„Fit für 55“-Paket – lokal und global 

Der zwölfte Kronstädter Energietag

Der diesjährige Kronstädter Energietag fand diesmal im Belvedere-Hotel statt. Foto: der Verfasser

Die Windenergie – nur eine der Alternativen für herkömmliche Energiequellen Foto: commons.wikimedia.org

Nach einer einjährigen, durch die Corona-Pandemie bedingten Pause, fand am 10. September der  von der Kronstädter GmbH REPOM (in Moderation und Wortmeldung vertreten durch Generaldirektor Martin Moise bzw. Berater Jürgen Ludwig) veranstaltete 12. Kronstädter Energietag im Konferenzsaal des Hotels „Belvedere“ statt unter Einhaltung der vorgegebenen gesundheitlichen Schutzmaßnahmen. Das Thema hätte nicht aktueller und umfangreicher sein können. Bei der gut besuchten Tagung sprachen Experten, Vertreter der Lokalverwaltung, per Videozuschaltung drei ausländische Gäste über die Umsetzung der im EU-Paket „Fit for 55“ festgelegten Ziele, über damit verbundene Chancen und Kosten. Über deren Notwendigkeit war es überflüssig zu streiten: es handelte sich nicht um ein Ob (das allgemeine Ziel) dieses in Vorschlägen und Richtlinien genannten Maßnahmenplans der EU-Rechtsvorschriften, sondern um das Wie (der Weg zu deren Umsetzung) – darüber war man sich selbstverständlich auch in Kronstadt bereits bewusst.

Die EU hat sich, als Zwischenetappe für die 2050 angestrebte Klimaneutralität, zum Ziel gesetzt bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Das setzt einen radikalen Wandel voraus, der nicht nur die Wirtschaft betrifft, sondern Konsequenzen für Alltag und Lebensweise von jedem einzelnen Bürger hat. Beim Energietag wurde vor allem auf den Wandel in der  Energiewirtschaft eingegangen, sowohl global als auch lokal für Rumänien und speziell für Kronstadt. Den Veranstaltern ist es erneut gelungen, Referenten einzuladen, die als Insider genau darüber Bescheid wissen, wie z.B. Dan Drăgan – Staatssekretär im Ministerium für Energie, Iulian Iancu – Vorsitzender des rumänischen Landeskomitees beim Weltenergierat (WEC), Zoltan Nagy-Bege – Vizepräsident der Landesbehörde für Energieregulierung und Viorel Lefter - Präsident des Arbeitgeberverbandes der Hersteller von erneuerbarer Energie (PATRES). Mitteilungen gab es auch zu Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. über „Green Bonds“) und technologische Innovation im Bereich Herstellung, Verteilung und Speicherung erneuerbarer Energie. Zugeschaltet wurden Julian Popov (European Climate Foundation), der über die Perspektiven des grünen Wasserstoffs im Energiemix der Zukunft sprach; Tobias Lehberg, Bürgermeister von Saerbeck, eine Ortschaft die den Titel Klimakommune erhalten hat, und Dr. Barbara Saerbeck von „AGORA Energiewende“, die die wichtigsten in Deutschland getroffenen Maßnahmen für die Umsetzung von „Fit for 55“ vorstellte.

Was die globale Perspektive betrifft, so bezweifelt Iulian Iancu, dass die von der EU genannten Ziele auf Weltebene als realistisch betrachtet werden können. Zu groß seien die Unterschiede zwischen EU und Staaten wie China, Indien und Russland. Wenn diese globalen Herausforderungen eine gemeinsame Lösung voraussetzen, so bleiben die Lösungsansätze vor Ort dennoch grundverschieden. Auch der Zugang zu Rohstoffen für neue Technologien (z.B. Lithium, Kobalt, Nickel) sei nicht sicher, weil geopolitische und auch finanzielle Fragen noch nicht geklärt seien.

Von Interesse waren die Bezüge in den Wortmeldungen zu dem auf lokaler Ebene in Sachen „sauberer Energie“ bisher Geleisteten, den damit verbundenen Erwartungen und auch  Herausforderungen. Kronstadts Vizebürgermeisterin Flavia Boghiu sprach über die Notwendigkeit, dass Behörden, Unternehmer und Bevölkerung gemeinsam agieren, um das so ehrgeizige Ziel, und zwar Kronstadt zur grünen Hauptstadt Rumäniens zu erklären, auch zu erreichen. Wichtig sei, in den Schulen Aufklärungsarbeit über Klima- und Energiewandel zu leisten und mit gutem Beispiel voranzugehen, zum Beispiel möglichst viel erneuerbare Energie zu verwenden. Da sei man PATRES dankbar für das zur Verfügung gestellte Know-how. Bürgermeisteramt, Electrica, REPOM und die Kronstädter Uni wollen gemeinsam in einer Nachbarortschaft Kronstadts zeigen, wie grüner Strom vor Ort erzeugt und effizient genutzt wird. Denn, so Martin Moise, das billigste Megawatt bleibt das eingesparte Megawatt.

Nagy-Bege war der Meinung, dass die EU unser Land dazu gebracht hätte, in Sachen Energiewirtschaft das zu tun, was bereits längst getan hätte werden sollen. Prosumer (Energieverbraucher die selbst Elektrizität z.B. dank Photovoltaik erzeugen und ins Netz einspeisen), soll entgegen gekommen werden, indem die diesbezügliche Rechtslage geklärt und vereinfacht wird; Investitionen seien im Verteilernetz aber auch in der Speicherkapazität notwendig; sinnvoll sei es im Sinne der Dezentralisation, in jenen Regionen zu investieren, wo das gegenwärtige Angebot noch ausbaufähig ist. Dan Dr˛gan erwähnte einige der rumänischen Gegebenheiten in der Energiepolitik: Erdgas werde wahrscheinlich stufenweise als „Transit-Brennstoff“ im Zuge der Dekarbonisierung die Kohle ersetzen; die sozialen Kosten (Entlassungen, Rückgang der Wirtschaft in den Kohleregionen) des Übergangs von fossilen Energiequellen können nicht einfach „abgekoppelt“ werden; neue Investitionen in grüne Energie sind notwendige, wobei man viel auch mit EU-Fonds rechnet, da ja dieser Prozess fair und solidarisch gestaltet werden soll. Der Präsident der Kronstädter Industrie- und Handelskammer sprach diesbezüglich seine Sorge aus, über den  Zeitpunkt, ab dem diese Finanzierungsmöglichkeiten zugänglich sein werden. Die Pläne der Investoren seien in Corona- und anderen Krisenzeiten kurzfristiger angesetzt worden, wobei Umgestaltung gemäß „Fit for 55“-Vorgaben für größere Unternehmen auch größere Kosten voraussetze.

Der 12. Kronstädter Energietag war für Fachleute und Interessierte eine willkommene Gelegenheit,  sich über nicht weiter aufschiebbare Wandlungen im Energiebereich zu informieren und auszutauschen, Kontakte untereinander zu knüpfen oder ältere Bekanntschaften aufzufrischen.