„Wieder ein himmlischer Tag!“ Mit dieser Aussage begann das Spiel „Tägliche Tage“, eine Adaption nach Samuel Becketts „Glückliche Tage“. Eine Frau Mitte 50, bis zu den Hüften, zum Schluss bis zum Hals in einem Sandhaufen oder in der Erde begraben, muss ihren täglichen bzw. glücklichen Tag in einer scheinbar endlosen Wüste mit ihrem fast stummen Mann verbringen. Unter diesen Umständen spielt sich das Leben des Ehepaares Winnie und Willie ab.
Die äußeren Gegebenheiten sind zugleich einfach und schwierig. Jeder Tag beginnt mit der Feststellung, es sei ein täglicher Tag, und endet mit der gleichen Feststellung. Es ist zugleich Qual und Hoffnung, aus jedem Tag einen täglichen glücklichen Tag zu machen: Winnie redet unaufhörlich und füllt den täglichen Tag mit ihren Gedanken und Erinnerungen. Dabei hat Winnie einen rätselhaften Sack mit ihren wenigen Besitztümern bei sich, in dem sie, wenn sie in ein Ideenvakuum gerät, nach einem Gegenstand kramt und sich einer neuen Beschäftigung bzw. einem neuen Monolog widmet.
Die Bühne bietet einen Überlebenskampf in der von Beckett konzipierten öden und unfreundlichen Landschaft. Während Winnie in ihrem Sandhaufen eingegraben ist, lebt ihr Ehemann Willie hinter dem Sandhaufen, man sieht ab und zu einen Arm oder einen Fuß, viel später kommt Willie zum Vorschein, kriecht um den Sandhaufen herum und begibt sich mühevoll auf die Toilette. Es gibt keine weiteren Personen: Das Stück besteht sozusagen in der Rolle der etwas reiferen Frau, die versucht, ihren Tag durch einen unaufhörlichen Redeschwall zu füllen. Da ihr Ehemann Willie kaum als Lebens- und Gesprächspartner gelten kann, sucht Winnie einen Bezug zu den Dingen um sich herum bzw. zu den Gegenständen im Sack, die ihr einen Halt geben.
Winnie erlebt nichts, sie lebt aus einer Handvoll Gegenständen und Erinnerungen, aus biografischen Fetzen, Lebensmottos und Schlagerversen. Winnie lebt eine Lebenslüge. Obwohl ein täglicher glücklicher Tag angesagt wird, funktioniert nichts mehr, Winnie nimmt die Realität ihrer Existenz nicht mehr wahr, sie macht sich etwas vor, um weiterhin täglich glückliche Tage zu erleben. Sie tut es aber unbewusst, um das Leben auszuhalten, um der Wirklichkeit nicht ins Gesicht blicken zu müssen.
Das menschliche Ableben wird in Becketts Stück „Glückliche Tage“ angesprochen. Die Absurdität der menschlichen Existenz wird schon äußerlich anhand der beiden „Restkörper“ angedeutet – sie zeigt anfangs einen Oberkörper, dann bleibt nur der Kopf, er zeigt mal eine Hand, mal einen Fuß oder ein Bein, letztendlich erscheint er als ein kriechender Vierbeiner, der am Ende von einem Aufflackern sexueller Gier einigermaßen belebt wird.
Der groteske Höhepunkt dient jedoch der Karikierung der Spezies Mensch.
Es ist dem Theaterensemble „Duo Bastet“ (Carmen Puchianu und Robert Elekes) gelungen, die Atmosphäre in Becketts Stück auf der Bühne der Kronstädter Redoute wiederzugeben. Carmen Puchianu spielte mit überzeugender Koketterie Winnies Selbstlüge, ließ eigene Kommentare in Becketts Originaltext einfließen.
Die Absurdität des gegebenen skurrilen Alltags steigerte die Protagonistin ebenso durch lächerliches Philosophieren zu Banalitäten, wie zum Beispiel zum eigenen Brillen- bzw. Nicht-Brillengesicht. Summarisch kostümiert suggerierte Puchianu durch Sprache, Mimik und Gestik die Kluft zwischen Winnies Einbildung von sich selbst als reizende, anziehende, glückliche Frau und der Wirklichkeit. Die intensive Pflege und Kosmetik eines eigentlich in ein Grab versinkenden Körpers, der unaufhörliche Redeschwall über den täglichen, glücklichen Tag, sentimentale Liedchen verkörperten letztendlich eine authentische Winnie.
Robert Elekes in der Figur des stummen Willie bot eine wunderbare akrobatische Show der grotesken Umstände. Im Vergleich zu Becketts Stück, lässt Willie von Anfang an etwas mehr von sich sehen, um dann auf allen Vieren über die Bühne zu kriechen und halsbrecherische Akrobatik zu betreiben, um die Absurdität sowie Qual der menschlichen Existenz zu vermitteln.
Das Ende überrascht: Winnie und Willie tauschen die Rollen nach einem verrückten Tanz in einem weißen Schlauch, als ob beide nun neu in die Existenz des anderen geboren wurden. Alles in allem, eine gelungene Inszenierung des menschlichen Ausklangs, der menschlichen Existenz als Grenzsituation zwischen Leben und Tod.