In 10 Tagen finden in Kronstadt Kommunalwahlen statt. Das Deutsche Forum hat sich vorgenommen, eine bestmögliche Vertretung in den Verwaltungen auf Kreis- und Lokalebene zu erzielen und dafür insgesamt 162 Kandidaten für Bürgermeisterämter, Kreis-, Stadt- und Ortsräte aufgestellt. Über die diesjährige Wahlkampagne, über die Art und Weise, wie die gemeinsamen Aktionen die Leute zusammenbringen, aber auch über die verschiedenen Möglichkeiten, als Mitglied oder Sympathisant des Forums bei den Wahlen mitzuhelfen sprach mit Thomas Şindilariu, dem Vorsitzenden des Kronstädter Ortsforums, die KR-Redakteurin Elise Wilk.
2016 ist ein entscheidendes Jahr für das Deutsche Forum. Diesmal steht die Politik im Vordergrund. Warum ist der politische Aspekt im Leben des Forums wichtig?
Das Deutsche Demokratische Forum ist ein Minderheitenverband und hat eine mehrfache Aufgabenstellung. Erstens gilt es, unsere sprachliche und kulturelle Identität zu pflegen und zu festigen, ferner sich dafür einzusetzen, dass die Entfaltungsmöglichkeiten dafür gut sind. Allein schon daraus ergibt sich die Notwendigkeit der politischen Implikation. Der Auftrag zur aktiven Beteiligung am politischen Leben, konkret an den Kommunalwahlen, ergibt sich aus unserem Selbstverständnis als im Forum organisierter Minderheit. Wir haben das Erscheinungsbild Kronstadts über all die Jahrhunderte seit der Stadtgründung (mit)geprägt. Unsere Tradition verpflichtet uns, auch heute dafür einzutreten. Zweitens sind wir nicht nur Angehörige einer Minderheit, sondern auch Bürger Rumäniens, daher können wir die Augen vor dem gegenwärtigen Entwicklungsstand dieses Landes nicht verschließen. Trotz NATO und EU ist es eigentlich noch nicht klar, wo wir hingehören und das wird vor allem auch im Kleinen entschieden, also auch in Kommunalwahlen.
Das Land steht am Scheideweg, was die öffentliche politische Kultur anbelangt. Als Bürger darf man da nicht nur kritisieren, sondern es kommt darauf an, die Ansätze zur Implikation zu finden und zu nutzen. Der Ruck, der nach der Tragödie um das „Colectiv“ durch die rumänische Gesellschaft ging, hatte Anlass zur Hoffnung gegeben, es in Rumänien künftig mit einer anderen Art von Politik zu tun zu haben, da sie von andersartigen Politeinsteigern getragen werden würde. Diese Hoffnung hat sich bislang nur bedingt erfüllt. Wir versuchen, das Unsere beizutragen, hoffen auf Unterstützung und verlässliche Partner. Realistische Alternativen dazu gibt es nicht.
Beim Neujahrsempfang des Kronstädter Ortsforums haben Sie gesagt: „Wahlen gewinnt man nicht im Alleingang, es wird auf die Mithilfe aller dabei ankommen“. Wie kann man während der Kampagne konkret helfen?
Man kann zum Beispiel helfen, indem man ein Wahlplakat an sein Tor oder Fenster hängt. Plakate sind beim Forum erhältlich (selbstgestaltete Wahlwerbung ist heuer vom Gesetz untersagt). Im Forum ist eine Einverständniserklärung, die man als Eigentümer, aber auch als Mieter ausfüllen kann, zu hinterlegen, womit den Anforderungen des Gesetzes genüge getan ist. Man kann helfen, indem man Flyer verteilt – auf der Straße, unter Bekannten, man kann sich bei der Verteilung von Postwurfsendungen einbringen. Man kann die sozialen Medien nutzen und auf uns hinweisen, damit erreicht man besonders die jungen Wähler.
