20 Mal im Jahr finden die Abonnenten die Siebenbürgische Zeitung (SbZ) in ihrem Postfach. Vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland herausgegeben, informiert sie ihre Leser seit 1950 über die neuesten Ereignisse in der Gemeinschaft. Heute veröffentlicht die Siebenbürgische Zeitung mit dem Untertitel „Zeitung der Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen“ im Durchschnitt 28 Seiten. Der aus Brenndorf stammende Siegbert Bruss (Jahrgang 1962) arbeitet seit 1994 bei der SbZ. Seit Mai 2002 leitet er die Redaktion. In Rumänien hat er nach einem Philologie-Studium in Temeswar als Lehrer für Englisch und Deutsch in Zeiden gearbeitet, bevor er im April 1991 nach Deutschland auswanderte. Nach einer einjährigen Fortbildung zum Vertriebs- und Marketingassistenten bei Klett WBS in Stuttgart widmete er sich einer Karriere im Journalismus. Für ihn ist die Siebenbürgische Zeitung ein wichtiges Instrument zum Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft. Sie ist mehr als nur eine Zeitung, sie ist eine Struktur, die die Gemeinschaft zusammenhält und ihre Existenz fördert. Über die täglichen Herausforderungen der Redaktion in der Karlstraße in München, unweit des Hauptbahnhofes, sprach mit Siegbert Bruss die KR-Redakteurin Elise Wilk.
Herr Bruss, die erste Nummer der SbZ, mit dem Untertitel „Nachrichten für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland“ erschien im Juni 1950. Wie kam es dazu?
In der Nachkriegszeit hatte es viele Siebenbürger Sachsen nach Deutschland verschlagen. Am 26. Juni 1949 in München gründeten sie als „Bürgerinitiative“ den Verband der Siebenbürger Sachsen. Genau ein Jahr später, im Juni 1950, erschien die erste Siebenbürgische Zeitung. Die Geschichte unserer Zeitung ist eine des Wiederaufbaus, der Pioniere, die in einer für sie neuen Umgebung die Schulter anlegten, sich eine neue Existenz aufbauten und sich aktiv in die Gesellschaft, in Politik, Kultur und Wirtschaft, einbringen.
Welches war die größte Auflage, die die SbZ jemals hatte? In welcher Auflage wird sie heute gedruckt?
Ende der 90er Jahre wurden 28.000 Exemplare gedruckt. Heute sind es 21.000. Die Gemeinschaft schrumpft zwar zahlenmäßig, beweist aber ihre Stärke durch ihr vielfältiges und engagiertes Wirken in den Ländern, in denen die Siebenbürger Sachsen heute zu Hause sind. Heute wird die Zeitung in 18 Ländern der Welt gelesen.
Jahrzehntelang war die Zeitung im Dienste der Gemeinschaft. Welches sind die wichtigsten Errungenschaften bisher?
Wir bemühen uns dauernd um den Erhalt der Identität und des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen. Wir wollen, dass unsere Werte an die Jugend weitergegeben werden. Das ist uns bisher gelungen. Ebenfalls ist es uns gelungen, eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Institutionen in Siebenbürgen aufzubauen. Wer die Zeitung liest, findet zugleich eine Chronik des Einsatzes für die Rechte der Siebenbürger Sachsen, die überall eine Minderheit sind und ihre Rechte oft einstreiten müssen. Der Verband der Siebenbürger Sachsen hat sich im Laufe der Jahrzehnte große praktische Verdienste erworben, um den rechtlichen Rahmen zu schaffen, der uns heute eine sorgenfreie Existenz ermöglicht: Lastenausgleich, Familienzusammenführung, Einsatz für die Minderheitenrechte in Rumänien, Renten, Eigentumsrückgabe, um nur einige Bereiche zu nennen. Alle wichtigen Demarchen zur Zukunftssicherung, die der Verband in enger Zusammenarbeit mit dem Forum und der evangelischen Kirche in Siebenbürgen unternimmt, werden publizistisch von der Siebenbürgischen Zeitung begleitet und vorangebracht. Auf diese Weise ist der Wirkungskreis der Siebenbürger Sachsen in den letzten Jahren größer geworden, sie gestalten das gesellschaftliche Leben in Deutschland, Österreich und Rumänien viel bewusster mit als in den Jahrzehnten zuvor.
Sie setzen die Siebenbürgische Zeitung wohl auch als Mittel ein, um die Leser zu verschiedenen Aktionen zu mobilisieren.
Den größten Spendenaufruf in seiner Geschichte lancierte der Verband der Siebenbürger Sachsen, zusammen mit anderen siebenbürgischen Einrichtungen, im Sommer 2015 über die SbZ. Es ging um die Rettung von Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar, nachdem der Hilfsverein „Johannes Honterus“ e.V., der damalige Träger, Insolvenz angemeldet hatte. Gemeinsam haben wir es geschafft, das Schloss und die zentralen siebenbürgischen Kultureinrichtungen zu retten. Als neuer Trägerverein wurde das Siebenbürgische Kulturzentrum „Schloss Horneck“ e.V. gegründet. Zudem unterstützen wir Initiativen zum Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes in Rumänien, etwa 2008 nach der Brandkatastrophe in Bistriz oder 2016, als die Kirchtürme von Radeln und Rothbach einstürzten. Das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, das seinen Sitz ebenfalls hier in der Karlstraße hat, steht für die soziale Solidarität. Diese gab es übrigens schon immer, auch im Kommunismus, bloß wurden die Pakethilfen damals – an der Öffentlichkeit vorbei – von Privatperson zu Privatperson organisiert.
