Mit einem Mendelssohn-Konzert im Rahmen des Bartholomäer Konzertsommers feierte der Kronstädter Bachchor am 23. Juni seinen achtzigsten „Geburtstag“. Die Singgemeinschaft der Honterusgemeinde „steht für Beständigkeit und Tradition, und gleichzeitig für Erneuerung“, sagte Dr. Carmen Elisabeth Puchianu seitens der Gastgeber, der evangelischen Kirchengemeinde Bartholomä. „Der Bachchor ist auf erfrischende Weise interkulturell und interkonfessionell und trägt eine Kultur weiter, die hier Jahrhunderte alt werden konnte.“
Erfrischend war auch die musikalische Darbietung, die von Steffen Schlandt dirigiert und auf der Orgel begleitet wurde. Auf dem Programm standen Auszüge aus Mendelssohns Oratorium „Elias“, dem Werk, das der Bachchor bereits 2005 aufgeführt hatte und das auch im Rahmen der diesjährigen Auflage von „Musica Coronensis“ im Herbst erklingen wird. Mendelssohn selbst hatte in einem Brief von 1837 seiner Freude Ausdruck gegeben, dass die Geschichte des biblischen Propheten Elias ihm die Möglichkeit biete, „recht dicke, schwere und volle Chöre“ zu komponieren.
In der Auffassung des Bachchors waren sie dynamisch, szenisch, fesselnd – und Steffen Schlandt erwies sich als ein hervorragender Regisseur der musikalischen Bilder und Geschehnisse. Der Kampf des alttestamentarischen Propheten gegen die Vielgötterei, die heftige Auseinandersetzung von Polytheismus und Monotheismus, die Resignation des Elias und die Gotteserscheinung, die er erlebt – all das spielte sich in der Bartholomäer Kirche mit großer Dramatik, in Form von bildhaften Klängen und Worten ab. Die Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten ging bei den Aufführenden von mild bis flink und majestätisch über feinfühlige Steigerungen und Kontraste. Die Orgelregister harmonierten mit dem Timbre der Stimmen und die gesamte Begleitung unterstützte, inspirierte und kommentierte die Melodien des Chors mit einem ausgezeichneten Zartgefühl. Unter anspruchsvoller Leitung ist der Bachchor, wenn er denn will, alles andere als ein Laienchor.
Spektakulär war das Orgel-Crescendo in der Ouvertüre, das mit dem Gebet des Chores, „Hilf, Herr!“ kulminierte und das A capella-Rezitativ „Die Tiefe ist versieget!“ wie aus der Zeit herausgehoben erklingen ließ. Die cremige Wärme der Orgel ließ die Verheißung „Wohl dem, der den Herrn fürchtet“ besonders sanft und tröstend erklingen, während das „Fürchte dich nicht“ (Nr. 22) vor Optimismus sprudelte. Wie für die Bühne geschrieben – und gesungen – war die Nr. 34 „Der Herr ging vorüber“. Der starke Wind, die bebende Erde, das brausende Meer und schließlich das stille Sausen nahmen in den Klängen Gestalt an und erfüllten den Kirchenraum mit Leben. Es gelang den Choristen und ihrem Dirigenten, den rhythmischen Reichtum des Werks wiederzugeben, die Tempi mit großer Klarheit zu wechseln, den Text sauber zu artikulieren, harmonische Köstlichkeiten in den einzelnen Stimmen zu betonen und die Unisoni in ihrer expressiven Dramatik zu unterstreichen.
Der kritischen Pingeligkeit zuliebe könnte man sagen, dass an manchen Stellen die Sopranistinnen mit ihrer großzügigen Melodik etwas hervorstachen, dass mancher Einsatz etwas heiser herüberkam oder dass man die Nr. 5 („Aber der Herr sieht es nicht“) noch präziser artikulieren könnte – aber eigentlich hat es im Konzert des Bachchors nur an etwas mehr Publikum gefehlt. Die Plätze werden sich gewiss beim nächsten Auftritt füllen: Das Ensemble singt Mendelssohns Oratorium am 17. Oktober in der Schwarzen Kirche, unter Mitwirkung des Bachchors Hannover und des Sinfonieorchesters der Kronstädter Philharmonie.