Wenn man helfen will, soll man sich mit den Kandidaten in Verbindung setzen und bei den Aktionen in der Wahlkampagne mitmachen. Sichtbarkeit ist wichtig. Besonders hervorheben möchte ich die Möglichkeit, mit Spenden die Wahlkampagne zu unterstützen (nur aus dem Inland zulässig!). Das gesetzlich vorgeschriebene Wahlkampfkonto steht dafür bereit. Im Anschluss an eine Überweisung ist wegen der Ausfüllung einiger Formulare mit dem Forum Verbindung aufzunehmen (binnen 48 Stunden), da sonst auf das gespendete Geld nicht zurückgegriffen werden kann. Im Forum selbst kann auch eingezahlt werden. Weitere Informationen sind ebenfalls in der Geschäftsstelle des Forums erhältlich.
Die Gesetzeslage zu den Wahlen heuer ist restriktiver als bisher.
Ob die davon erhoffte Sach- und Problemorientierung des Wahlkampfes erreicht wurde, ist noch nicht klar abzusehen. Der Einstieg von neuen politischen Kräften – auch das Forum kann trotz des Achtungserfolges von 2012 noch als Newcomer gelten – wird vom Gesetz eher behindert als gefördert, so dass man den Eindruck nicht los wird, es mit Kräften zu tun zu haben, die gerne unter sich bleiben wollen. Dieser Problempunkt schlägt sich auch in der Wahlkampffinanzierung nieder. Eigentlich sieht das Gesetz die Erstattung der Wahlkampfkosten durch den Staat vor. Dafür wären mindestens 3 % der auf Kreisebene (in allen Gemeinden) abgegebenen Stimmen erforderlich. Da unser Forum aufgrund der demographischen Verhältnisse nur in einigen Ortschaften Kandidaten aufstellen konnte, wird es aller Voraussicht nach von der Wahlkampfkostenerstattung ausgeschlossen sein. Damit sind die Spenden unserer Unterstützer tatsächlich Spenden im ganzen Sinne des Begriffs - mit Chancengleichheit hat diese Bestimmung freilich nichts zu tun.
Es ist sicherlich im Sinne der Sache, dass die Wahlkampfkosten gedeckelt sind. Für Stadtrat und Bürgermeister von Kronstadt dürfen allerhöchstens 84.000 Lei ausgegeben werden, aber auch diese müssen erst einmal beisammen sein. Außerdem kann man sich als Wahlhelfer melden. Es gibt 177 Wahllokale, wo man helfen kann. Voraussetzungen sind neben Wohnsitz in Kronstadt und gültigem Ausweis, dass die potentiellen Forumsvertreter in keinem nahen verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem der Kandidaten stehen. Es wird die Gelegenheit geboten, die Wahlen aus nächster Nähe mitzuerleben. Darüber hinaus wird man mit rund 200 RON für den Einsatz entschädigt. Interessenten können sich bis zum 27. Mai bei der Geschäftsstelle des Forums melden. Es ist wichtig, dass man Leute hat, denen man vertrauen kann. Bei den letzten Kommunalwahlen hatten wir den Eindruck, den dritten Stadtrat in diesem Kontext möglicherweise verloren zu haben. Auch wichtig ist die Mund-zu-Mund-Propaganda, die schon immer als erfolgreiches Mittel im Wahlkampf eingesetzt wurde. Was aber am Wichtigsten ist – jede Wahlkampagne ist eine Gelegenheit zur Mobilisierung und Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Das tut uns gut als Organisation, das hat uns auch vor vier Jahren gut getan. Man lernt sich bei diesen Aktionen besser und direkter kennen und schätzen als bei allen anderen Gelegenheiten.
Bei den Kommunalwahlen 2012 hat es das Deutsche Forum geschafft, in nahezu allen Stimmbezirken Kronstadts auf mindestens 5 Prozent zu kommen, wobei die Spitzenergebnisse in der Inneren Stadt (bis zu 18% pro Wahllokal) erzielt wurden. Es wird in diesem Jahr erwartet, dass die Prozente steigen. Sie selbst meinten: „Die Aussichten waren noch nie so gut wie heuer“. Was wurde in den letzten 4 Jahren unternommen, damit man heute mit einem besseren Erfolg rechnen kann?