Wie groß ist das Redaktionsteam heute?
Das Zeitungsteam umfasst heute vier Mitarbeiter, zwei Redakteure und zwei Angestellte im Anzeigenbereich. Es gibt außerdem ein großes Netz von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Pressereferenten der Kreisgruppen des Verbands und der Heimatortsgemeinschaften. Für die Pressereferenten bieten wir seit 1993 jedes zweite Jahr Presseseminare an. Unser Team steht permanent vor neuen Aufgaben. Bis 2001 wurde das Layout in der Druckerei gestaltet, seither gestalten wir es selbst und sparen erhebliche Kosten. Seit Oktober 2000 sind wir auch online, unter www.siebenbuerger.de. Zum 60-jährigen Jubiläum der SbZ im Jahr 2010 wurden alle bis dahin erschienenen Jahrgänge digitalisiert und sind seitdem für Online-Recherchen für alle Mitglieder und Forscher zugänglich.
Wie wichtig ist der Online-Auftritt für die SbZ? Können Sie uns in dieser Hinsicht einige Besucherzahlen nennen? Wie versuchen Sie, neue Leser zu finden?
Unsere Webseite hat unter allen siebenbürgischen Medien die stärkste Präsenz im Internet. Die Inhalte werden maßgeblich von den Redakteuren gestaltet, während ein sehr kompetentes Webmasterteam für die innovative Technik und das Design zuständig ist. Täglich werden drei Artikel in der SbZ Online veröffentlicht, der deutsch-rumänische Presse-spiegel wird aktualisiert und monatlich wird der Newsletter redigiert. Alle Termine, die in der gedruckten Ausgabe des Blattes erscheinen, werden auch in die Online-Veranstaltungsdatenbank eingespeist. Siebenbuerger.de verzeichnet fünf Millionen Seitenaufrufe pro Jahr. Aktuell gibt es 13.000 registrierte Benutzer, der Newsletter hat 6400 Abonnenten. Ebenfalls sind wir auf verschiedenen Social-Media-Plattformen aktiv – besonders auf Facebook, Twitter, Youtube und Instagram. Auf unserer Facebook-Fanpage haben wir 17.500 Follower.
Verwenden Sie diese neuen Mittel der Kommunikation, um auch andere Interessenten zu erreichen, zum Beispiel junge Leute?
Ja, das tun wir ganz gezielt. In letzter Zeit verwenden wir auch Live-Berichterstattung zur Bekanntmachung und Begleitung größerer Ereignisse, z.B. des Heimattages, Sachsentreffens, des Oktoberfestumzugs oder des Evangelischen Kirchentags in Kronstadt. Dadurch lassen wir unsere Zielgruppe von jedem Ort der Welt aus an unseren Veranstaltungen teilhaben. Den Gottesdienst und die Messe von Kronstadt haben wir Ende September 2017 live übertragen. So erreichten wir viele neue Interessenten. Für das große Sachsentreffen in Hermannstadt im August 2017 haben wir eine Web-App entwickelt. So konnten die Benutzer auf ihrem Smartphone oder Tablet direkt erkennen, welche Veranstaltungen in der Nähe stattfinden. Web-App und Livestreaming brachten uns 1184 Neuabonnenten innerhalb von nur sieben Tagen. Durch die Webseite und den Social Media-Auftritt gelingt es der Zeitung, näher an ihre Zielgruppe zu kommen und interaktiv zu sein. Es ist eine Zeitung, die von den Lesern mitgestaltet wird.
Wie sehen Sie heute die Rolle der Zeitung?
Neben den bekannten journalistischen Aufgaben, Information zu bieten, Kommunikation zu ermöglichen, Geschichte bewusst zu machen, Sympathie für unsere Arbeit nach innen und nach außen zu wecken, steht die Siebenbürgische Zeitung vor einer Aufgabe, die in den Handbüchern für Journalismus und in den größeren Medien nicht vorhanden ist: Wir schaffen Motivation und animieren unsere Landsleute, auch die junge Generation, sich als Teil unserer Kultur und Gemeinschaft zu fühlen und mitzumachen. Unser Informationsblatt stiftet gleichsam Identität und fördert den europäischen Dialog zwischen Ost und West.
Wie sehen Sie die Zukunft der SbZ? Glauben Sie, dass es die Print-Ausgabe in zehn Jahren noch geben wird?
Ganz gewiss wird die Siebenbürgische Zeitung auch in zehn Jahren noch gedruckt und gelesen. Es sind zwar schwere Zeiten für Printmedien, aber wir versuchen, eine interessante Zeitung zu gestalten, auch für junge Leute. Die Perspektiven sind gut. Bei der Gestaltung des Heimattages in Dinkelsbühl gibt es jedes Jahr ein tatkräftiges Mitwirken der jungen Generation. Natürlich müssen alle Zeitungen mit dem Schwinden der Leserschaft kämpfen. Dieser Schrumpfungsprozess kann jedoch gestoppt werden, indem die Zeitung als Netzwerk dient, um die Gemeinschaft fortzuführen. Unsere Zeitung ist eine Struktur, die die Gemeinschaft zusammenhält. Ohne diese Struktur kann sie nicht funktionieren. Seit dem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 sind die Grenzen zwischen hier und dort, hüben und drüben, den in der Heimat Verbliebenen und den Ausgesiedelten durchlässiger geworden. Die Zahl der in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen, die im Sommer ihre Heimat besuchen ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Gemeinschaft lebt, und wir fördern sie nach Kräften.