Die deutschsprachige Gemeinschaft in Rumänien, die in den letzten Jahren durch Zuwanderer und Rückkehrer aus den Reihen der Siebenbürger Sachsen und Landler gewachsen sein soll, findet in Hermannstadt jeden Monat durch das Siebenbürgen-Netzwerk, organisiert durch Dipl. Ing. Dirk Beckesch, zusammen.
Beckesch wurde in Deutschland in einer siebenbürgisch-sächsischen Familie geboren und sein Interesse für Rumänien war schon immer groß. Das „Pendeln zwischen den Welten“, wie er es nennt, also zwischen Berlin und Siebenbürgen, hat schon 1988, vor der Wende, begonnen. 2009 hat er sein erstes Zimmer in Hermannstadt gemietet, nach sieben Jahren kaufte er eine Wohnung und 2019 erfolgte die endgültige Abmeldung in Deutschland. Als er noch in Berlin lebte, hat er den Siebenbürgen-Stammtisch organisiert. Immer jeden zweiten Donnerstag im Montag trafen sich Siebenbürger in einem Lokal in Berlin Mitte. Das Konzept hat er in seine neue Heimat importiert, seit November 2017 gibt es den regionalen Stammtisch in Hermannstadt. Und einmal im Jahr findet bei der Villa Hermani in Măgura das Treffen des Siebenbürger Netzwerks statt.
Die Teilnehmer sind Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Motivationen, denen gemeinsam ist, dass sie in Siebenbürgen ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Das Treffen soll der deutschsprachigen Gemeinschaft Gelegenheit zum Kennenlernen und zum Austausch bieten. Neu Zugewanderte können erste Kontakte knüpfen. Potentiell zukünftigen Zuwanderern bietet das Treffen die Gelegenheit, sich Mut für ihr Vorhaben zu machen und sich vorab zu vernetzen. Als Rahmenprogramm sind Spaziergänge und Ausflüge in der Region geplant.
Nach zwei gelungenen Auflagen in den Vorjahren fand am Wochenende 6.-8. Dezember 2024 das Treffen in M˛gura zum dritten Mal statt. Mit einer Vorstellungs- und Diskussionsrunde am Freitagabend und einem Ausflug durch das malerische Măgura und einer Kirchenführung mit Horst Schuller in Zeiden am Samstag.
Anpassung an eine andere Mentalität
Das Programm hört sich spannend an. Die Vorweihnachtsstimmung Anfang Dezember ist allerdings von den Präsidentenwahlen in den Schatten gestellt. Rumänien hat wieder einmal für Schlagzeilen gesorgt. Damit fängt unser Gespräch auch an, als wir durch die schmalen Straßen in Zernen hinauf nach M˛gura fahren. Das, was der Rückkehrer als Instrument und als Bereicherung einsetzen könnte – seine Haltung und Mentalität findet hier nicht direkten Gebrauch, denn die rumänische Welt funktioniert für einen, der zuwandert, bzw. für einen, der nach vielen Jahren die alte Heimat aufsucht und sich hier einbringen will, zumindest am Anfang ganz anders. Die Einstellungsunterschiede scheinen auf ersten Blick unüberwindbar, der Blick in die Kulissen wirkt stets entrüstend. Daran denke ich, während es draußen schon dunkel geworden ist.
Beim Ankommen trifft man auf einige Teilnehmer um den Tisch. Einige kennen sich schon, die Mehrheit ist aber zum ersten Mal bei der Veranstaltung. Es wird unter anderen auch der Stand der sächsischen Häuser und deren Erhalt besprochen: Der Ankauf, die komplizierten rechtlichen Vorgehensweisen.
