Der ehemalige Honterianer Andor Barabás ist der neue Präsident der europaweiten Jugendorganisation der Minderheiten- Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV). Der 25jährige, der in Zeiden aufgewachsen ist, hat vor Kurzem sein Masterstudium in „Leadership und Kommunikation in internationalen Organisationen“ an der Klausenburger Babe?-Bolyai-Universität beendet. Über die Herausforderungen seines Amtes und über seine Zukunftspläne sprach mit Andor Barabás die KR-Redakteurin Elise Wilk.
Herr Barabás, für die Leser, die es vielleicht nicht wissen: Was ist die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen (ADJ)? Was ist die Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV), in dessen Vorstand sie gerade gewählt worden sind?
Die ADJ ist der Dachverband der Deutschen Jugendorganisationen in Rumänien und die wichtigsten Ziele dieser Organisation sind die Interessenvertretung der Jugendlichen der Deutschen Minderheit Rumäniens und die Förderung der Deutschen Minderheit durch jugendspezifische Aktivitäten. Dies wird durch Koordinierung und Vernetzung der Arbeit der Mitgliedsvereine und durch die Durchführung landesweiter Veranstaltungen erreicht. Da ich aktiv in den letzten Jahren in der ADJ war, hat mich diese für den Vorstand der Jugend Europäischer Volksgruppen nominiert.
Die Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV), auch unter dem englischen Namen Youth of European Nationalities (YEN) bekannt, ist das größte Netzwerk von Jugendorganisationen der autochthonen und nationalen Minderheiten in Europa. Das bedeutet, dass Jugendorganisationen / -verbände aus ganz Europa Mitglieder von YEN sind und die Hauptzielgruppe unserer Arbeit sind und auch der Grund, warum wir existieren. Durch sie erreichen wir Einzelpersonen - junge Menschen zwischen 16 und 35 Jahren. Momentan sind in der JEV 41 Mitgliedsorganisationen aus 18 Ländern vertreten. Diese Organisationen unterscheiden sich sehr voneinander. Wir haben große Organisationen wie den Südtiroler Jugendring, der ebenfalls ein Netzwerk ist und mit seinen Strukturen ca. 80.000 Jugendliche erreicht. Wir haben aber auch kleinere Organisationen wie Pomorania, eine in Polen ansässige kaschubische Jugend-Nichtregierungsorganisation, oder politische Jugendorganisationen wie Junge Spitzen, die die deutsche Minderheit in Dänemark vertreten.
Die JEV ist Mitglied der Föderalistischer Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), Vollmitglied des Europäischen Jugendforums (YFJ) und hat ein Beraterstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC).
Welche Aktivitäten finden im Rahmen dieser Organsationen stat tund welches sind die wichtigsten Ziele?
Wir organisieren viele Seminare, die auf Methoden der nicht-formalen Bildung basieren, und letztens haben wir einige digitale Aktivitäten wie Webinare, Diskussionsgruppen organisiert und bald werden wir einen E-Learning-Kurs anbieten. Die Themen, mit denen wir uns bisher befasst haben, sind Demokratie, Menschenrechte, soziale Eingliederung, Diskriminierung usw. In den letzten Jahren haben wir uns auch mit Intersektionalität befasst und andere soziale Gruppen und ihre Erfahrungen mit Diskriminierung untersucht.
Gemeinsam mit ihren Mitgliedsorganisationen strebt die JEV ein dynamisches, multikulturelles und vor allem vielsprachiges Europa an. Die JEV versteht sich als eine selbstbestimmte und selbstorganisierte Jugendorganisation, deren Tätigkeit von jungen Menschen ausgeführt und bestimmt wird.
Sie stammen aus einer ungarischen Familie, sind aber in einem siebenbürgisch-sächsischen Umfeld aufgewachsen: nach dem Besuch der Deutschen Grundschule in Zeiden folgte das Johannes Honterus-Kolleg in Kronstadt. Außerdem haben sie in der sächsischen Tanzgruppe aus Zeiden mitgemacht. Wie stark hat Sie dieses Umfeld geprägt? Welches sind Ihrer Meinung nach die Vorteile eines jungen Menschen, der in einem multikulturellen Umfeld aufwächst?
