Eine regelrechte Farbexplosion kann man diese Tage in der Kunstgalerie über dem Geschenk- und Souvenirladen „Inspiratio“ am Honterushof 8 bewundern. Die Ausstellung „Primavera“ der beiden Schwestern Renate Mildner-Müller und Edith Schlandt lädt ein in die Welt der Fantasie, der Farbe und Freude. Sie schenkt dem Betrachter Energie und Lebensfreude. Wunderschöne Aquarell- und Acrylmalereien in frühlingshaften Farben zieren die Wände des Ausstellungsraums. Es ist, als wäre die Räumlichkeit am Honterushof eigens für diese Ausstellung geschaffen. Phantasie-Gestalten, darunter viele Vögel und Archetypen, wie auch Schrift- und Farbzeichen scheinen auf dem Papier zu spielen, zu tanzen, sich zu freuen. Lebendig sind auch die von Edith Schlandt genähten Kostüme, die wie für einen fröhlichen Tanz bereit stehen. Bilder und Kostüme passen farblich und stilistisch zueinander. Die Rekonstruktionen mittelalterlicher Kostüme sind aus feinsten Stoffen angefertigt: eine wahre Pracht.
„Außerordentliche Qualitäten“
„Ihre Hauptthemen: Kalligraphie, Natur, Vögel, Stillleben, Literatur, Theater, Musik sind alle in dieser Ausstellung vereint“, sagt die Kronstädter Künstlerin Marcela Rădulescu über Mildner-Müllers Werke. Sie hat mit der siebenbürgisch-sächsischen Kunstschaffenden an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Klausenburg studiert und kennt ihr Werk gut. ,„Renate ist als Künstlerin geboren. Sie hat außerordentliche angeborene Qualitäten … Ihre zeichnerische Sicherheit ist bemerkenswert, so auch das Gefühl für Komposition und für Flächenbedeutung“. Ihren Stil habe sie seit dem Hochschulabschluss beibehalten und mit bemerkenswerten Ausdrucksmöglichkeiten bereichert, so Rădulescu.
In Kronstadt sind Mildner-Müllers Werke im Kunstmuseum zu sehen und nun, nach fast zehn Jahren, wieder im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung mit ihrer Schwester. Die erste gemeinsame Schau in der Zinnenstadt, „Kalligraphie und figurative Malerei. Renaissance-Kostüme“, fand im Sommer 2014 im Museum für städtische Zivilisation statt. Heuer konnte die Künstlerin aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Vernissage am 3. April anwesend sein, sendete aber ein Grußwort an die Gäste und einen herzlichen Dank an die Veranstalter.
Renate Mildner-Müller war nach Abschluss der Akademie als Illustratorin für verschiedene Verlage, Zeitschriften und Zeitungen (darunter Neuer Weg und Karpatenrundschau) tätig. Als freischaffende Künstlerin beteiligte sie sich an großen Landesausstellungen und vielen Einzelausstellungen (mehrere Preise für Buch-, Plakat- und freie Grafik). Nach der Umsiedlung nach Deutschland im Jahre 1977 folgten zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in mehreren deutschen Städten.
Ihr Wissen hat sie in ihrer Heimatstadt an Schüler weitergegeben, als sie u.a. bei der Honterusschule unterrichtet hat. In Deutschland hält sie Kurse und Seminare im Bereich Kalligraphie.
„Unheilbares Virus“
Die beiden Schwestern Renate Mildner-Müller und Edith Schlandt sind in einer künstlerisch begabten Familie aufgewachsen. Wenn sich die ältere Schwester mithilfe des Stifts oder des Pinsels künstlerisch ausdrückt, macht Edith Schlandt es durch das Nähen. Sie arbeitete jahrelang als Kindergärtnerin, war aber ständig mit Kunst verbunden. Ende der 1990er Jahre hat sie die ersten Kostüme entworfen. Jugendliche von der Honterusschule haben sie bei der Vorführung eines Tanzes zur Musik von Carl Orff getragen. Es war im Honterushof, anlässlich der 500. Geburtstagsfeier des Kronstädter Humanisten Johannes Honterus. Daraufhin folgte eine Bestellung für einen Chor aus Deutschland. Weitere Aufträge kamen. „Ich habe mich damals mit dem Virus des Nähens angesteckt und es ist nie mehr weg. Es ist unheilbar und ich bin glücklich“, erklärt Edith Schlandt bei der Vernissage. Musik und Tanz sind ihre Inspirationsquelle, die Farbe ist ein lebenswichtiges Instrument zum Schaffen.
Über 150 Kostüme hat sie bislang genäht. Keines gleicht dem anderen. Keines wurde nach Vorlagen gemacht, keines nach Maß. Alles entspringt der Phantasie. Die Kleidungsstücke werden aus alten Stoffen hergestellt, die einmal als Tischdecke, Vorhänge oder als Anzüge gedient haben. Leinen, Samt, Spitze, Wollstoff und auch Baumwolle werden zu prächtigen Unikaten. „Die Stoffe sind sehr wichtig… Ich benutze keine Knöpfe, keine Reißverschlüsse, nichts, was es damals nicht gab“. Riemen, Ketten und Schmuck vervollständigen die Exponate.
„Sie sollen nicht glauben, dass meine Nähmaschine nur Kleider aus anderen Zeiten näht.“ Mit diesen Worten stellte Edith Schlandt den Gästen der Vernissage eine Überraschung vor: ihre neuste Frühlingskollektion mit luftigen, eleganten Kleidern. Die aus Leinen und Brokat hergestellten Modelle wurden von jungen Frauen getragen, die sie freudig im Ausstellungsraum präsentierten.
Die Kreationen der Kronstädterin waren u. a. bei der Rosenauer Burg oder bei den Turmwächtern am Alten Marktplatz zu sehen, manche erfreuen ihre Besitzer aus mehreren rumänischen Städten und aus dem Ausland.Die Ausstellung „Primavera“ kann bis zum 25. Mai, täglich zwischen 10 und 19 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei.