Über dem Einkaufszentrum „Orizont“ im Astra-Viertel blickt ein Baby etwas erschrocken von einem riesengroßen Plakat. Es ist keine Werbung für Windeln. Auf dem Plakat ist auch ein ernst blickender Mann mit Anzug und Krawatte zu sehen. Darunter steht mit großen Buchstaben: „Aţi ghicit, e Tati!“ (Ihr habt es erraten! Es ist Papi!). Das Plakat soll die Wähler überzeugen, am 5. Juni den Stempel auf Cornel George Comşa, unabhängiger Kandidat für das Kronstädter Bürgermeisteramt, zu setzen.
Ob von Parteien oder unabhängig: 15 Bürgermeister-Kandidaten gingen vor Kurzem auf Wählerfang. Ihre Wahlkampf-Teams haben die 224 Reklametafeln in der Stadt mit Plakaten tapeziert. Man sucht aber umsonst nach überraschenden Bildern und markanten Aussagen. Die Plakate sind entweder nichtssagend, eintönig oder voller Klischees oder sie verursachen Lachanfälle. Manche stechen mit grellen Farben ins Auge, andere sehen aus, als wären sie die misslungene Hausaufgabe eines Achtklässlers. Alle haben jedoch eine Gemeinsamkeit, und zwar den Mangel an Inspiration. Ein starkes Wort-Bild Konzept ist bei keinem zu finden.
Ein Motiv, das in diesem Wahlkampf großzügig verwendet wurde, ist das rote Herz. Bekanntlich ist dieses seit vielen Jahren das Logo des Deutschen Forums. Aber auch andere Kandidaten haben es in ihrer Kampagne eingesetzt. Auf dem Plakat von Mariana Sebeni (PER) sind es gleich zwei: ein Herz dient als „O“ in „Brasov“, das andere ist über dem „i“ im Werbeslogan „Braşovule, te iubesc!“ (Kronstadt, ich liebe dich). Auch der oben erwähnte Cornel George Comşa hat ein Herz für Kronstadt. Und zwar ein neues. Sein Slogan lautet: „O inimă nouă pentru Braşov.“ Ebenfalls phantasielos sind die Plakate des unabhängigen Kandidaten Mihai Sturzu. Sie sehen nämlich genau so aus, wie die von Klaus Johannis bei den Präsidentschaftswahlen 2014: der Hintergrund ist blau und Sturzu posiert mit ausgestreckten Händen.
Auf allen Plakaten ist ein Portrait des Kandidaten und ein mehr oder weniger gelungener Slogan zu sehen. In vielen kommt die Stadt unter der Zinne vor: Forumskandidat Christian Macedonschi wirbt mit „Viitorul Braşovului“ (Die Zukunft Kronstadts) oder „Braşovul european“(Das europäische Kronstadt), Florin Staicu mit „Braşovul Braşovenilor“. Andere Slogans lauten: „In echipă pentru Braşov“ (Adrian Gabor, PNL), „Impreună creştem Braşovul“ (Cătălin Leonte) oder „Punem Braşovul in mişcare“ (Mihai Costel, PMP). Die Stadt spielt auch im Slogan von Răzvan Popa (PSD) eine wichtige Rolle: „Dăm plus de valoare oraşului nostru“. (Etwa: Wir verleihen unserer Stadt einen Extra Wert). Während der amtierende Bürgermeister George Scripcaru damit wirbt, dass die Entwicklung der Stadt weiter geht, falls er wiedergewählt wird, setzen andere auf das hoffnungsvolle Wort „Änderung“: „Schimbarea in bine“ (Sturzu) kann dabei leicht mit „E timpul pentru o schimbare“ (I. Dumitrescu-Dumitru) verwechselt werden. Eine Änderung ist dringend nötig, was die Werbung in der Wahlkampagne betrifft. Vielleicht wird sie 2020 stattfinden.