Hermann Kurmes, unser Gastgeber und der Verwalter von Carpathian Nature Tours bzw. der Villa Hermani – selbst eine der bekanntesten Erfolgsgeschichten eines Rückkehrers - stellt kurz vor der Einladung zum Abendessen einen Gedanken in die Runde. Der Verfall der Häuser tut sicherlich sehr weh. Allerdings sollte man auch einsehen, dass in den meisten Fällen auch die Auswanderer selbst manchmal etliche – meistens viele – Jahre vor der Auswanderung nichts mehr zum Erhalt des eigenen Hauses investiert haben, insofern sie auf die Auswanderung warteten und das Haus schon lange in den Gedanken aufgegeben hatten. Wie findet man also ein Haus wieder, dessen letzte Instandhaltung manchmal schon über 50 Jahre zurückliegt? Meine Gedanken gehen zu Namen von Rückkehrer oder Einkehrer, die es hier zu etwas gebracht haben. Es mangelt an ihnen nicht. Was hat sie für den Erfolg empfohlen? Wie können sie die Tür, durch die sie es geschafft haben, sich einzubringen, auch für andere offen halten? Andererseits kennt man die Namen derer, die es nicht geschafft haben, gar nicht. Gibt es sie? Woran sind sie gescheitert?
Beeindruckende Lebensgeschichten
Nach dem Abendessen stellen sich die Teilnehmer vor. Wie erwartet sind ihre Geschichten beeindruckend. Hauptsächlich in den Dörfern und Städten Siebenbürgens geboren, stammen die meisten aus sächsischen Familien und manche haben nun gemischte Ehen, wobei die Ehemänner oder die Ehefrauen in den meisten Fällen Deutsche oder Rumänen sind. Manche sind in Deutschland geboren und kehren ins Land der Eltern und Großeltern zurück. Andere hingegen sind Deutsche und entscheiden sich für ein Leben näher an der Natur. Einige sind gleich nach der Wende wieder ins Land zurückgekommen. Einige haben diesen Entschluss nach der Pandemie gefasst. Und es gibt auch diejenigen, die immer zwischen Rumänien und Deutschland gependelt sind.
In Rumänien waren einige Hochschulabsolventen, andere hatten Berufe erlernt – Schlosser, Elektrotechniker, technische Zeichnerin, Werkzeugmacher. Viele reden über Schuljahre im Honterus-Gymnasium, in Mediasch oder Schäßburg.
Die Perspektive des „es war die Entscheidung meiner Eltern, auszuwandern, nicht meine“ ist vertreten; auch die Perspektive dessen, der illegal über die Grenze geflohen ist und mit falschem Pass nach Deutschland kam. Eine Frau erzählt, dass sie alleine als junges Mädchen ausgewandert ist, wobei ihre Eltern in Rumänien geblieben sind. Andere meinen „für mich war in Deutschland gleich die zweite Heimat, denn mein ganzes Dorf war bereits da!“.
Ausnahmslos haben alle in Deutschland recht leicht Arbeit gefunden – gut oder weniger gut bezahlt. In manchen Fällen wurden die rumänischen Studien anerkannt, in anderen Fällen nicht. Manche haben ganz neue Karrierewege eingeschlagen: von technischer Zeichnerin zu Krankenschwester, von Werkzeugmacher zu LKW-Fahrer. Andere haben das in Rumänien Erlernte sich zu Nutzen gemacht und arbeiten für deutsche Unternehmen mit Kunden aus Rumänien. Ein Mann erzählt, dass er ausgewandert ist, bevor er das Abitur machen konnte. Er kam dann gerade im Dezember 1989 zurück, um sein Abitur zu schreiben, und berichtet wie er die Umwälzungen der Zeit miterlebt hat. Viele sind sich einig: das Schwerste bei der Aus- und Einwanderung ist die Anpassung an die Mentalität des neuen Landes.
Es gab aber auch die Perspektive einer Nichtanpassung an das Leben in Deutschland. Es wird erzählt von Geldproblemen, schwarz bezahlten Arbeitsplätzen, schlechten Lebensbedingungen, Isolierung, viel Sorge und Frust. Zurückgekehrt sind zwei von den Gästen durch ständige Fahrten mit Hilfstransporten nach 1990. Einer hatte seine Lebenspartnerin hier, der andere wurde schließlich von der deutschen Firma, mit der er nun arbeitet, nach Rumänien entsandt.
