Silberne Toaster und alte Backrezepte, Salz- und Pfeffermühlen in Tierform, Schwarz-Weiß-Fotos von Familien, Kindern und eleganten Damen im Abendkleid, Leder- und Samthandschuhe, Wahrsage-Karten, die in fünf Sprachen beschriftet sind (rumänisch, deutsch, ungarisch, französisch, russisch), romantische Ansichtskarten, die aus Frankreich und Deutschland importiert wurden, Parfümflaschen und Creme-Dosen, Schreib- und Nähmaschinen, Puppen mit Kulleraugen, Regenschirme, bunte Rasierklingen-Verpackungen, Damenhandtaschen und sogar ein Saint-Etienne-Revolver aus dem Jahr 1897- die neue Ausstellung im Mure{enilor-Gedenkhaus zeigt Alltägliches und Ungewöhnliches aus vergangenen Zeiten und lädt ein zu Entdeckungsreisen zu eigenen Wurzeln und Geschichten.
Wie eine Zeitkapsel
Mehr als 2000 Gegenstände werden im Rahmen der Ausstellung „Duft der Vergangenheit“ im Mure{enilor-Gedenkhaus gezeigt. Die drei Ausstellungsräume wurden in eine Zeitkapsel umgewandelt, in die man eintritt und oft staunen muss. Der Alltag aus den Jahren zwischen Beginn des 20. Jahrhunderts und den Anfängen des Kommunismus in den 50er Jahren wird aus alten Gegenständen rekonstruiert und bildet einen Blick zurück in die Vergangenheit. Denn nichts zeugt besser von vergangenen Zeiten als Gegenstände. Man taucht ein in Zeiten, die man vielleicht nie erlebt hat oder die man noch aus der Kindheit kennt. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Spielzeugmuseum-Verein aus Bukarest organisiert und war schon in mehreren rumänischen Städten zu sehen.
Die Geschichten hinter den Gegenständen
Der Sammler Cristian Dumitru, in dessen Besitz sich die Gegenstände der Ausstellung befinden, hat über 100.000 Museumsobjekte. „Es sind Gegenstände, die Leute aus dem 20. Jahrhundert im Alltag benutzten. Alle sind von hoher Qualität. So gibt es zum Beispiel eine 150 Jahre alte Singer-Nähmaschine, die perfekt funktioniert. Es gibt auch Sprühgeräte, die noch immer funktionsfähig sind“, meint Dumitru. Die Nähmaschine ist eine der teuersten Objekte der Sammlung und ihr Besitzer kennt ihre Geschichte gut.
„Wir entdeckten, als wir eine Rechnung aus den 1920er Jahren fanden, dass Singer tatsächlich den ersten Leasingvertrag der Welt auflegte. Die Nähmaschine war so teuer, dass eine Näherin 3 bis 4 Jahre, wenn nicht sogar 10 Jahre brauchte, um sie zu bezahlen. Mit einer Anzahlung von 10 % und monatlichen Raten, die sie mit ihrer Arbeit verdiente, hatte sie einen Anreiz, Kunden zu gewinnen, um den Kredit abzubezahlen. Zum Glück funktionierte die Nähmaschine viel länger, als der Leasingvertrag dauerte. Es gibt 100 Jahre alte Singer-Nähmaschinen, die auch heute noch einwandfrei funktionieren.“
Alle Gegenstände verbergen eine Geschichte. Während man zwischen den Regalen wandert, fragt man sich: Bei welchen Bällen und von welchen eleganten Damen wurden die Pailletten-Handtaschen getragen? Wem gehörte der Revolver und wurde er jemals benutzt? Wer sind die vielen Leute auf den Fotografien? Wer hat die Wahrsage-Karten benutzt und konnte man damit wirklich die Zukunft voraussagen?
Die faszinierende Welt der Wahrsagekarten
Auch damals haben die Menschen geliebt, gelesen, gekocht, Kosmetik-Produkte verwendet, auch damals haben sie Veranstaltungen besucht, haben gearbeitet und gefeiert. Und auch damals haben sie sich gefragt, wie wohl die Zukunft aussehen wird.
Überhaupt sind die Wahrsagekarten in der Ausstellung (auch dank ihrer schönen Illustrationen) faszinierend und eine separate Ausstellung über das Wahrsagen wäre vielleicht auch interessant. Dass sich Menschen in Zeiten großer Umbrüche und Unruhen vermehrt spirituellen Praktiken zuwenden, wirkt heute absolut verständlich. Die sogenannten „Zigeunerkarten“ wurden meistens in Wien hergestellt und im Laufe der Jahre mehrmals verändert und aktualisiert.
Die auf den Karten befindlichen Schlagworte in mehreren Sprachen weisen darauf hin, dass ihr Ursprung in den Themenkreisen und Symbolen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu finden ist. Hauptzielgruppe war wohl die gehobene bürgerliche Gesellschaft – und ganz besonders die Damenwelt. Die Stärke des Decks liegt eindeutig in seinen vielen Gefühlskarten, die feinste Schattierungen bei der Analyse von delikaten Herzensangelegenheiten, aber auch von anderen besorgniserregenden oder erfreulichen Familien-Ereignissen ermöglichen. Die Karten wurden im Quadrat ausgelegt. Die Divination erfolgt anhand derjenigen entstehenden Paarungen, bei denen sich die Motivhälften zweier benachbarter Karten zu einem vollständigen Bild ergänzen. Das Wissen über diese Karten ist noch recht gering und es gibt dazu leider nur wenig Fachliteratur.
Manche Objekte wurden in Kronstadt hergestellt
Die Ausstellung umfasst auch Gegenstände, die in Kronstadt hergestellt wurden, darunter verschiedene Creme-Behälter aus der ehemaligen Nivea-Fabrik oder ein Leukoplast.
Die nächste Ausstellung, so Cristian Dumitru, könnte eine mit Fotoapparaten sein.
Die Ausstellung „Duft der Vergangenheit“ wird bis im Monat Juni zu sehen sein. „Wir wollen Kronstädtern und Touristen die Möglichkeit bieten, die Ausstellung auch während der langen Nacht der Museen im Mai zu besuchen“, meint Museumsdirektor Valer Rus.
Die Besucher werden montags von 11 bis 17 Uhr und dienstags bis samstags von 9 bis 17 Uhr erwartet.
Während man die vielen Gegenstände hinter den Glaswänden bewundert, fragt man sich natürlich: Wird es in Zukunft eine Ausstellung mit Gegenständen aus den 2020er Jahren geben? Wie wird sie aussehen? Und wie werden die Menschen der Zukunft reagieren, wenn sie durch die Ausstellungsräume gehen und sich dabei Smartphones, Computer, TV-Geräte, Kleidung und Zeitungen anschauen? Wird es diese Gegenstände in 50 Jahren noch geben? Was werden sie sich über unser Leben vorstellen? Und wird es überhaupt noch Museen geben, in der Form, wie wir sie heute kennen?