Lebendiger Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart

„Revista 2000+“ – Wie eine verbotene Schülerzeitschrift aus der Diktatur eine Brücke zwischen Generationen schlägt

Der ehemalige Biologielehrer [erban Sârbu (Foto: Andrei Constantinescu) bei einem Fasching 1984 und heute. Laura Cãpãțânã-Juller Foto:

Die beiden Redaktionen vereint Foto: Revista 2000+

Eine längst vergessene Schülerzeitung, einst im Kommunismus verboten, erlebt ein erstaunliches Comeback und verbindet ehemalige Redakteure mit jungen Stimmen von heute.

Am Freitag, dem 12. September, füllten rund 150 Absolventen der Deutschen Schule Bukarest (heute Goethe-Kolleg) die Räume des Goethe-Instituts in Bukarest. Sie waren aus aller Welt angereist – von Japan bis Amerika, von Israel bis Dänemark, von Österreich bis Kanada. Nach Jahrzehnten sahen sich Klassenkameraden und Lehrer wieder, manche sogar nach 40 Jahren. Manche waren online zugeschaltet. Es wurde viel geplaudert, es gab Umarmungen, Küsse, Freudentränen und viel Lachen. Und es gab eine Publikation, die sie alle vereint hat: die Schülerzeitschrift „Revista 2000“. Zwischen 1968 und 1987 war sie die Stimme einer jungen Generation, die in der grauen Realität des Ceau{escu-Regimes nach Freiheit suchte. 25 Ausgaben erschienen bis 1980, danach wurde das Magazin verboten.

Ein Hauch von Rebellion
Die „Revista 2000“ der Deutschen Schule Bukarest war zweisprachig (Deutsch und Rumänisch) und stand in den schwierigen Zeiten für Mut, Freiheit und Hoffnung. Das Jahr 2000 schien der damaligen jungen Generation voller Möglichkeiten. Schüler schrieben über Rockkonzerte im Turnsaal, Fasching mit Tombola und Schulausflüge an den Bulea-See. Mit Humor, Ironie und Scharfsinn, aber auch mit Feingefühl und Phantasie äußerten sie sich zu existentiellen Problemen und zu gesellschaftlichen Themen. In Gedichten, Prosa, Essays, Buchrezensionen stellten sie sich Fragen – in einer Zeit, in der Anpassung Pflicht war. Das Magazin war ein Akt der Rebellion. Manche wagten sogar ein Interview mit Theaterregisseurin C²t²lina Buzoianu, nach der Uraufführung des Stücks „Der Meister und Margarita“ (1980). Sie sprach über Sachen, an die man im totalitaristischen Regime nicht einmal zu denken wagte. Das Interview durfte damals nicht erscheinen – zu heikel für die Zensur. 25 Nummern wurden bis 1980 gedruckt. Danach wurde die Publikation verboten. Schüler schrieben trotzdem weiter. Erst Anfang der 1990er Jahre  erschien eine neue Ausgabe, die einige Artikel aus dem letzten Jahrzehnt beinhaltete. Es sollte nur bei einer einzigen Ausgabe bleiben.

Die Rückkehr der vergessenen Manuskripte
Bis 2024, als Robert Christian Schwartz, einst Schulleiter der Deutschen Schule und später Chefredakteur der Deutschen Welle in Berlin und Köln, die Manuskripte wiederentdeckte. Er hatte sie nach seiner Amtszeit in Bukarest mit nach Deutschland genommen, wo er seither lebt. Nach über 40 Jahren standen sie plötzlich da: in einer Plastiktüte mit Jeansaufdruck in einer Kartonschachtel. Die Überraschung war groß. Die Begeisterung noch größer. Zusammen mit der Filmemacherin Anca Berlogea-Boariu, selbst ehemalige Redakteurin, die in den Manuskripten ihre eigene Handschrift erkannte, trommelten sie die alte Redaktion zusammen: Autor verschiedener Jahrgänge lasen ihre Artikel aus der Jugend und erkannten sich wieder. Es wurde entschieden, die Texte zu veröffentlichen und das Projekt unter dem Namen „Revista 2000+“ weiterzuführen – das Plus steht für die Zukunft.

Staffel übergeben
So haben zehn Schüler und Schülerinnen von drei deutschen Schulen (Goethe-Kolleg Bukarest, Brukenthal in Hermannstadt, Honterus in Kronstadt) im Rahmen einer Sommerschule in Deutsch-Weißkirch und Deutsch-Kreuz (während der Haferland-Woche) die magische Welt des Schuljournalismus entdeckt, Texte geschrieben, fotografiert, gezeichnet und Videos gedreht. Sie knüpfen dort an, wo die alten Redakteure vor 40 Jahren gezwungenermaßen aufhören mussten. Am Freitag übernahmen sie nun die Staffel von den ehemaligen Redakteuren. Einige ihrer Texte sind neben früher verbotenen Artikeln aus den 1980er Jahren in der neu lancierten Sonderausgabe der „Revista 2000+“ nachzuschlagen, die demnächst in Bukarest sowie in Buchhandlungen in Hermannstadt und Kronstadt erhältlich sein wird. Details dazu werden im Oktober auf der Webseite des Projekts, revista2000.ro, gepostet, wo alle schriftlichen und Video-Beiträge hochgeladen werden. „Die Revista 2000+ zeigt, wie viel Kraft in der Erinnerung steckt – und wie junge Stimmen diese Geschichte neu weiterschreiben“, sagte Robert Schwartz. Sie ist „eine Brücke zwischen Generationen, eine Geste des Respekts vor dem Mut und der Hoffnung der Jugend von damals, ein Wiederhören mit der Stimme, die nie ganz verstummte“. Hanno Höfer, ehemaliger Redakteur der Schülerzeitung, krönte den Freitagabend mit einem Konzert seiner Band „Nightlosers“. 
Das Projekt „Revista 2000+“ wird von der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds (AFCN) mitfinanziert.