Meistens ist es aber eine neue Etappe im Leben, die den Rückkehrer nach Rumänien bringt. Jemand erzählt, er hat Rumänien gewählt, weil er schon seit der Studentenzeit vom Ostblock her, immer hier im Land schöne (Sommer)Ferien verbracht hat. Ein anderer Gast erzählt von seiner siebenbürgischen Mutter, die Malerin war und von einer Auszeit in Rumänien. Dieses Suchen nach Ruhe, nach dem kreativen Selbst hat ihn dazu bewegt, sich hier ein Leben aufbauen zu wollen und die Karriere als Industriedesigner in Deutschland aufzugeben. Er ist nun Reiseleiter und hat eine Ausbildung zum Wildnisführer.
Wie kann man die Dörfer wieder beleben?
Diejenigen, die hier in ihrer Karriere aktiv sind, sprechen von einer Welt, in der es viel zu tun gibt, allerdings von einem Rumänien, aus dem über 5 Millionen Menschen im Ausland arbeiten und dem somit die Arbeitskräfte und die ausbildenden Schulen fehlen. Die deutsche oder rumänische Krankenkasse und die Steuerabgaben werden auch besprochen – im weiteren Rahmen der Überlegungen, wie man sein Engagement hier zu Lande beweisen kann. Pfarrer Uwe Seidner aus Wolkendorf, der auch bei der Veranstaltung anwesend ist, erklärt sich bereit, Aufklärungen zu den Vorgehensweisen der Rumänischen Landeskirche zu geben.
Die erste Frage, die ihm gestellt wird, bezieht sich auf die Bestimmung des Wohnsitzes – ob sie gesetzlich festgelegt ist. Die Zweite, ob die Kirche einer Gemeinde die Eigenständigkeit jemals abgesprochen hat.
Diejenigen, die zurückgekommen sind, müssen die Mittel haben, um zu beweisen, dass man sich zum Erhalt einbringt und erst so kann man auch andere Ausgewanderte dafür begeistern, ohne dass man voraussetzt, dass direkt 500 Leute über Nacht ins verlassene Dorf wiederkommen – das sei nämlich Utopie. Jemand ergänzt diese Idee. Er argumentiert auch, dass eine eventuelle Rückkehr nur graduell und nicht so plötzlich, wie bei der Auswanderung, stattfinden kann. Er gibt ein Beispiel von Hiergebliebenen, die ihre Häuser und andere in Großpold schön hergerichtet haben und nun Touristen empfangen, langsam Mentalitäten ändern. Pfarrer Seidner bringt es auf den Punkt: „Man braucht Menschen, die kulturell dazu stehen und sich dafür einsetzen. Leute, die sagen: Dies ist eine wertvolle Kirchenburg, ein Kulturerbe und es lohnt sich, sie zu erhalten. Hier müsste man mehr ansetzen und eben einsehen, dass wir die evangelischen Kirchen und Gemeinden nicht mehr vollzählig kriegen. Nach 50 Jahren Kommunismus ist das aber eine schwere Herausforderung, denn die Menschen werden sich nicht damit identifizieren. Das beste Beispiel dafür sind die ungarischen Adelssitze und wie sich niemand mehr für sie eingesetzt hat, weil sich niemand mehr mit ihnen identifiziert hat. Aber es ist eine wertvolle Bausubstanz und kulturelles Erbe einer Region.“ Auch die Bestimmungen, die die Mitgliedschaft von Rückkehrern und Einwanderern im Demokratischen Forum der Deutschen festlegen, müssten laut manchen Stimmen umformuliert werden – dafür werbe man schon seit längerer Zeit.
Am nächsten Tag findet der Ausflug nach Măgura gleich nach dem Frühstück statt. Wir gehen lange. Als wir die Villa in der Ferne wieder erblicken können, fragt jemand aus der Gruppe, warum wir so gegangen sind. Hermann Kurmes antwortet freundlich: „Na, wenn man von uns losgeht, geht es nur den Hügel hinunter und über den nächsten wieder zurück. Es gibt keine geraden Wege! Wenn man nicht umkehren möchte, geht man ein Stück geradeaus, dann muss man ins Tal absteigen und dann den ganzen Berg wieder hinauf. Danach geht man nochmal dieselbe Strecke auf der anderen Seite, bis man schließlich wieder ankommt“. Ich denke nur: Wie passend!