Auf der Suche nach dokumentarischen Spuren der Honterusfeste der 1950er Jahre hat der Verfasser auch die rumäniendeutsche Presse jener Zeit durchforstet - die Tageszeitung „Neuer Weg“ (Bukarest) und die „Volkszeitung“ (Kronstadt, damals Stalinstadt). In den NW-Jahrgängen aus jener Zeit ist er nicht fündig geworden (allerdings ist nicht vollends auszuschließen, dass er nicht an der richtigen Stelle gesucht hat bzw. etwas übersehen haben kann). Hingegen entdeckte er einen kurzen Bericht in der „Volkszeitung“ vom 20. Juni 1957, wobei darauf hingewiesen sei, dass dieses Wochenblatt erst drei Wochen vorher aus der Taufe gehoben worden war. Der auch mit einem Foto illustrierte Bericht über das Honterusfest von 1957 trägt den spartanischen Titel „Schulfest der deutschen Oberschule“. Sein Inhalt lautet wie folgt:
„Wenn es galt, bei dem Schulfest der Oberschule Nr. 2 Stalin-stadts, das am 16. Juni stattfand, fortschrittliche Traditionen des ehemaligen Schulfestes der Honterusschule mit den Zielen, die sich zeitgenössische Feste unserer Schuljugend stecken, zu vereinigen, so ist dieses erreicht worden. Das Fest, das vor dem Gebäude der deutschen Oberschule in den Morgenstunden des wunderschönen Junisonntags begann und die Teilnehmer unter den Klängen zweier Bläserkapellen auf die Hangesteinwiese hinaufführte, war ein Fest der Schuljugend, des Sportes, der Geselligkeit - ein Fest der Freude. Hätten sonst die Teilnehmer den ganzen Tag über ausgehalten? Selbst Jüngste, die auf den Armen ihrer Väter und Mütter den Weg durch die herrlichen Buchenwälder zurückgelegt hatten, waren noch im Abenddämmern zu sehen. Gymnastikvorführungen, Gemeinschaftstänze, Lieder, Reden, Sacklaufen, Tauziehen - was gehört nicht alles zu einem solchen Tag! Und das letzte Wort der Festrede: ‚Freut euch an diesem Tag!‘ wurde zur erfüllten Verheißung und Aufforderung: Wir haben uns gefreut!“
Nicht nur der Titel, auch der Bericht selbst kann als spartanisch bezeichnet werden. Es fällt u.a. auf, dass kein einziger Personenname genannt wird, auch nicht jener des Festredners, aus dessen Ansprache zitiert wird (übrigens nicht ganz korrekt: Dem Original-Typoskript zufolge lauteten die letzten Sätze der Festrede: „Freut euch am Gegenwärtigen und Künftigen!/Freut euch an Lebenslust und Frohsinn!/Freut euch über eure Zukunft, die wie ein weites, lockendes Land vor euch liegt!/Freut euch über den heutigen Tag!“). Auch der Verfasser des Beitrags wird nicht angegeben, nicht einmal die Initialen seines Namens. So wurde damals Presse gemacht! Und das nächste und letzte Honterusfest der 1950er Jahre, jenes von 1958, hat auch die „Volkszeitung“ ganz totgeschwiegen. Abschließend seien die weiteren Entwicklungen in puncto Honterusfest bloß skizziert. Bereits ab Ende der 1950er Jahre bemühten sich die Kronstädter, die das Schicksal nach Deutschland verschlagen hatte, um die Organisation von Gemeinschaftsfesten in der Nachfolge des Honterusfestes. Ab 1958 fanden mehrere solche Treffen im Raum München statt. Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wird die „deutschländische“ Variante des Honterusfestes alle zwei Jahre in Pfaffenhofen a. d. Ilm abgehalten.
In Kronstadt selbst gab es in der kommunistischen Zeit einen weiteren Versuch, Kronstädter und Burzenländer Sachsen jährlich in einem großen Gemeinschaftsfest zusammenzuführen. In den Jahren 1979 und 1980, jeweils im Juni, wurden auf einer Wiese in der Noa sogenannte „Burzenländer Trachtenfeste“ gefeiert, die sich eines großen Zuspruchs erfreuten. Leider fand diese Initiative keine Fortsetzung, weil die oberbehördliche Genehmigung ausblieb. Nach der politischen Wende von 1989 konnte dann aber auch in Kronstadt die Tradition des Honterusfestes wiederbelebt werden. Seit dem Jahr 1992 wird das Honterusfest jährlich - in der Regel Ende Mai/Anfang Juni - als Schulfest der Honterusschule auf dem Langen Rücken in der Schulerau begangen.