Mit zwölf Musikveranstaltungen in sechs Tagen und zahlreichen Pluspunkten ging „Musica Coronensis“ vom 27. September bis 2. Oktober über die Bühne. Die 13. Auflage zeigte, dass die Kronstädter Konzertreihe gewachsen ist und inzwischen als fester Bestandteil zum Musikleben der Stadt gehört. Dies erkannte auch die Stadtverwaltung, die den Festspielen unter die Arme griff und erstmals einen großen Teil der Kosten übernahm. Für das gute Gelingen sorgten zudem wie bisher die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt, die deutsche Botschaft in Bukarest, die Stiftung Forum ARTE sowie zahlreiche Helfer.
In Kronstadt gibt es offenbar großes Interesse an Kulturveranstaltungen und Musik: die meisten Konzertsäle waren prallvoll, das Publikum dankbar, und auch die Kulturinstitutionen der Stadt zeigten sich offen für die Mitwirkung an den Festspielen. Neue Austragungsorte kamen in diesem Jahr hinzu: der Festsaal des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt, wo Anfang des Jahres ein neuer Konzertflügel eingeweiht worden ist, das schicke Lokal „Festival ’39“ (ehemals „Krone“) in der Purzengasse, das „Aro“-Hotel mit einer Lounge über den Dächern der Stadt, das „Multikulturelle Zentrum“ im Rektoratsgebäude und die Graft-Bastei.
Auch neue Genres gab es auf dem diesjährigen Spielplan: neben Jazz, französischen Chansons und amerikanischen Songs wurde eine ungewöhnliche Gegenüberstellung von Barock und Rock, bzw. Telemann und The Beatles gewagt. Diese Vielfalt des musikalischen Angebots dürfte sogar Klassik-Skeptiker in den Konzertsaal gelockt haben – was den Festspielen gewiss zugutekommt. Dabei erklangen gemäß den Leitlinien von „Musica Coronensis“ auch viele Stücke, die zum musikalischen Erbe der Stadt gehören, zudem wurde durch Uraufführungen zeitgenössischer Musik eine Brücke zur Gegenwart geschlagen. Die Konzertmitschnitte der Werke von Hans Peter Türk, Helmut Sadler, Gabriel Mălăncioiu, Ana Szilagyi und anderen mit Kronstadt verbundenen Komponisten werden im Online-Musikarchiv der Konzertreihe zur Verfügung gestellt.
Nachdem das traditionsreiche internationale Kammermusikfestival eingestellt wurde, schließen die Festspiele „Musica Coronensis“ eine Lücke im Musikleben der Stadt, indem sie Kammermusik-Abende in den Fokus stellen. Die jungen Geiger Andrei Stanciu und Valentin Şerban, die Pianisten Dragoş Dimitriu, Valentin Mure{an und Alexandra Ducariu, der Cellist Teodor Rusu und die Flötistin Teodora Ducariu spielten sich quer durch die Musikgeschichte, machten aber auch stets Halt im musikalischen Kronstadt und führten u.a. Stücke von Paul Richter, Eduard Orendi, Iacob Mureşianu, Martin Thies auf. Das Alleinstellungsmerkmal von „Musica Coronensis“ bleibt eben, dass Kronstadt im Scheinwerferlicht steht und musikalische Werte gepflegt werden, die mit Kronstadt verknüpft sind.
In diesem Jahr geschah dies rund um den thematischen Schwerpunkt „Heimat versus Diaspora“: zahlreiche Kronstädter Musiker, die an Universitäten im europäischen Ausland studiert haben, kehrten nun in die Heimat zurück und traten in einen Dialog mit einheimischen Kollegen, Schülern und Studenten. Ein Höhepunkt der gesamten Konzertreihe war die Mitwirkung der Sopranistin Teodora Gheorghiu, die bereits eine bemerkenswerte internationale Karriere mit Drehpunkt in Österreich und der Schweiz durchlaufen hat. Der Liederabend im Saal des Deutschen Forums unter Beteiligung des Klarinettisten Ciprian Dancu und der Pianistin Anca Preda-Uliţă war ein Erlebnis: künstlerisches Können, eine bezaubernde Ausstrahlung ohne Diva-Allüren und eine sagenhafte Stimme (die im kleinen Saal mitunter etwas schwer zu bändigen war), außerdem eine vielfältige Palette an Ausdrucksmöglichkeiten ließen die aufgeführten Lieder, insbesondere den Liederkreis Op. 39 von Schumann zu Gedichten Joseph von Eichendorffs, zu musikalischen Juwelen werden. Das Trio überraschte zudem mit einer schwungvollen Interpretation der drei Madrigale zu Texten von Elena Maria Şorban von Şerban Marcu. Der begabte Komponist, ebenfalls ein Kronstädter, schafft es stets, seine Musik von den Vorurteilen, die allgemein zeitgenössische Musik belasten, fern zu halten: er schreibt neuartig, erfindungsreich, phantasievoll, und gleichzeitig verständlich und ansprechend.
Eine ganz andere, einzigartige Stimme begeisterte gemeinsam mit einer Bassgitarre und einem Saxophon: unter dem Titel „Jazz Fever“ gaben die Sängerin Petra Acker, ihr Bruder Michael Acker und der Saxophonist Alexandru Arcuş ein hochkarätiges Jazzkonzert. Neben bekannten Titeln wie „Calypso Blues“ von Nat King Cole – in einem exzellenten Arrangement der Geschwister Acker und meisterhaft dargeboten – interpretierten die Musiker auch eine Jazz-Version des siebenbürgisch-sächsischen Volksliedes „Vijelchen“. Die vielen Jahre im Kronstädter „Canzonetta“-Ensemble unter der Leitung ihrer Mutter Ingeborg Acker erweisen sich für Petra und Michael Acker als Startpunkt einer erfolgreichen Musikkarriere.
Die Festspiele fanden einen feierlichen Abschluss mit dem vokal-sinfonischen Konzert unter der Leitung von Steffen Schlandt in der Schwarzen Kirche. Teodora Gheorghiu gab auch hier eine Kostprobe ihres Könnens mit zwei Mozart’schen Konzertarien und dem „Laudamus te“ aus der Messe KV 427. Anschließend erklang Mozarts „Große Credomesse“ in C-Dur KV 257 mit dem Solistenquartett der Kronstädter Oper (Cristina Radu, Carmen Topciu, Liviu Iftene und Dan Popescu), das bereits zahlreiche Konzerte in der Schwarzen Kirche kultiviert mitgestaltet hat. Eine erfreuliche Überraschung war die dynamische, lebendige Orchesterbegleitung durch die junge „Kamerata Kronstadt“, und auch der Bachchor der Schwarzen Kirche zeigte sich beschwingt und wendig in der bildhaften Darbietung der Partitur. Das wohl dienstälteste Ensemble in der gesamten Konzertreihe war seit den Anfängen von „Musica Coronensis“ stets präsent – bei der nächsten Auflage 2018 feiert der Bachchor 85. Gründungsjubiläum.