Die Frage, die sich die Kronstädter stellen müssen, ist: „Wie geht es weiter mit unserer Stadt?“
Es ist leider nicht der Moment über die Leistungen oder Misserfolge des amtierenden Bürgermeisters abzustimmen. Im Raum steht eine ganz andere Frage: ist es realistisch, sich den gegenwärtigen Bürgermeister noch ein ganzes Mandat lang in diesem Amt vorzustellen? Was passiert mit der Stadt, wenn er auch nur in einem der gegen ihn anhängigen Gerichtsverfahren rechtskräftig verurteilt wird und ins Gefängnis kommt? Kann sich Kronstadt politische Handlungsunfähigkeit denn leisten? Unsere Stadt muss sich im Konzert der europäischen Städte behaupten, jeden Tag, es geht dabei um so viel. Kluge Politik zahlt sich aus in funktionierender Infrastruktur (vom Flughafen bis zum neuen Krankenhaus), die sich in sicheren Arbeitsplätzen und Wohlstand niederschlägt. Es ist Zeit, sich auf die tatsächlichen Sachprobleme zu konzentrieren, statt Einsatz dafür zu mimen, eigentlich aber dem schnellen Geld durch politnahe Unternehmen nach dem Bordsteintauschprinzip nachzulaufen. So werden wir nie wirklich in Europa ankommen. Der Erfolg des Forums bei den bevorstehenden Wahlen hängt in entscheidendem Maße davon ab, inwiefern es gelingt, die Kronstädter auf diese Gedanken zu bringen. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind positiv, vertrauen wir also darauf.
Was empfiehlt das Forum für die Stadtverwaltung?
Durch ihr Engagement im DWK und im Forum haben die 2012 gewählten Stadträte des Forums sehr viel im Bereich Tourismus geleistet und haben ausländische Investoren nach Kronstadt gebracht. Eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt ist auch das Oktoberfest. Es ist zurzeit das einzige große gesellschaftliche Ereignis, das in Kronstadt stattfindet. In der Nachsaison kommen auswärtige Gäste eigens deswegen und geben ihr Geld hier und nicht sonstwo in der Welt aus. Man möchte sich mehr davon wünschen – den Goldenen Hirsch gibt es nun schon seit bald 10 Jahren nicht mehr! Ereignisse dieser Art sind wie ein Bonus, eine Draufgabe, die Geld in die Stadt spült, was sich letztlich in den Einkommen der Einwohner niederschlägt. Auch im Falle des Flughafens hat man versucht, die Sachen ins Rollen zu bringen. Mit unserer Initiative sind wir auch im deutschsprachigen Raum auf Interesse für Zusammenarbeit gestoßen (München, Nürnberg, Salzburg). Auf Initiative unserer Stadträte wurde Anfang des Jahres die Partnerschaft zwischen Kreis und Stadt geschlossen, und das nach so vielen Jahren erbitterter Feindschaft! Andere sind nicht einmal auf diese Idee gekommen, das zu bewerkstelligen – aber wie soll der Flughafen ohne diese Partnerschaft denn je funktionieren? Auch in der Ernennung von Peter Maffay zum Ehrenbürger der Stadt steckt ein enormes Potential. Das alles wurde mit lediglich zwei Stadträten erreicht, die noch nicht einmal den Status einer Stadtratsfraktion hatten. Von der Deutschen Berufsschule Kronstadt ist noch kein Wort gesagt worden. Wie viel mehr wäre leistbar mit einem Bürgermeister vom Forum und einer soliden Mehrheit im Stadtrat?
Mit welchen Argumenten würden Sie einen noch unentschiedenen Wähler überzeugen, das Deutsche Forum zu wählen?
Er soll sich die Fragen stellen, die die polnischen Demonstranten auf ihre Plakate geschrieben haben: „Was wollt ihr? Einen Europa-Express oder die transsibirische Eisenbahn?“ (Anmerkung der Redakteurin: Fast eine Viertelmillion Menschen haben Anfang Mai in Warschau für einen proeuropäischen Kurs Polens demonstriert) Es ist nämlich noch nicht entschieden, wo es lang geht. Was Hermannstadt kann, das kann auch Kronstadt. Das war unser Slogan vor 4 Jahren. Jetzt haben wir nicht umsonst „Das europäische Kronstadt - Mit uns gehst du auf Nummer sicher“ als Slogan gewählt. Es gibt so viel zu tun in dieser Stadt. Und es ist genug Geld vorhanden, das man ehrlich verwalten und einsetzen kann, zu verdienen gibt es auch genug. Korruption ist eine (sibirische) Sackgasse. Der Wähler ist gerufen, sich zu entscheiden, wem er das „europäische Kronstadt“ am ehesten zutraut.