 4 Wochen willig befolgte, und vollkommen gesund wurde.“
VIII. „Ein junger Mensch von 26 Jahren, starker und robuster Constitution, der einige Jahre her zu gewissen Zeiten Blut aushustete, vertrauete sich meiner Besorgung an, ich verordnete dem Kranken eine Aderlaß auf dem Arm, verschrieb ihm alsdann aufgelöste Manna in Mandelmilch zum Abführen, und hernach ließ ich ihn eine Mixtur von schwarzem Kirschenwasser, wozu weißer Bolus, Alaun und Drachenblut gemischt wurde, nehmen, über dieses nahm der Patient kalt ausgepreßtes Leinöl mit Rhabarbertinctur und Eibischsaft vermischt, zweimal des Tages. Bei dieser Behandlung verlor der Kranke das Blutspeien bald, er behielt aber einen stumpfen Schmerz in der linken Seite, nun verordnete ich ihm den Borszéker Sauerbrunnen mit Milch; und als er diesen 3 Wochen hindurch genommen hatte, ward er völlig hergestellt.“
Diese hier angeführten Fälle werden meiner Meinung nach hinlänglich sein die wirksamen Kräfte und den ausgebreiteten Nutzen des Borszéker Sauerwassers im Bluthusten außer alle Zweifel zu setzen, ein Nutzen, den ich in meiner langen Praxis vielfältig beobachtet und der noch einen größeren Werth erhält, da der Gebrauch dieses Wassers vermöge seiner abstergirenden und der zugemischten Milch balsamische Kraft jederzeit verhindert, daß das Blutspeien keine eingeschlossene Lungengeschwüre zurücklasse, wobei ich jedoch bemerken muß, daß der Sauerbrunnen nicht gleich im Anfange des Blutspeiens anzuordnen sei, vielmehr nur alsdann, wenn gehörige und hinlängliche Aderlässe vorausgegangen und andere dienliche Mittel gebraucht worden, genommen werden müsse.