Diversität und Multikulturalismus bereichern die Gesellschaft und erweitern den Horizont eines Individuums. Ich hatte großes Glück, in einem solchen Umfeld aufzuwachsen: meine Muttersprache ist Ungarisch, danach habe ich Deutsch im Kindergarten gelernt und Rumänisch konnte ich ab der 1. Klasse lernen. Nur wenn wir uns die Sprachen ansehen, die ich schon in meiner Kindheit gelernt habe, kann ich daraus schließen, dass dies mir ermöglicht hat verschiedene Kulturen besser zu verstehen und intensiver sie zu erleben. Diese Mehrsprachigkeit hat auf jeden Fall in meinem Leben viele Türen geöffnet und hat mir geholfen mich u. a. auf regionaler und europäischer Ebene in der Frage der nationalen, ethnischen und sprachlichen Minderheiten zu beteiligen.
Vor Kurzem haben Sie auch Ihr Masterstudium in „Leadership und Kommunikation in Internationalen Organisationen“ an der Klausenburger Babe?-Bolyai Universität beendet. Was ist das Wichtigste, dass sie hier gelernt haben?
Das Wichtigste, was ich während meines Studiums gelernt habe, war das Wissen über die Grundlagen europäischer Institutionen und wie wichtig sie für die Demokratie und die Bürger sind. Nicht umsost ist das Europamotto „In Vielfalt geeint”: wir, als Europäer, müssen uns für Frieden und Wohlstand einsetzen und es zu erkennen, dass die vielen verschiedenen Kulturen und Sprachen in Europa eine Bereicherung für den Kontinent darstellen, genauso wie auch die nationale Minderheiten für die einzelnen Staaten es abbilden.
Welches sind zur Zeit ihre wichtigsten Prioritäten als Präsident der JEV?
Als Präsident der JEV werden meine Prioritäten für den kommenden Zeitraum werden u. a. darin bestehen, das Netzwerk mit neuen Mitgliedern und Partner*innen zu stärken. Ich bin überzeugt, dass es notwendig ist, unserer Kommunikationsabteilung mehr Ressourcen zuzuweisen. In der kommenden Zeit, die von der COVID-19-Pandemie beeinflusst ist, werden wir mehr digitale Präsenz benötigen. Es würde mich auch freuen, bei der Vernetzung zwischen den Mitgliedsorganisationen zu helfen und mehr Unterstützung an die Mitgliedsorganisationen zu leisten.
Leben Sie zurzeit in Zeiden?
Dieses Jahr im Sommer habe ich das Masterprogramm erfolgreich abgeschlossen und bin seitdem von Klausenburg nach Zeiden zurückgezogen.
Viele junge Leute verlassen Rumänien, um im Ausland zu studieren. Einige davon kehren nach Abschluss des Studiums zurück und bringen gute Ideen mit, die sie in ihrer Heimat einsetzen, oder engagieren sich sozial. Andere entscheiden, im Ausland zu bleiben, wo es ihrer Meinung nach bessere Perspektiven gibt. Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der noch unentschieden ist, ob er in Rumänien oder im Ausland bleiben soll?
Die Antwort auf diese Frage ist interessant, denn obwohl ich in Rumänien fürs Studium geblieben bin, plane ich trotztdem noch ein Masterstudium im Ausland zu absolvieren. In unseren Zeiten ist es sehr wichtig, so viel Erfahrung wie möglich aus der ganzen Welt zu sammeln, damit positive Ergebnisse aus unseren Aktivitäten hervorkommen und man gute Projekte und Methoden auch mit anderen teilen kann. Natürlich hängt es von jedem Menschen ab, wie er sein Leben planen möchte, aber ich glaube es ist wichtig für uns, als Jugendliche aus nationalen, ethnischen und sprachlichen Minderheiten, in unserer Gemeinschaft lokal, aber auch auf einer breiteren europäischen und internationalen Ebene teilzunehmen und aktiv zu sein.
Herr Barabás, wir danken für das Gespräch!