17 Minuten. Genau so lang gehen vier in Weiß und Schwarz gekleidete Gestalten auf der Bühne auf und ab, begleitet von düsteren Klavier- und Geigentönen. Auch in den weiteren 10 Minuten gibt niemand ein Wort von sich. Die schwarz gekleideten „Figuren aus der Unterwelt“ schminken sich in einer Ecke der Bühne, während die Weißen tanzen. „Eine Pantomime“, denkt man. Dann fangen sie an zu sprechen.
Wer den Titel „Orpheus und Eurydike reloaded“ liest, wird glauben , dass es um eine moderne Adaption der bekannten griechischen Sage geht. Die gleiche Story, nur im Zeitalter von Smartphone und Facebook - das müsste interessant sein. Modisch ist es auf jeden Fall. Neu-Adaptionen von griechischen Tragödien sind auf den bekanntesten Bühnen der Welt sehr gefragt. Doch es ist auch keine moderne Adaption. Die vier Personen reden noch immer wie in der Antike.
Die Kabareske von Carmen E. Puchianu, die von den Ensembles „Die Gruppe“ und „Kabarett Kaktus“ auf der Bühne der Kronstädter Redoute am 17. November im Rahmen des „Etnovember“-Festivals seine Vorpremiere feierte, ist nichts von dem, was man erwartet.
Der talentierte Sänger Orpheus, von Krisztian Attila Pan gespielt, der von Apollon selbst eine Leier geschenkt bekommt, ist ein wahres Musik-Genie. Er verliebt sich in die Najade Eurydike (gespielt von Mădalina Matei), doch das Glück dauert nicht lange, denn kaum ist die Hochzeit vorbei, wird sie von einer Schlange gebissen und stirbt. In den Tod gezogen wird sie von zwei düsteren Gestalten aus der Unterwelt (gespielt von Carmen Puchianu und Alexandra Greavu). Sie schminken Eurydike, die eine von ihnen wird. Der mutige Orpheus steigt hinunter in das grausige Reich des Schattens, um Eurydike zu befreien. Ob ihm das gelingen wird, sollte man im Theater sehen. Eine nächste Vorstellung von „Orpheus und Eurydike reloaded“ wird sicherlich bald folgen.
Obwohl am Anfang ein wenig publikumsscheu, kommen die jungen Schauspieler mit ihren Rollen gut zurecht.
Für die beiden Schauspieler in den Hauptrollen ist Deutsch eine Fremdsprache, die sie erst seit einem Jahr lernen. Dass sie schon auf der Bühne stehen und einen Text in deutscher Sprache gelernt haben, ist beachtenswert. An der Aussprache müsste trotzdem noch gearbeitet werden, da man leider einige Worte nicht deutlich verstehen konnte.
Außerdem kann man ihren Enthusiasmus, ihre Freude am Theaterspielen und ihre Expressivität erkennen, was auch ein Pluspunkt ist. Ein anderer großer Pluspunkt sind die beiden Musiker Elena und Paul Cristian, die als Violinist, beziehungsweise Pianist wichtige Rollen spielen.
Die Aufführung „Orpheus und Eurydike reloaded“ überrascht, empört, provoziert und bringt ab und zu auch zum Lachen. Doch sie langweilt nie - nicht einmal in der ersten Hälfte, wo praktisch fast nichts passiert. Diese Minuten verbringt man, indem man sich fragt, was wohl weiter kommen wird. Und was weiter kommt, ist auf jeden Fall sehenswert.