Auch im Kreis Kronstadt arbeitet man an der Umsetzung einer landesweiten Strategie der rumänischen Regierung, die sich vornimmt, die soziale Inklusion der Romabevölkerung im Zeitrahmen 2015-2020 deutlich zu verbessern. Beim Sitz der Präfektur wurde nun ein Plan besprochen, der vom sogenannten Kreisbüro für Roma erarbeitet wurde. Der Plan soll vor allem in den Bereichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Unterricht, Gesundheit, Wohnung, kleine Infrastruktur, aber auch in der Kultur die Dinge in die richtige Richtung bewegen.
So z.B. nennt man beim Kapitel Unterricht einen Prozentsatz von 70 Prozent aller Romakinder im Alter von 3 bis 5 Jahren, die im Kindergartenunterricht erfasst sein sollen. Beim Kapitel Gesundheit spricht man eher allgemein und meidet Zahlen: so soll die Anzahl der Roma steigen, die zumindest einmal im Jahr den Familienarzt besuchen. Ebenfalls einen Zuwachs erwünscht man sich auch bei den Personen, die Schutzimpfungen erhalten oder bei den Frauen, die sich in Sachen Familienplanung beraten lassen.
Die Probleme beginnen bereits mit der Erfassung der Roma als Bevölkerungsgruppe. Viele von ihnen ziehen es vor, ihre ethnische Herkunft zu leugnen und bezeichnen sich bei der Volkszählung als Rumänen oder Ungarn. Der Grund dürfte wohl die Furcht vor möglichen Diskriminierungen sein. Laut den Daten, die das Kreisamt für Statistik nennt, gibt es im Kreis Kronstadt 18.519 Personen, die sich bei der letzten Volkszählung zu Roma erklärten. Bei der Präfektur geht man aber von einer gut dreimal höheren Zahl aus – rund 60.000.
Eklatant ist der Unterschied im Roma-Viertel Gârcini bei Săcele. Laut Volkszählung gibt es dort 324 Roma; ihre tatsächliche Zahl wäre aber um die 10.000. Diese Unstimmigkeiten wirken sich letztendlich für die Roma selber negativ aus – die Abrufung von Fonds für Hilfsprogramme ist leichter und auch umfangreicher, wenn diese Programme möglichst viele Personen der Zielgruppe erreichen.
Mihaela Cârstea, Vorsitzende des Vereins für Gemeinde-Partnerschaft Kronstadt – ein Verein, der in der Roma-Strategie mitimpliziert ist, stellte eine paradoxe Situation vor, die von einem ganz anderen Standpunkt auch mit der Identifizierung der Roma zu tun hat: im Januar seien in der Kronstädter Geburtenklinik 632 Kinder geboren. Aber ausgestellt wurden nur 569 Geburtenscheine. Der Unterschied, 63 Kinder, haben keine Personenkennzahl. Sie können nicht für den Unterricht oder im Gesundheitssystem erfasst werden, weil es sie auf dem Papier einfach nicht gibt.
Die Schlussfolgerung ist einfach – bei diesen Kindern handelt es sich höchstwahrscheinlich um Roma-Neugeborene. Das Problem der Roma, keine gültigen Personenausweise zu besitzen, ist ebenfalls seit Jahren gut bekannt. Ab und zu, nicht nur wenn Wahlen anstehen, werden Kampagnen vom für die Bevölkerungsevidenz zuständigen Kreisamt organisiert, um kostenlos abgelaufene oder beschädigte Identitätsausweise zu erneuern oder sogar, auf Grund anderer Akten, neu auszustellen. Dass trotzdem zu viele Roma ohne Ausweise leben, gehe auf eine andere traurige Realität zurück, sagte Marton Szasz. „Viele der Roma haben keine Häuser, so dass ohne eine Anschrift auch kein Personalausweis ausgestellt werden kann.“
Bis hoffentlich manche der Maßnahmen auch positive Folgen zeigen, kann manches viel einfacher verbessert werden. Präfekt Mihai Mohaci plant Gespräche mit den Bürgermeistern der Ortschaften mit einem hohen Roma-Bevölkerungsanteil. Beginnen wird er mit dem Bürgermeister von Săcele. Dabei kommt zur Sprache, wie der Unterricht für die Roma besser laufen könnte. In der Roma-Schule Nr. 5 lernen rund 1500 Schüler in drei Unterrichtsschichten. Ein Teil von ihnen soll nun in einer Nachbarschule eingeschrieben werden, die über genügend freie Schülerplätze verfügt. Dabei spricht der Präfekt indirekt etwas Offensichtliches an: eine soziale Eingliederung der Roma ohne Mitbeteiligung und Unterstützung der Mehrheitsbevölkerung ist von Anfang an ein Unternehmen mit geringen Erfolgschancen.