Zwei Gestalten, die Gesichter weiß bemalt, sitzen am Küchentisch. Sie reden miteinander, scheinen sehr vertraut zu sein. Sind es alte Freunde, die sich seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben? Sind es vielleicht Mutter und Sohn? Ist es ein gelangweiltes Ehepaar?
Die Antwort findet man relativ schnell: nein. Nach ein paar Minuten merkt der Zuschauer, dass die beiden Personen auf der Bühne Carmen Puchianu und Robert Elekes sind. Die beiden Schauspieler spielen sich selbst. Und lassen während der Aufführung die Masken (und manchmal auch die Kleider) fallen, in einer Mixtur aus Sprech-, Tanz- und Improvisationstheater von wildem Humor. „Das neue Stück“, eine Produktion des Theaterensembles „duo Bastet“, feierte am Sonntag, dem 20. November, im Rahmen des „Etnovember“-Festivals seine Premiere. Die Vorstellung fand im „Arlechino“-Puppentheater statt.
Es muss ja nicht immer Beckett sein
„Duo Bastet“, bestehend aus den Kronstädter Germanisten Carmen Elisabeth Puchianu und Robert Elekes, wurde im Jahr 2008 gegründet. Die Produktionen des deutschsprachigen Ensembles kombinieren auf eine gelungene Art Elemente des Improvisationstheaters mit Kabarett, Panto-mime,Tanz und Musik. In den Jahren seit der Gründung hat das Ensemble Stücke wie etwa „Nyktophobie oder: Mephistos später Gruß an Faust“, „Stühle für den neuen Mieter“ nach E. Ionesco oder „Tägliche Tage“ nach Samuel Beckett inszeniert. Dabei handelte es sich um postmoderne Adaptationen wichtiger Texte der Weltdramatik.
Bei den Texten der Inszenierungen handelt es sich um Werke, die sich aus kreativer Teamarbeit entwickelt haben. Das Ensemble arbeitet nach dem Prinzip „work in progress“, das bedeutet, dass die Inszenierung von Null aufgebaut wird. Oft werden persönliche Erfahrungen und Eindrücke in den Text eingebaut. Das Endresultat ist immer ein sehr persönlicher Text. Auch dieses Mal haben die beiden Mitglieder des Ensembles nach dem Prinzip „work in progress“ gearbeitet. Nur wurde dieses Mal kein anderer Text als Vorlage verwendet. Es muss ja nicht immer Beckett sein. Warum nicht ein Stück über die Entstehung eines Stückes?
Eine Aufführung für Insider
„Die Inszenierung beruht auf einer Textkollage, zusammengestellt von Carmen E. Puchianu und Robert G. Elekes in der für Duo Bastet üblichen Manier“, stand auf der Facebook-Seite der Veranstaltung, die schon seit September existiert. Manch ein Kenner von „Duo Bastet“-Inszenierungen erwartete viel Bewegung und wenig Worte. Es war aber anders, als erwartet. In keiner bisherigen Inszenierung des Ensembles wurde so viel geredet wie im „neuen Stück“. Typisch für alle Aufführungen der Marke Puchianu (deren Stil unverwechselbar ist) sind die Gesichter der Schauspieler weiß bemalt. Also wollen die Schauspieler dem Publikum zeigen: „ich bin auf der Bühne jemand anders“. Jedoch spielen die beiden sich selbst. Im „neuen Stück“ geht es um die zwei Theatermacher, die sich treffen, um ein neues Stück zu schaffen.
Gekonnt verbinden die beiden in der Inszenierung Elemente der „Contact Improvisation“ (ein zeitgenössischer Tanzstil, bei dem es um die aktive Entdeckung aller Bewegungsmöglichkeiten geht, die zwei oder mehr menschliche Körper ausführen können) mit Gedicht-Auszügen, wechseln die Rollen untereinander und sprudeln vor Energie. In pointenreichen Dialogen fliegen die Fetzen, der rote Strick- ein immer wiederkehrendes Motiv in den Puchianu-Inszenierungen- wird zur Marionettenschnur und anschließend zur Hundeleine, die beiden Schauspieler wechseln die Rollen und schlüpfen in die Kleider des anderen. „Das neue Stück“ stellt Fragen nach dem Sinn des Theaters. Was sollte man auf der Bühne machen, damit man wirklich etwas Neues bringt? Wie weit sollte man gehen, wie viel von sich selbst preisgeben? Und: interessiert das überhaupt noch jemanden? Die Aufführung verschaffte den Zuschauern einen kleinen Einblick in die „Puchianu-Welt“- skurril, komisch, aber immer authentisch und ehrlich zu sich selbst. Jedoch: „Das neue Stück“ ist eine Aufführung für Insider. Leute, die die beiden Protagonisten nicht kennen, werden kaum etwas davon verstehen. Auf jeden Fall sind es angenehme anderthalb Stunden, die man auf dem Plüschsessel im Theatersaal verbringt.