In der Kindergeschichte von Frederik sammeln die kleinen Mäuse Vorräte für den Winter. Nur Frederik möchte nicht mitarbeiten. Er sammelt lieber die Farben, Düfte und Töne des Sommers. Auch für uns kommt der Herbst und jeder von uns muss sich fragen, ob er genügend eigene strahlende Eindrücke eingesammelt hat, um sie gegen die dunkle Jahreszeit anleuchten zu lassen.
Eine schöne Möglichkeit dazu bieten uns die Klänge der Musik. Sie bringt die unterschiedlichsten Farben und Eindrücke vor unserem inneren Auge zum Tanzen und versammelt sie zum fröhlichen Reigen der Sinne. Dabei müssen die Harmonien natürlich bewusst wahrgenommen werden. Nur so entfalten sie ihre bezaubernde Wirkung.
Für den Reformator Martin Luther war Musik ein Anteil an der Ewigkeit Gottes. Deshalb förderte er den Gemeindegesang, wo immer er konnte. Vor der Reformation durften die Gemeindeglieder der geistlichen Musik meist nur lauschen. Sie sollten deren Wohlklang nicht stören. Das änderte Luther.
Er gab den Gläubigen Gemeindelieder, die von allen mitgesungen werden sollten. So haben diese bis heute persönlichen Anteil an der Verkündigung des Evangeliums und dem Gotteslob. Die Kirchenmusik macht die Menschen mündig, denn sie öffnet ihnen den Mund. Sie gibt den Sängern eine Stimme, die weit mehr zu sagen hat, als nur den wörtlichen Text der Lieder.
So war es sehr schön anzusehen, wie in der vergangenen Woche Schüler der Honterus-Schule ein musikalisches Verkündigungsspiel in der Schwarzen Kirche aufführten. Der Anlass war das diesjährige Erntedankfest. Die über fünfzig Kinder starke Musikanten- und Theatergruppe sang und spielte die biblische Geschichte von Joseph und seinen Brüdern nach.
Vorbereitet wurde die Aufführung außerhalb des Unterrichts durch das Canzonetta Ensemble, einen Projektchor und Kinder aus der Kinderstunde der Honterusgemeinde. Allein für die Schule mussten am Donnerstag zwei Aufführungen gegeben werden, da die Schwarze Kirche mittlerweile zu klein für alle Schüler der stark gewachsenen Honterus-Schule ist. Aber auch im Hauptgottesdienst am Sonntag wurde das Stück vorgetragen.
In der aus dem Glauben geborenen Musik kamen sich die unterschiedlichsten Menschen nahe. Sie hörten etwas von den Farbschattierungen des Lebens und der Liebe Gottes. Sie konnten nachvollziehen, wie Gott im lichten Glanz, aber auch den tieferwerdenden Schatten des Lebens zu Joseph stand. Alles endete mit einer reichen Ernte und der glücklichen Versöhnung der Brüder.
Dabei hatten auch die Zuschauer vielfältig Gelegenheit, sich am Gotteslob zu beteiligen und mitzusingen. Dafür waren Lieder aus über vierhundert Jahren Kirchenmusikgeschichte im Stück vereint. So konnten Jung und Alt den verschiedenen Musikstilen in sich Raum geben. Sie konnten das Eigene suchen und liebgewinnen, sich aber auch für das Fremde (und vielleicht Fremdbleibende) öffnen.
So lehrte die Musik mit neuem und altem geistlichen Liedgut alle Gottesdienstbesucher, zusammen zu leben. Sie gab über die Grenzen von Generationen und Konfessionen hinweg eine gemeinsame Sprache, um der Freude und dem Dank fröhlich Ausdruck zu verleihen. Sie half dabei, neue und alte Farben, Töne und Eindrücke zu finden und schenkte uns Anteil an der Ewigkeit Gottes. Wer dies für sich selber einmal ausprobieren möchte, ist herzlich in jeden Gottesdienst eingeladen.